BFH zur Verwendung eines mit hälftigem Vorsteuerabzug erworbenen PKW für private Zwecke

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 05.03.2014, XI R 29/12, zur Verwendung eines mit hälftigem Vorsteuerabzug erworbenen PKW für private Zwecke – Anwendungsbereich von § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG – Auslegung einer Ausnahmevorschrift

Praxisproblem

Wird von einem Unternehmen in den Besteuerungszeiträumen ab 2004 der volle Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen für die Miete oder den Betrieb eines sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten PKW, der nach dem 31.03.1999 und vor 2004 angeschafft wurde, geltend gemacht, so ist die Versteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nicht nach § 3 Abs. 9a UStG a.F. ausgeschlossen.

Sachverhalt

Der Kläger ist als Rechtsanwalt und Steuerberater unternehmerisch tätig. Im Zuge der Tätigkeit erwarb er im Jahr 2001 ein Fahrzeug, das er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke nutzte. Entsprechend der bis zum 31.12.2003 geltenden Rechtslage konnte er die ihm bei der Anschaffung in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nur hälftig als Vorsteuerabzug geltend machen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1b UStG a.F.). In den Streitjahren 2005 bis 2009 fielen für die Unterhaltung des Fahrzeugs (umsatzsteuerbelastete) Aufwendungen an. Der Kläger nahm für sämtliche entstandene Betriebskosten den vollen Vorsteuerabzug vor. Jedoch wurde die Tatsache der teilweisen privaten Nutzung des Fahrzeugs – aufgrund der Übergangsregelung des § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG – nicht berücksichtigt. Daher wurde in den Steuererklärungen der Jahre 2005 bis 2009 keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für die Anschaffungskosten in Form einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG vorgenommen. Der geltend gemachte volle Vorsteuerabzug wurde von der Finanzverwaltung gewährt. Gleichzeitig setzte diese jedoch für die anteiligen Betriebskosten der privaten Nutzung eine unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG fest. Der ergangene Umsatzsteuer-Änderungsbescheid basierte auf der Ausgangslage einer hälftigen privaten Nutzung des Fahrzeugs. Da der Kläger der Ansicht war, dass die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG unklar formuliert sei und daher die private Nutzung des Fahrzeugs nicht als unentgeltliche Wertabgabe angesehen werden könne, erhob er Klage. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision ist erfolglos. Der BFH entschied, dass die Nutzung des Fahrzeugs zu privaten Zwecken durch den Kläger als unentgeltliche Wertabgabe zu berücksichtigen sei, soweit in den Streitjahren Eingangsleistungen für den Betrieb des Fahrzeugs bezogen wurden und die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge abziehbar waren. Unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG sind von der Finanzverwaltung in den Fällen zu berücksichtigen, in denen eine private Nutzung vorliegt und im Zuge dessen Betriebskosten entstehen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Diese Rechtsfolge folgt aus dem Ziel, einen unversteuerten Endverbrauch zu verhindern. Diese Rechtsfolge ist auch nicht durch § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG a.F. ausgeschlossen. Es bestand ein systematischer Zusammenhang zwischen § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG a.F. und § 15 Abs. 1b UStG a.F. Die Einführung bezweckte, den Vorsteuerabzug bei gemischt-genutzten Fahrzeugen in typisierender Weise auf 50 % zu begrenzen. Somit konnte nur ein 50 %-iger Vorsteuerabzug geltend gemacht werden, sodass es keiner Änderung (Korrektur) wegen einer unternehmensfremden Nutzung i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG bedurfte (abgeltende Wirkung).

§ 27 Abs. 5 Satz 1 UStG stellt insoweit eine Ausnahme zu dem Grundsatz dar, dass der Unternehmer in Besteuerungszeiträumen ab 2004 – wie vor der Einführung der in § 27 Abs. 5 Satz 1 UStG genannten Vorschriften – entweder den Vorsteuerabzug aus den laufenden Betriebskosten des gemischt-genutzten Fahrzeugs aufgrund entsprechender Zuordnung nur zu dem unternehmerisch genutzten Anteil geltend machen oder dass er eine vollständige Zuordnung vornehmen und dementsprechend den Vorsteuerabzug zunächst in vollem Umfang in Anspruch nehmen kann und dann in Höhe der nichtunternehmerischen Verwendung eine unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern hat. Hiervon wird durch § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG jedoch eine Rückausnahme („Dies gilt nicht...“) gemacht, wonach die Ausnahme vom Regelfall nicht für Vorsteuerbeträge, die auf den Betrieb dieser Fahrzeuge entfallen, gilt. Für diese Vorsteuerbeträge gilt in Besteuerungszeiträumen ab 2004 wieder die Rechtslage wie vor Einführung der in § 27 Abs. 5 Satz 1 UStG genannten Vorschriften. Es wird deutlich gemacht, dass sich aus § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG nicht entnehmen lässt, dass ein Ausschluss der Versteuerung unentgeltlicher Wertabgaben auch auf Eingangsleistungen für die Miete oder den Betrieb eines Fahrzeugs Anwendung findet, aus denen der zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer den vollen Vorsteuerabzug vornimmt. Diese Ansicht wird bereits durch den Wortlaut, zudem im Wege einer Auslegung belegt, die sich aller – und nicht nur der Wortlautauslegung – dem Richter zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden, d.h. historische, teleologische, grammatikalische und richtlinienkonforme Auslegung, bedient. Ein unversteuerter Letztverbrauch ist sowohl auf nationaler Ebene als auch unionsrechtlich nicht erwünscht.

Im Übrigen sei es auch nicht zu beanstanden, die Nutzung der zum Vorsteuerabzug berechtigten Aufwendungen zu schätzen, soweit keine Aufzeichnungen bestehen, die den Anteil der privaten Nutzung belegen können.

Praxishinweis

Zwar liegt dem Verfahren ein „Altfall“ zu Grunde, der nur für Fahrzeuge von Bedeutung ist, die bis 2004 angeschafft wurden. Jedoch muss, soweit ein solches Fahrzeug noch danach genutzt worden ist, darauf geachtet werden, dass soweit – für laufende Betriebskosten für das Fahrzeug – ein (vollständiger) Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, sodann für private Nutzungen eine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG zu erfolgen hat. Dies ist in dem jeweiligen Besteuerungszeitraum zu beachten. Im Übrigen sollte, um die tatsächliche Nutzung geltend machen zu können und eine Schätzung zu vermeiden, ein Fahrtenbuch geführt werden.

Aktuell ist auf das BMF-Schreiben v. 05.06.2014 zum Vorsteuerabzug und Umsatzbesteuerung bei (teil-)unternehmerisch verwendeten Fahrzeugen zu verweisen (lesen Sie dazu unseren Beitrag im Rundschreiben Juli 2014).