FG Hamburg zur Nacherhebung von Antidumpingzoll

Anmerkung zu: FG Hamburg, Urt. v. 11.09.2015, 4 K 84/14 (rechtskräftig); bei Nacherhebung von Antidumpingzoll trägt die Zollverwaltung die Beweislast für den Warenursprung in dem mit Antidumpingzoll belegten Land.

Praxisproblem

Die Verordnung (EG) Nr. 398/2004 legt die Erhebung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhr von Silizium chinesischen Ursprungs fest. Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere bei der Ein- und Ausfuhr von Rohmaterial aus der Volksrepublik China in andere asiatische Länder – vorliegend Taiwan – sowohl hinsichtlich der Prüfung von ursprungsverändernden Be- und Verarbeitungen als auch bei der Zuordnung von Import- und Exportwaren.

Im Verfahren vor dem FG Hamburg war zum einen streitig, ob die vorgenommene Be- und Verarbeitung des Siliziums in Taiwan ausreichen, um einen taiwanesischen Warenursprung i.S.d. Art. 24 Zollkodex zu begründen. Zum anderen war bereits fraglich, ob das Rohmaterial aus der Volksrepublik China stammte, was letztlich entscheidend für die Erhebung des Antidumpingzolls ist.

Sachverhalt

Mit Zollanmeldungen vom Januar 2011 wurde Silizium taiwanesischen Ursprungs in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt. Der Anmeldung waren bestätigende Ursprungszeugnisse der taiwanesischen Handelskammer beigefügt.

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 27.09.2011 erhob die Zollverwaltung Antidumpingzoll i.H.v. 18.645,30 € nach mit der Begründung, die Ware habe ihren Ursprung in China. Grundlage der Nacherhebung war ein Hinweis des Zollfahndungsamtes, das sich auf einen Bericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) von 2011 stützte. Dessen Ermittlungen legten nahe, das eingeführte Silizium stamme aus China.

Der Einspruch vom 21.10.2011 gegen den Einfuhrabgabenbescheid unter Hinweis auf die Ursprungszeugnisse und die ursprungsbegründende Verarbeitung in Taiwan wurde am 12.06.2014 von der Zollbehörde zurückgewiesen. In der Begründung bezog sie sich auf einen weiteren Bericht des OLAF von 2013, in dem der chinesische Ursprung des in Frage stehenden Rohmaterials bestätigt und zudem eine Ursprungsveränderung durch Bearbeitung abgelehnt wurde. Weiterhin führte die Zollbehörde aus, die Import- und Exportdeklarationen könnten der betroffenen Ware zugeordnet werden.

Nach Zurückweisung des Einspruchs wurde die zwei Monate zuvor erhobene Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) als Anfechtungsklage (§ 40 FGO) gegen den Einfuhrabgabenbescheid fortgeführt.

Entscheidung

Das FG Hamburg hat der Klage mit Urteil vom 11.09.2015 stattgegeben. Nach Ansicht des Senats konnte die beweisbelastete Zollverwaltung den Ursprung des Rohmaterials nicht hinreichend belegen. Auf die Frage, ob die erfolgte Bearbeitung in Taiwan ursprungsbegründend i.S.d. Art. 24 Zollkodex ist, kommt es folglich nicht an, da die Nacherhebung des Antidumpingzolls auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 398/2004 einen chinesischen Warenursprung voraussetzt. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Nacherhebung ist auch ein Nacherhebungsverbot gem. Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex nicht zu prüfen.

Die nachträgliche Erhebung des Antidumpingzolls kann allein auf die Verordnung (EG) Nr. 398/2004 gestützt werden; die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 1 Zollkodex liegen nicht vor. Die Bezugnahme der Zollverwaltung auf den Bericht des OLAF, um den chinesischen Ursprung des Rohmaterials zu beweisen, ist aus mehreren Gründen unzureichend: Die angeführten Deklarationsnummern konnten der streitgegenständlichen Ware nicht eindeutig zugeordnet werden. Das FG Hamburg stellt klar, dass selbst eine mengenmäßige Übereinstimmung von Ein- und Ausfuhren – die vorliegend nicht feststellbar war – kein zwingender Ursprungsnachweis sei. Die Beweislast der Zollbehörde könne auch nicht durch Verweis auf eine rein elektronische Zollabwicklung in fremder Sprache eingeschränkt werden; ebenso wenig reiche die Bezugnahme auf nicht nachprüfbare Auskünfte der taiwanesischen Zollbehörden.

Dass das importierte Rohmaterial der Klägerin überwiegend, aber nicht ausschließlich aus der Volksrepublik China stammte, schließt andere Ursprungsländer nicht mit Sicherheit aus. Die verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der Zollverwaltung, sodass die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 398/2004 nicht vorliegen.

Praxishinweis

Das FG Hamburg hält in seinem Urteil an der uneingeschränkten Beweislast der Zollverwaltung für die Voraussetzungen der Nacherhebung von Antidumpingzöllen fest. Damit wird der Schutz von Unternehmen vor unvorhersehbarer Inanspruchnahme aufrechterhalten und der Beweiswert von Ursprungszeugnissen nicht ohne Weiteres unterlaufen. Ein Risiko verbleibt für die Frage, welchen Umfang Be- und Verarbeitungen aufweisen müssen, um eine Ursprungsbegründung i.S.d. Art. 24 Zollkodex zu bewirken.

Unternehmen sollten sich regelmäßig über Antidumpingzölle informieren und mögliche Änderungen verfolgen. Insbesondere ist zu beachten, dass Antidumpingzölle bis zum Beginn der zollamtlichen Erfassung u.U. auch rückwirkend erhoben werden können. Über den Warenursprung hinaus ist teilweise auch der Versand der Ware aus einem mit Antidumpingzöllen belegten Land maßgeblich. Bei Unsicherheiten sollten Hersteller und Importeure frühzeitig die EU-Kommission kontaktieren.