BMF zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Leistungen privater Arbeitsvermittler aufgrund des BFH-Urteils vom 29.07.2015, XI R 35/13

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 19.09.2016, III C 3 - S 7171 - b/15/10003

Praxisproblem

Mit Urteil vom 29.07.2015, XI R 35/13 hatte der BFH entschieden, dass eine private Arbeits-vermittlerin, die in den Jahren 2004 bis 2006 Vermittlungsleistungen an Arbeitsuchende mit einem Vermittlungsgutschein nach § 421g SGB III erbracht und ihr Honorar deshalb unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit erhalten hatte, eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie (jetzt: Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) ist. Sie kann sich – mangels entsprechender Steuerbefreiung im UStG in den Streitjahren – für die von ihr erbrachten Arbeitsvermittlungsleistungen an Arbeitsuchende unmittelbar auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung berufen. Insgesamt können sich nach dem BFH-Urteil sich private Arbeitsvermittler, die aufgrund von bis zum 31.03.2012 ausgestellten Vermittlungsgutscheinen nach § 421g SGB III tätig geworden sind, für die Umsatzsteuerbefreiung dieser Leistungen auf die Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils XI R 35/13 berufen.

Sachverhalt

Mit dem BMF-Schreiben v. 19.09.2016 wurde das BFH-Urteil veröffentlicht (d.h. es wird von der Verwaltung allgemein angewendet) und – mit Blick auf die Regelung des § 4 Nr. 15b UStG – die Anwendung der Urteilsgrundsätze für den Zeitraum bis zum 31.12.2014 klargestellt.

Entscheidung

Das BMF-Schreiben regelt, dass eine Einrichtung, die Vermittlungsleistungen an Arbeitsuchende aufgrund eines bis zum 31.03.2012 ausgestellten Vermittlungsgutscheins nach § 421g SGB III erbracht und ihr Honorar deshalb unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit erhalten hat, sich für die Steuerfreiheit dieser Leistungen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen kann. Aufgrund der Vergleichbarkeit der Leistungen gilt das Berufungsrecht auch für Einrichtungen, die vor dem 01.01.2015 Vermittlungsleistungen an Arbeitssuchende aufgrund eines ab dem 01.04.2012 ausgestellten Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins nach § 45 SGB III erbracht haben und deren Honorar deshalb unmittelbar von der Agentur für Arbeit vergütet wurde.

Praxishinweis

§ 421g SGB III wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I, 2854) mit Wirkung zum 01.04.2012 aufgehoben und ist im Kerngehalt in die Vorschrift des § 45 SGB III über die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung eingegangen. Durch Art. 9 Nr. 3 Buchst. a sowie Art. 28 Abs. 5 des Gesetzes vom 25.07.2014 (BGBl. I, 1266) wurde in § 4 Nr. 15b UStG eine Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen im Bereich der Arbeitsförderung eingeführt. Danach sind Vermittlungsleistungen an Arbeitsuchende unter den weiteren Voraussetzungen dieser Regelung seit Inkrafttreten zum 01.01.2015 umsatzsteuerfrei.

Im Ergebnis regelt das BMF-Schreiben v. 19.09.2016, das in allen offenen Fällen anzuwenden ist, dass sich private Arbeitsvermittler, die vor dem 01.01.2015 Vermittlungsleistungen an Arbeitsuchende mit einem bis zum 31.03.2012 ausgestellten Vermittlungsgutschein nach § 421g SGB III bzw. mit einem ab dem 01.04.2012 ausgestellten Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein nach § 45 SGB III erbracht und ihr Honorar deshalb unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit erhalten haben, sich für die Anwendung der Steuerfreiheit der aufgrund dieser Gutscheine erbrachten Leistungen unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil XI R 35/15 unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen können. Für Umsätze, die bis zum 31.12.2014 erbracht wurden, wird es von der Verwaltung nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den o.g. Ausführungen umsatzsteuerpflichtig behandelt bzw. behandelt hat, d.h. in solchen Fällen werden Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis nicht als Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis i.S.v. § 14c UStG angesehen.

Das BMF-Schreiben beschränkt eine mögliche Berufung auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL auf Vermittlungsleistungen an Arbeitsuchende, die vor dem 01.01.2015 erbracht worden sind. Diese zeitliche Beschränkung ist vor dem Hintergrund der zum 01.01.2015 in Kraft getretenen Steuerbefreiung für Arbeitsmarktdienstleistungen nach § 4 Nr. 15b UStG erklärbar.

Dass ein privater Arbeitsvermittler seit dem 01.04.2012 einer Zulassung nach §§ 176, 178 SGB III bedarf (gem. § 443 Abs. 3 SGB III galt eine Übergangsfrist für die Zulassung bis zum 31.12.2012), um gegenüber der Agentur für Arbeit Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine abrechnen zu können, steht der Anwendung der Urteilsgrundsätze des BFH nicht entgegen. Die Zulassung stellt keine zusätzliche umsatzsteuerrechtliche Voraussetzung für die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung auf Arbeitsvermittlungsleistungen dar, sondern ist vielmehr eine sozialrechtliche Voraussetzung.

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