BMF zu Änderungen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b UStG)

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 10.08.2016, III C 3 - S 7279/16/10001

Praxisproblem

Mit BMF-Schreiben v. 10.08.2016 wurde der UStAE mit Blick auf die Gesetzesänderungen durch das StÄndG 2015 (BGBl. I 2015, 1834) angepasst. Durch das Gesetz wurde zwar der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG nur „klarstellend“ überarbeitet. Zum ersten Mal wurde hier jedoch für die Definition der „Bauleistung“ nicht nur auf den Bauwerks-, sondern in erster Linie auf den Grundstücks-Begriff abgestellt, sodass sich grundlegende Änderungen bei der Definition der unter § 13b UStG fallenden Bauleistung ergaben, die für die Besteuerungspraxis bisher nicht hinreichend deutlich waren. Für den Rechtsanwender des § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 2 UStG war insbesondere fraglich

  • wann die als Grundstücke geltenden Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind,
  • wann diese „nicht bewegt“ werden können und
  • wann eine Zerstörung oder Veränderung des Gebäudes oder Bauwerks vorliegt.

Sachverhalt

Mit dem StÄndG 2015 (BGBl. I 2015, 1834) wurde mit Wirkung v. 06.11.2015 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz UStG) überarbeitet. Die Klarstellung des Gesetzeswortlauts war aufgrund der BFH-Entscheidung v. 28.08.2014, V R 7/14  erforderlich geworden. Außerdem wurden mit Wirkung v. 06.11.2015 die bestehen¬den Verwaltungsanweisungen zur Ausnahme von Leistungsbezügen des hoheitlichen Bereichs von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gesetzlich geregelt und auf weitere Bereiche ausgedehnt. Darüber hinaus wurde mit Wirkung v. 06.11.2015 die Nummer 3 der Anlage 4 (zu § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG) redaktionell geändert. Während die redaktionelle Änderung der Nummer 3 der Anlage 4 bereits im Vorfeld im BMF-Schreiben v. 13.03.2015, BStBl. I 2015, 234 berücksichtigt wurden, hatten die übrigen Änderungen im § 13b UStG durch das StÄndG 2015 bisher noch keinen Eingang in den UStAE gefunden.

Entscheidung

In Abschn. 3a.3 Abs. 2 Satz 3 UStAE wurde der 4. Spiegelstrich neu gefasst. Danach ist unter einem Grundstück i.S.d. § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG auch zu verstehen: Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern. Die Veränderung ist immer dann unerheblich, wenn die betreffenden Sachen einfach an der Wand hängen und wenn sie mit Nägeln oder Schrauben so am Boden oder an der Wand befestigt sind, dass nach ihrer Entfernung lediglich Spuren oder Markierungen zurück bleiben (z.B. Dübellöcher), die leicht überdeckt oder ausgebessert werden können.

Hierbei handelt es sich um eine inhaltliche Berücksichtigung von Rz. 108 und Aufnahme von Rz. 109 der „Erläuterungen zu den 2017 in Kraft tretenden EU-Mehrwertsteuerbestimmungen zum Ort der Dienstleistung im Zusammenhang mit Grundstücken“ der Generaldirektion Steuern und Zollunion der EU-Kommission. Mittelbar wird dadurch auch der Begriff „nicht bewegt“ erläutert. Eine Erläuterung des Begriffs „auf Dauer“ war offensichtlich nicht zwingend erforderlich, da eine nicht unerhebliche Veränderung des Gebäudes (im Umkehrschluss zur eingefügten Erläuterung) stets auf Dauer angelegt sein dürfte. So dürften z.B. Marmortreppen in einem Haus, Einbauschränke oder Einbauküchen zu den Ausstattungsgegenständen im Sinne des Grundstücksbegriffs gehören. Demnach sind insbesondere Einbauküchen und -schränke Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG und z.B. sog. Küchenstudios als Leistungsempfänger Steuerschuldner.

