BMF zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe a, § 6 UStG); Anerkennung von Ausgangsvermerken aus dem europäischen Ausland

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 19.06.2015 zur Anerkennung von Ausgangsvermerken aus dem europäischen Ausland für die Umsatzsteuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen

Praxisproblem

Ein deutscher Unternehmer liefert eine Ware an einen in Russland ansässigen Abnehmer. Der Transport der Ware wird im Auftrag des liefernden Unternehmers durch ein in Polen ansässiges Beförderungsunternehmern durchgeführt. Die Ausfuhranmeldung erfolgt im EDV-gestützten Ausfuhrverfahren durch das in Polen ansässige Beförderungsunternehmen bei einer polnischen Ausfuhrzollstelle. Der von dort erteilte Ausgangsvermerk wird von dem  in Polen ansässigen Beförderungsunternehmer an den in Deutschland ansässigen liefernden Unternehmer weitergeleitet. Bisher war fraglich, ob dieser Ausgangsvermerk als Nachweis der Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStDV dienen kann.

Aus zollrechtlicher Sicht ist dazu Folgendes zu bemerken: Die Ausfuhranmeldung ist grundsätzlich bei der Zollstelle abzugeben, in dessen Bezirk der Ausführer ansässig ist oder der Ausfuhrvorgang beginnt, d.h. wo die Waren zur Ausfuhr verpackt oder verladen werden, Art. 161 Abs. 5 ZK. Dies gilt unabhängig davon, welche Lieferbedingung (Incoterms®) vereinbart oder wer mit dem Transport der Ware beauftragt wurde. Dies gilt außerdem in allen Mitgliedstaaten einheitlich, da hier das in der Zollkodex-Verordnung bzw. Zollkodex-Durchführungsverordnung verankerte EU-Zollrecht maßgeblich ist. Im Ausgangsfall hätte zollrechtlich die Ausfuhranmeldung im Bezirk des zuständigen deutschen Hauptzollamts abgegeben werden müssen. Tatsächlich wurde die Ausfuhranmeldung jedoch bei einer polnischen Zollstelle abgegeben, die diese Anmeldung offensichtlich akzeptiert hat. Damit wurde der Ausfuhrvorgang in Polen begonnen. Folglich kann ein Ausgangsvermerk auch nur durch das polnische IT-System erzeugt werden.

Nach dem EU-Zollrecht sind Fallkonstellationen zulässig, in denen die Ausfuhranmeldung nicht in dem Mitgliedstaat des Ausführers abgegeben wird (z.B. für Ausfuhrsendungen bis 3.000 €, EU-weit operierende Unternehmen mit Verpackungs-/Verladeorten in anderen Mitgliedstaaten). Auch diese Fallkonstellationen müssen umsatzsteuerrechtlich bei der Führung des Ausfuhrnachweises berücksichtigt werden.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 UStDV hat der Unternehmer den Ausfuhrnachweis bei Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren nach Art. 787 ZK-DVO mit der durch die zuständige Ausfuhrzollstelle auf elektronischem Weg übermittelte Bestätigung zu führen, dass der Gegenstand ausgeführt wurde (sog. Ausgangsvermerk). Nach Art. 161 Abs. 5 ZK ist die zuständige Zollstelle diejenige, die für den Ort zuständig ist, an dem der Ausführer ansässig ist oder die Waren zur Ausfuhr verpackt oder verladen werden. Bisher kann der Unternehmer den Ausfuhrnachweis nach Abschnitt 6.5 Abs. 1 Satz 6 UStAE nur in besonders begründeten Einzelfällen auch abweichend von diesen Vorschriften führen. Zu den besonders begründeten Einzelfällen gehören bisher nur z.B. Funktionsstörungen der elektronischen Systeme der Zollverwaltung. Eine fehlerhafte Anmeldung der Ausfuhr gehört bisher nicht hierzu. Auch nach Abschnitt 6.2 Abs. 3 S. 2 UStAE erledigt bisher „die (deutsche) Ausfuhrzollstelle (AfZSt) den Ausfuhrvorgang auf Basis der von der Ausgangszollstelle (AgZSt) übermittelten „Ausgangsbestätigung“ dadurch, dass sie dem Ausführer/Anmelder elektronisch den „Ausgangsvermerk“ als PDF-Dokument übermittelt.“ Von diesem Verfahren sind bisher – aus zollrechtlicher Sicht – Abweichungen nur im Ausfall- und Sicherheitskonzept oder bei der Ausfuhr mit mündlicher oder konkludenter Anmeldung zulässig (Abschnitt 6.2 Abs. 4 UStAE).

Entscheidung

Um eine praxisgerechte Anerkennung ausländischer Ausgangszollvermerke zu ermöglichen, wurde die Festlegung der Voraussetzungen einer solchen Anerkennung erforderlich. Mit dem BMF-Schreiben vom 19.06.2015, IV D 3 - S 7134/14/10001 (2015/0491986) ist nunmehr geregelt worden, unter welchen Voraussetzungen Ausgangsvermerke aus dem europäischen Ausland für Umsatzsteuerzwecke anerkannt werden können. Danach gilt Folgendes:

Hat die ausländische Zolldienststelle der von ihr übermittelten elektronischen Nachricht (z.B. EDIFACT-Nachricht) das PDF-Dokument „Ausgangsvermerk“ beigefügt, ist der Ausfuhrnachweis mit diesem Ausgangsvermerk, der den Regelungen in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStDV und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStDV entspricht, zu führen.

