EuGH-Vorlage zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden

Anmerkung zu: BFH, Beschl. v. 05.06.2014, XI R 31/09, EuGH-Vorlage zu Fragen der Bestimmung der abziehbaren Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen für ein gemischt genutztes Gebäude, der Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Falle eines von einem Mitgliedstaat nachträglich vorgeschriebenen vorrangigen Aufteilungsschlüssels sowie zu den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

Praxisproblem

Bei gemischt genutzten Gebäuden muss die Vorsteuer stets aufgeteilt werden. Seit 2004 hat der Flächenschlüssel in Deutschland einen Vorrang vor dem Umsatzschlüssel (§ 15 Abs. 4 Satz 3 UStG). Die MwStSystRL sieht jedoch als Aufteilungsschlüssel die Umsatzmethode vor. Zwar wurde durch den EuGH, Urt. v. 08.11.2012, C-511/10 entschieden, dass Deutschland die Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden zwar grds. nach dem Flächenverhältnis vorschreiben könne, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das Flächenverhältnis eine präzisere Bestimmung gewährleistet als die in der MwStSystRL vorgesehene Umsatzmethode. Ob eine solche präzisere Bestimmung durch einen Flächenschlüssel gewährleistet sei, hatte der BFH zu entscheiden, der dies mit seinem Urteil v. 22.08.2013, V R 19/09 für den Streitfall weitgehend bejahte.

Sachverhalt

Im Jahr 2001 begann die Klägerin mit dem Bau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgaragenstellplätzen. Ab Oktober 2002 erfolgte eine teilweise Vermietung des Objekts. Endgültig fertiggestellt wurde das Gebäude im Streitjahr 2004. Entsprechend der ursprünglich beabsichtigten Verwendungsabsicht nahm die Klägerin in den Jahren 1999 bis 2003 den Vorsteuerabzug aus vorsteuerbelasteten Baukosten insoweit in Anspruch, als diese auf umsatzsteuerpflichtig zu vermietende Räume entfielen. Der Vorsteuerabzug wurde mit dem sog. objektbezogenen Umsatzschlüssel ermittelt, d.h. im Verhältnis der voraussichtlichen steuerpflichtigen Ausgangsumsätze zu den voraussichtlichen steuerfreien Ausgangsumsätzen.

Im Jahr 2004 wurden entgegen der ursprünglich geplanten Verwendungsabsicht mehrere Teile des Gebäudes umsatzsteuerfrei vermietet. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2004 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge aus Herstellungskosten und aus laufenden Kosten geltend. Aufgrund der veränderten Nutzung des Gebäudes berichtigte die Klägerin ihren Vorsteuerabzug gem. § 15a UStG, welchen sie auf Grundlage des objektbezogenen Umsatzschlüssels ermittelte. Das Finanzamt legte dagegen bei der Aufteilung der im Jahr 2004 angefallenen Vorsteuerbeträge sowie der Berechnung des Vorsteuerberichtigungsbetrags nach § 15a UStG den Flächenschlüssel zugrunde. Dies begründete das Finanzamt damit, dass seit dem 01.01.2004 der nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG geltende Flächenschlüssel vorzuziehen sei.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der erhobenen Klage teilweise statt. Das FA hatte zu Unrecht den Korrekturbetrag des § 15a UStG anhand des Flächenschlüssels berechnet. Eine Gesetzesänderung ist kein Anwendungsfall des § 15a UStG. Ebenso werden die Vorsteuerbeträge aus Herstellungskosten weiter mit dem objektbezogenen Umsatzschlüssel berechnet. Lediglich die Vorsteuerbeträge aus laufenden Kosten wurden anhand des Flächenschlüssels aufgeteilt. Gegen das Urteil legte sowohl die Klägerin als auch das FA Revision ein.

Vorlagefragen

Mit der ersten Vorlagefrage möchte der BFH geklärt wissen, ob bei der Anschaffung oder Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes Eingangsleistungen, deren Bemessungsgrundlage zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gehört, zur präziseren Bestimmung der abziehbaren Vorsteuerbeträge zunächst den (steuerpflichtigen oder steuerfreien) Verwendungsumsätzen des Gebäudes zugeordnet und lediglich die danach verbliebenen Vorsteuern nach einem Flächen- oder Umsatzschlüssel aufgeteilt werden. Weiter stellt sich die Frage, ob dies entsprechend für Vorsteuern auf laufende Kosten gilt.

Die zweite Vorlagefrage dient zur Klärung, ob eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse bei einem Gebäude innerhalb von zehn Jahren (seit der erstmaligen Verwendung) und somit eine Vorsteuerberichtigung unionsrechtlich auch dann vorliegt, wenn ein Steuerpflichtiger (wie die Klägerin) die Vorsteuern aus der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes zulässigerweise nach dem Umsatzschlüssel aufgeteilt hat und Deutschland mit § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nachträglich einen anderen vorrangigen Aufteilungsschlüssel vorschreibt.

Sollte die zweite Vorlagefrage bejaht werden, soll durch die dritte Vorlagefrage geklärt werden, ob die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Vorsteuerberichtigung zu Lasten eines Steuerpflichtigen entgegenstehen.

Insbesondere könnte der deutsche Gesetzgeber gegen diese Grundsätze dadurch verstoßen haben, dass er bei Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG keine Übergangsregelung getroffen hat, die dem begründeten Vertrauen der Unternehmer, auf Eingangsleistungen vor der Gesetzesänderung den Umsatzschlüssel anwenden zu dürfen, Rechnung trägt.

Praxishinweis

Die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten. Es ist zu hoffen, dass durch das Urteil Rechtssicherheit geschaffen wird, denn der V. Senat des BFH hatte entschieden (BFH, Urt. v. 22.08.2013, V R 19/09), dass es sich bei der Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG um eine zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 1 UStG führende Änderung der rechtlichen Verhältnisse handelt. Hieran zweifelt der XI. Senat nun; ebenso daran, dass eine einheitliche Anwendung (Abschn. 15.17 Abs. 5 UStAE) des Flächenschlüssels vorteilhafter ist als eine individuelle Zuordnung.