Abschnitt 4.12.10 Satz 2 UStAE bestimmt jetzt, dass der Begriff der „Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen)“, in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG in gleicher Weise auszulegen ist wie für das Bewertungsrecht. Das in Abschn. 4.12.10 Satz 2 UStAE zur Begründung angeführte BFH-Urteil v. 16.10.1980, V R 51/76 bezieht sich auf § 4 Nr. 12 UStG. Die umsatzsteuerlich mit § 13b UStG zu erfassenden Bauleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken können dagegen insbesondere auch Bauleistungen an Sachen, Ausstattungsgegenständen und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern, betreffen. Dabei ist der Begriff des Bauwerks – abweichend von bewertungsrechtlichen Abgrenzungen – weit auszulegen und umfasst nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen hergestellte Anlagen (z.B. Brücken, Straßen, Tunnel, Versorgungsleitungen, Schiffshebewerke, Windkraftanlagen).

Nach dem neugefassten Abschn. 13b.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE erstreckt sich die Steuerschuldnerschaft mit Ausnahme der in § 13b Abs. 5 Satz 10 UStG genannten Leistungen, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, sowohl auf die Umsätze für den unternehmerischen als auch auf die Umsätze für den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers. Damit wurde der Neuregelung in § 13b Abs. 5 Satz 6 und Satz 10 UStG Rechnung getragen. Danach schulden Einrichtungen des öffentlichen Rechts in den Fällen von § 13b Abs. 2 Nr. 4, 5 Buchst. b und Nr. 7 bis 11 die Umsatzsteuer als Leistungsempfänger nicht, wenn die Leistungen für den nichtunternehmerischen (d.h. hoheitlichen) Bereich bezogen werden.

Nach der neugefassten Nr. 6 in Abschn. 13b.1 Abs. 2 UStAE schuldet der Leistungsempfänger u.a. die Steuer für folgende Umsätze: Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahmen von Planungs- und Überwachungsleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG). Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 UStG). Die Veränderung muss dabei erheblich sein. Abschnitt 3a.3 Abs. 2 Satz 3 vierter Spiegelstrich Satz 2 UStAE, d.h. dort geregelte Abgrenzung des Grundstücksbegriffs, gilt entsprechend. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG bleibt unberührt, d.h. bei grundstücksbezogenen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers gilt § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG als lex specialis.

Nach dem ergänzten Abs. 1 in Abschn. 13b.2 UStAE ist der Begriff des Bauwerks (vgl. Abschn. 13b.1 Abs. 2 Nr. 6 UStAE) weit auszulegen und umfasst nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlagen (z.B. Brücken, Straßen oder Tunnel, Versorgungsleitungen, Schiffshebewerke, Windkraftanlagen). In jedem Fall gelten die in Abschn. 3a.3 Abs. 2 Satz 3 Spiegelstriche 2 bis 4 UStAE genannten Grundstücke als Bauwerke i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG. Dies umfasst jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Bauwerk, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann, jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie zum Beispiel Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge sowie Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern.

Abschnitt 13b.2 Abs. 2 UStAE, der bisher den Begriff der Bauleistung mit Blick auf die Baubetriebe-Verordnung definierte, wurde gestrichen.

In Abschn. 13b.2 Abs. 5 UStAE wurde der 2. Spiegelstrich, der Beispiele für Bauleistungen enthält, neu gefasst. Statt dem bisherigen Hinweis auf den Einbau von Einrichtungsgegenständen, wie z.B. Ladenbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinrichtungen wird nunmehr wie bei allen einschlägigen Änderungen des UStAE durch das BMF-Schreiben v. 10.08.2016 für die Definition der „Bauleistung“ nicht nur auf den Bauwerks-, sondern auf den Grundstücks-Begriff abgestellt. Beispiele für Bauleistungen sind danach die Werklieferungen oder der Einbau von Ausstattungsgegenständen oder Maschinenanlagen, sofern diese sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken. Die Auswirkung auf die Substanz eines Bauwerks wird nach den gleichen Kriterien abgegrenzt wie für den Begriff des Bauwerks selbst.