Wurde dem Ausführer von der ausländischen Zolldienststelle lediglich eine elektronische Nachricht (z.B. im EDIFACT-Format) übersandt, ist der Ausfuhrnachweis wie folgt zu führen und unter folgenden Voraussetzungen anzuerkennen:

  1. Der Unternehmer weist den körperlichen Ausgang der Waren mit der von der ausländischen Zolldienststelle erhaltenen elektronischen Nachricht nach,
  2. er verfügt über Aufzeichnungen/Dokumentationen, dass er die Nachricht von der ausländischen Zolldienststelle erhalten hat,
  3. er zeichnet die Verbindung der Nachricht mit der entsprechenden Ausfuhranmeldung bei der ausländischen Zolldienststelle auf und
  4. es bestehen keine Zweifel bezüglich des ordnungsgemäßen Ausgangs der Waren aus dem Zollgebiet der EU.

Praxishinweis

Die Anerkennung ausländischer Ausgangsvermerke gilt nur in den Fällen, in denen die Ausfuhranmeldung zulässigerweise ohne einzige Bewilligung in einem Mitgliedstaat des übrigen Gemeinschaftsgebiets abgegeben wurde. Nach dem EU-Zollrecht sind folgende Fallkonstellationen zulässig, in denen die Ausfuhranmeldung nicht in dem Mitgliedstaat des Ausführers abzugeben ist:

  1. Der Ort des Verpackens oder Verladens der Waren zur Ausfuhr befindet sich in einem anderen Mitgliedstaat. Diese Fallgestaltung kann bei EU-weit operierenden Wirtschaftsbeteiligten mit Betriebsstätten in anderen Mitgliedstaaten auftreten, vgl. Art. 161 Abs. 5 ZK. Diese Abwicklung ist mit und ohne „einzige Bewilligung“ möglich.
  2. Nach Art. 794 Abs. 1 ZK-DVO kann die Ausfuhranmeldung bei der Ausgangszollstelle abgegeben werden, wenn der Wert der Ausfuhrsendung 3.000 € nicht überschreitet und die Waren keinen Verboten oder Beschränkungen unterliegen. Dies gilt auch, wenn sich die Ausgangszollstelle in einem anderen Mitgliedstaat befindet (z.B. bei der Ausfuhr von Waren aus Deutschland über Rotterdam/NL).
  3. In begründeten Fällen kann die Ausfuhranmeldung gem. Art. 791 ZK-DVO bei einer anderen Zollstelle abgegeben werden als der, in deren Bezirk der Ausführer seinen Sitz hat oder die Waren zur Ausfuhr verpackt oder verladen werden (z.B. wenn Waren an einen Bestimmungsort in der Union gesandt werden, nach der Abfahrt am Beladeort jedoch infolge einer Vertragsänderung ausgeführt werden müssen).

In diesen Fällen bescheinigt ausschließlich die Zollbehörde des Mitgliedstaates den Ausgang der Waren aus dem Zollgebiet der EU, bei der die Ausfuhranmeldung abgegeben wurde. Die hierbei erzeugten Ausgangsvermerke aus dem europäischen Ausland sind als Ausfuhrnachweise für Umsatzsteuerzwecke in Deutschland anzuerkennen, wenn sich aus der Gesamtheit der Belege die tatsächlich erfolgte Ausfuhr hinreichend nachvollziehen lässt.

Die Anerkennung ausländischer Ausgangsvermerke gilt nur in den Fällen, in denen die Ausfuhranmeldung zulässigerweise in einem Mitgliedstaat des übrigen Gemeinschaftsgebiets abgegeben wurde. Sollte eine andere Zollstelle z.B. die Ausfuhranmeldung unter Berufung auf Art. 791 Abs. 1 ZKDVO angenommen haben, obwohl kein begründeter Fall im Sinne dieser Vorschrift vorlag, wäre die Bestätigung nicht von der zuständigen Ausfuhrzollstelle übermittelt worden, so dass es für die Steuerbefreiung dann auf die objektive Beweislage ankäme (vgl. Abschn. 6.10 Abs. 3a UStAE).

Nach Abschnitt 6.9 Abs. 15 UStAE ist die „einzige Bewilligung“ für Unternehmen von Bedeutung, die in anderen Mitgliedstaaten als dem Sitzstaat Betriebsstätten unterhalten. Ein Unternehmen, das von mehreren Orten in der EU seine Ausfuhren tätigt, kann die Ausfuhr zentral in dem Mitgliedstaat anmelden, in dem sich seine Hauptbuchführung befindet. Für den Nachrichtenaustausch im elektronischen Ausfuhrverfahren bedeutet dies, dass der elektronische Ausfuhrvorgang in dem Mitgliedstaat begonnen und erledigt wird, in dem die elektronische Ausfuhranmeldung abgegeben wurde und zwar unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sich die Waren im Anmeldezeitraum befanden. Im Ergebnis kann ein deutscher Unternehmer auch in diesen Fällen die Ausfuhr mittels eines Ausgangsvermerks aus einem anderen Mitgliedstaat nachweisen. Die „einzige Bewilligung“ wird erteilt, wenn die Abwicklung des Verfahrens mehrere Mitgliedstaaten betrifft (z.B. weil Verpackungs- oder Verladeorte in anderen Mitgliedstaaten bestehen) und die Voraussetzungen und Kriterien für das Anschreibeverfahren vorliegen – Art. 283 i.V.m. Art. 253c ZK-DVO. Dies sind die Einhaltung der Zollvorschriften, ein zufrieden stellendes System der Führung der Geschäftsbücher und die Zahlungsfähigkeit des Antragstellers. Die Beantragung und Erteilung einer „einzigen Bewilligung“ erfolgt verhältnismäßig selten.

Das BMF-Schreiben enthält nunmehr eine allgemeine Festlegung der Voraussetzungen, unter denen ausländische Ausgangsvermerke anerkannt werden können.

Quelle: BMF-Schreiben v. 19.06.2015, IV D 3 - S 7134/14/10001