FG Berlin-Brandenburg zur Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen: Auswirkung des Wegfalls der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer während der Abwicklung des Geschäfts

Anmerkung zu: FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 04.11.2015, 7 K 7283/13

Praxisproblem

Nimmt der Unternehmer die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen gem. §§ 4 Nr. 1 Buchst. b), 6a UStG in Anspruch, so ist er verpflichtet, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nachzuweisen. Zu diesen Voraussetzungen gehört die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes aus dem Inland in das übrige Unionsgebiet sowie die Unternehmereigenschaft des Abnehmers. Die inhaltlichen und formellen Anforderungen an den Belegnachweis ergeben sich aus der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV).  §§ 17a ff UStDV regelt detailliert, wie der Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen zu führen ist. Erforderlich ist, dass sich aus den Aufzeichnungen und Belegen die Vorrausetzungen der Steuerbefreiung eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben, § 17a Abs. 1 S. 2 UStDV.

Der leistende Unternehmer A sollte über eine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung verfügen, auf welcher gem. § 14a Abs. 3 S. 2 UStG auch die (qualifiziert geprüfte) Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Abnehmers aufgeführt ist.

Problematisch war im vorliegenden Fall der Umstand, dass die – im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung abgefragte – USt-IdNr. des Abnehmers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültig und bei Ausführung der Lieferung ungültig war, sodass sich die Frage nach der Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG stellte.

Sachverhalt

Die Klägerin handelte mit Streitjahr mit Automobilen, Zubehör- und Ersatzteilen einschließlich Im- und Export und erbrachte damit zusammenhängende Servicedienstleistungen.

Das für die Klägerin zuständige Finanzamt hatte im Jahr 2008 im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt, dass die Klägerin ein Fahrzeug nach Spanien verkauft und diese Lieferung als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt hatte. Der Prüfer hielt den Nachweis der Verbringung des Fahrzeugs nach Spanien für nicht erbracht, da auf dem vorgelegten CMR-Frachtbrief die Empfangsbestätigung der spanischen Abnehmerin in Feld 24 fehlte und die angegebene USt-IdNr. zum Zeitpunkt der Lieferung nicht mehr gültig gewesen sei. Damit fehle der Nachweis, dass die Abnehmerin in einem anderen EU-Mitgliedstaat Unternehmerin sei und die Steuerfreiheit für diese Lieferung sei zu versagen. Die Klägerin hat den in Feld 24 ausgefüllten CMR-Frachtbrief im laufenden Einspruchsverfahren nachgereicht.

Im Jahre 2012 hat der Beklagte eine weitere Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2009 bis 2010 durchgeführt. Dabei hat der Prüfer festgestellt, dass sich im Umlaufvermögen der Klägerin zwei Fahrzeuge befunden haben, für die die Klägerin den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hatte. Beide Fahrzeuge waren auf den Geschäftsführer der Klägerin zugelassen; eines der Fahrzeuge wurde am 27.09.2010 stillgelegt. Der Prüfer war davon ausgegangen, dass diese Fahrzeuge nicht im Eigentum der Klägerin gestanden haben und dass der Vorsteuerabzug zu berichtigen sei.

Mit ihrer Klage richtet sich die Klägerin gegen die Verweigerung der Steuerbefreiung durch das FA mit der Begründung, dass die Lieferung des Kraftfahrzeugs an den Abnehmer in Spanien als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln sei. Ihr sei jedenfalls Vertrauensschutz gem. § 6a Abs. 4 UStG zu gewähren. Zudem sei sie den Nachweispflichten gem. § 17a ff. UStDV, was insbesondere durch die qualifizierte Bestätigung der USt-IdNr. des spanischen Abnehmers im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses belegt sei. Eine nochmalige Abfrage dürfe nicht verlangt werden.