In Abschn. 13b.2 Abs. 5 UStAE wurden zudem in der neuen Nr. 11 als Beispiele für Bauleistungen auch Werklieferungen von sog. Freiland-Photovoltaikanlagen aufgenommen.

Die weiteren Änderungen des UStAE durch das BMF-Schreiben v. 10.08.2016 folgen der gesetzlichen Neuregelung durch das StÄndG 2015, wonach der Grundsatz, dass in Reverse-Charge-Fällen  die Steuer anstelle des leistenden Unternehmers grds. auch dann von einem Unternehmer als Leistungsempfänger geschuldet wird, durch den geänderten Satz 6 in § 13b Abs. 5 UStG und den neu in § 13b Abs. 5 UStG aufgenommenen Satz 10 für juristische Personen des öffentlichen Rechts durchbrochen wird. Mit Wirkung vom 06.11.2015 schulden diese Einrichtungen in den Fällen von § 13b Abs. 2 Nr. 4, 5 Buchst. b und Nr. 7 bis 11 die Umsatzsteuer als Leistungsempfänger nicht, wenn die Leistungen für den nichtunternehmerischen (d.h. hoheitlichen) Bereich bezogen werden.

Bisher regelte Abschn. 13b.3 Abs. 12 Satz 2 UStAE bereits, dass Bauleistungen, die ausschließlich an den hoheitlichen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind und nachhaltig Bauleistungen erbringen, nicht unter das Reverse-Charge-Verfahren fallen. Gleiches galt nach Abschn. 13b.3a Abs. 4 Satz 2 UStAE für Lieferungen von Erdgas und Elektrizität (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst b UStG), die ausschließlich an den hoheitlichen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art als Wiederverkäufer von Erdgas bzw. Elektrizität i.S.v.§ 3g Abs. 1 UStG unternehmerisch tätig sind. Der Begriff „hoheitlicher Bereich” ist in diesen Abschnitten jeweils durch „nichtunternehmerischer Bereich” ersetzt worden. Somit fallen z.B. auch Leistungen für den Bedarf des Personals von Betrieben gewerblicher Art juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht unter das Reverse-Charge-Verfahren und nicht nur Leistungen rein an den Hoheitsbereich.

Die Ausnahmen vom Reverse-Charge-Verfahren für Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die durch das StÄndG 2015 gesetzlich nachvollzogen und auf Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen gem. Anlage 3 zum UStG (§ 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG), Gebäudereinigungsleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG), Lieferungen von Gold (§ 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG), Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen (§ 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG) sowie auf Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen und Cermets gem. Anlage 4 zum UStG (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG) erweitert wurden, wurden durch das BMF-Schreiben v. 10.08.2016 insbesondere in den Abschnitten 13b.4 Abs. 4,  13b.5 Abs. 6 , 13b.6 Abs. 2, 13b.7 Abs. 4, 13b.7a Abs. 3 und 13b.17 UstAE nachvollzogen..

Diese Einschränkungen sind für die jeweils leistenden Unternehmer wichtig und insbesondere bei der Rechnungsstellung zu beachten. 

Praxishinweis

Die Regelungen des BMF-Schreibens v. 10.8.2016 sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 05.11.2015 ausgeführt werden. Das Schreiben enthält darüber hinaus einige Anwendungsregelungen zur Abgrenzung von Umsätzen vor dem 06.11.2015 und nach dem 05.11.2015, die folgende Abrechnungen  betreffen:

  • Schlussrechnung über nach dem 05.11.2015 erbrachte Leistungen an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts bei Abschlagszahlungen vor dem 06.11.2015
  • Berichtigung einer vor dem 06.11.2015 erstellten Rechnung über Anzahlungen für Leistungen an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn die Zahlung erst nach dem 05.11.2015 erfolgt

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