Anmerkungen zu BMF-Schreiben

BMF-Scheiben v. 07.02.2014, Lieferung bei Betrugsabsicht des Lieferers

Hintergrund

In seinem Schreiben v. 07.02.2014 über die Voraussetzungen einer Lieferung bei Betrugsabsicht des Lieferers nimmt das BMF Bezug auf das BFH-Urteil v. 08.09.2011.

In diesem Verfahren ging es um eine in der Leasingbranche tätige GmbH (Klägerin), welche von einer K.-KG mit eigenen Identitäts-Nummern versehene Maschinensysteme gekauft und daraufhin an die F.-KG verleast hatte. Ein Mitarbeiter der GmbH besichtigte die Maschinen, notierte die Identitäts-Nummern und bestätigte die körperliche Übernahme durch die GmbH und die Übergabe an die F-KG. Die Finanzierung dieser Käufe erfolgte gegen Sicherungsübereignung der Systeme an eine Bank. Ebenso wurden die Forderungen aus den Leasingverträgen an die Banken abgetreten. Insgesamt hatte die F.-KG 3.000 Leasingverträge abgeschlossen, u.a. mit der Klägerin, jedoch waren lediglich 300 tatsächlich vorhanden. Sowohl die K.-KG als auch die F.-KG waren an einem Betrugssystem beteiligt, bei welchem einzelne Systeme mehrfach an Leasinggesellschaften verkauft und von diesen verleast wurden. Die F.-KG verwendete die Kaufpreise, welche die K.-KG auch von der Klägerin einnahm, für die Leasingzahlungen. Der Vorsteuerabzug wurde der Klägerin von dem Finanzamt versagt, da diese die Verfügungsmacht über die Systeme nicht gutgläubig habe erwerben können. Der BFH teilte diese Auffassung nicht.

In seinem Urteil v. 08.09.2011 entschied der BFH, dass dem Vorsteuerabzug aus einer Lieferung i.S.v. § 15 Abs. 1, § 3 Abs. 1 UStG nicht entgegensteht, dass der Lieferer zivilrechtlich nicht Eigentümer des Liefergegenstandes ist und darüber hinaus beabsichtigt, den gelieferten Gegenstand vertragswidrig nochmals an einen anderen Erwerber zu liefern.

Eine Lieferung, welche zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, liegt dann vor, wenn der Unternehmer die Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG) erhalten hat, also im eigenen Namen über den Gegenstand verfügen kann. Die Regelung ist die Umsetzung des Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht, demnach es für das Vorliegen einer Lieferung auf „die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“ ankommt. Hierbei kommt es nicht auf das zivilrechtliche Eigentum an. Im Streitfall liegt somit eine Lieferung vor, da die Maschinen der GmbH durch Einräumung des mittelbaren Besitzes in Vollzug einer auf Eigentumsübertragung gerichteten Vereinbarung übergeben worden sind. Der Klägerin wurden Substanz, Wert und Ertrag zugewandt. Einer Lieferung steht nicht entgegen, dass Gegenstände auch ohne zivilrechtliche Eigentumsverschaffung, wie z.B. durch einen Dieb, geliefert werden. Demgemäß steht im Streitfall auch die mehrfache Unterschlagung der Maschinen einer jeweils neuen Lieferung an die jeweilige Leasinggesellschaft nicht entgegen. Zusätzlich unerheblich ist die Absicht einer späteren Unterschlagung. Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Lieferung.

Verwaltungsauffassung

Das BMF erläuterte in seinem Schreiben v. 07.02.2014, dass es sich bei dem o.g. Urteil um einen besonders gelagerten Einzelfall handle. Ebenso wie der BFH geht das BMF von einer Lieferung aus, wenn die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft wird (§ 3 Abs. 1 UStG). Dies impliziert gem. Abschn. 3.1 Abs. 2 Satz 1 UStAE einen Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstands vom Leistenden auf den Leistungsempfänger. Die faktische Verfügung des Abnehmers über den Gegenstand ist hinreichend. Eine zivilrechtliche Eigentumsübertragung ist nicht notwendig.

Für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist u.a. die Voraussetzung zu erfüllen, dass eine entsprechende Leistung durch einen anderen Unternehmer für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt wurde.

Der Unternehmer, welcher den Vorsteuerabzug begehrt, trägt die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen. Prinzipiell gilt dies auch für das Wissen oder Wissen können vom Tatplan eines Vorlieferers. Der Vorsteuerabzug wird versagt, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz in einen vom Lieferer oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer begangenen Betrug eingebunden war. Dem Unternehmer obliegt es im Rahmen seiner Feststellungslast, die objektiven Umstände, welche vom Finanzamt rechtlich hinreichend nachgewiesen bzw. substantiiert vorgetragen wurden, zu widerlegen. Sodann muss der Unternehmer nachweisen, dass er alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind. Hierzu gehören insbesondere:

  • die dokumentierte Vergewisserung über die Unternehmereigenschaft des Leistenden und
  • die Identifizierung der Waren (Aufzeichnung und Prüfung von Geräteidentifikationsnummern).

Führt der Unternehmer diese Maßnahmen nicht aus, so kann dies ein Indiz dafür sein, dass der Unternehmer wusste oder wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt war, der in einen Umsatzsteuerbetrug oder einen sonstigen Betrug einbezogen war (vgl. BMF-Schreiben v. 01.04.2009, BStBl. I, 525).

Bei einer Lieferung bei Betrugsabsicht des Lieferers kann ein Vorsteuerabzug des Leis-tungsempfängers folglich nur nach Prüfung des konkreten Einzelfalles in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Dies wird auch in Abschn. 3.1 Abs. 2 des UStAE aufgenommen.

Praxishinweis


Durch die Feststellungslast des den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmer sind alle Unternehmer angehalten, sich über ihre Lieferer und Kunden zu informieren und alle Maßnahmen ergreifen, um nicht an einem Umsatz beteiligt zu werden, der in einen Umsatzsteuerbetrug oder einen sonstigen Betrug einbezogen war. Hier sind Compliance- und Organisationsstrukturen sowie interne Sensibilisierungsmaßnahmen dienlich.