Entscheidung

Das FG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass der für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung erforderliche Beleg-/Buchnachweis als geführt anzusehen ist, wenn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die abgefragte und aufgezeichnete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gültig war, aber ihre Gültigkeit vor Abholung des Liefergegenstandes wieder erloschen war. Der Lieferer ist lediglich aufgrund des Auseinanderfallens von Vertragsschluss und Lieferzeitpunkt nicht verpflichtet, die beim Vertragsschluss korrekten Angaben insbesondere zur USt-IdNr. erneut und ggf. laufend in ganz kurzen Abständen zu überprüfen. Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn der Lieferer Anhaltspunkte für eine Änderung der Angaben hat oder eine große Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Lieferung liegt.

Die Klägerin hatte den Beleg- und Buchnachweise mithin vollständig erbracht. Sie hat ein Doppel der Rechnung und im Einspruchsverfahren auch den vollständig ausgefüllten CMR-Frachtbrief (einschließlich des Feldes 24) vorgelegt. Ferner hat sie mit der Aufzeichnung der USt-IdNr. der spanischen Abnehmerin auch den Nachweis der Unternehmereigenschaft dieser Gesellschaft geführt. Das FG hält hier den Zeitpunkt des Vertragsschlusses als maßgeblichen Zeitpunkt für die Prüfung der Abnehmer USt-IdNr. Der Vertragsschluss lag im vorliegenden Fall am 20.05.2005 mit der Bestätigung des Geldeinganges durch die Pro-Forma-Rechnung und der Bereitstellung des Fahrzeugs zur Abholung. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Klägerin vertraglich gebunden, das Fahrzeug an die spanische Abnehmerin zu dem vereinbarten und schon erhaltenen Preis zu liefern, so dass die Klägerin mit der Abfrage der USt-IdNr. beim Bundeszentralamt für Steuern am 20.05.2005 alles getan hatte, um die erforderlichen Angaben zu ermitteln. Zudem galt die USt-IdNr. an diesem Tag noch. Es war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Klägerin nicht möglich zu erkennen, dass sich dies zukünftig ändern werde.

Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg war die Klägerin auch nicht verpflichtet, in der Zeit zwischen dem Vertragsschluss und der Bewirkung der Lieferung (5 Tage später) die Angaben der Abnehmerin erneut zu überprüfen. Dies begründet das FG damit, dass allein das Auseinanderfallen von Vertragsschluss und Lieferzeitpunkt eine solche Verpflichtung nicht herbeiführen kann. Dies wäre lediglich dann anders, wenn der Lieferer Anhaltspunkte für eine Änderung der Angaben hat. Diesen müsste er dann nachgehen. Solche Anhaltspunkte fehlen allerdings im Streitfall.

Somit waren die Anforderungen an den Beleg-/Buchnachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen erfüllt und die Lieferung des Kraftfahrzeugs an den Abnehmer in Spanien als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gemäß §§ 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b), 6a UStG zu behandeln.

Praxishinweis

Diese sehr unternehmerfreundliche Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg beantwortet die in der Praxis vielfach gestellte Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Abfrage einer USt-IdNr. durch den leistenden Unternehmer. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das FG hierbei auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt und es genügen lässt, dass die Abnehmer USt-IdNr. zu diesem Zeitpunkt gültig ist.

Der Unternehmer ist gem. § 6a Abs. 3 UStG verpflichtet, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung im konkreten Fall buch- und belegmäßig zu belegen. Der buchmäßige Nachweis bedingt die Aufzeichnung und Prüfung der gültigen USt-IdNr. des Abnehmers. Nicht direkt aus § 6a Abs. 1, 3 UStG entnehmen lässt sich der Zeitpunkt der Prüfung im konkreten Fall. Da es sich hier um den Nachweis von Voraussetzungen einer Lieferung handelt, wird grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Lieferung, d.h. den Beginn der Beförderung oder Versendung (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG) und nicht bereits den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgestellt. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist die Lieferung noch nicht bewirkt.

Auch wenn diese Entscheidung aus unternehmerischer Sicht durchaus zu begrüßen ist, ist der Lieferant gut beraten, die Abfrage der USt-IdNr. des Abnehmers nicht lediglich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern auch bei Abholung des Fahrzeuges durchzuführen.

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