FG Düsseldorf zum Konsignationslager

Anmerkung zu: FG Düsseldorf, Urt. v. 06.11.2015, 1 K 1983/13 U

Praxisproblem

Gemeinhin versteht man unter einem Konsignationslager ein Lager eines Lieferanten, das sich in den Räumlichkeiten oder aber in unmittelbarer Nähe zu seinem Abnehmer befindet, um es diesem zu ermöglichen, nach Bedarf Gegenstände zu entnehmen. Umsatzsteuerrechtlich ist das Konsignationslager als solches nicht bekannt; insbesondere enthält die MwStSystRL keine Sonderregelung für derartige Lagerstrukturen. Nach deutscher Verwaltungsauffassung kommen für die Lieferungen aus Konsignationslägern die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung, sodass es einer Sonderregelung nicht bedarf. Dies wird in den meisten anderen europäischen Mitgliedstaaten hingegen anders gesehen und eine Vereinfachungsregelung zugelassen. Vielfach bereitet in der Praxis allerdings bereits die Frage Schwierigkeiten, ob es sich bei einem Lieferantenlager tatsächlich um ein Konsignationslager oder nicht lediglich um ein Auslieferungslager handelt. Das FG Düsseldorf hatte darüber zu entscheiden, ob über ein Konsignationslager genanntes Lager erfolgte Lieferungen eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Lieferers an den im Inland ansässigen Abnehmer als steuerbar und steuerpflichtig zu bewerten sind.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine niederländischen Kapitalgesellschaft, lieferte in den Streitjahren 2005 bis 2010 Bildschirme an einem Großhändler mit Sitz in Deutschland. Die Waren wurden dabei von der Klägerin aus den Niederlanden in ein auf dem Betriebsgelände des Großhändlers befindliches Lager verbracht. Grundlage war ein zwischen der Klägerin und der Beigeladenen getroffenes „Consignment Distribution Agreement“ (CDA).

Der Großhändler war gemäß dem CDA verpflichtet, den von der Klägerin angelieferten Bestand in einem gesonderten Lager zu lagern, zu dem allein der Großhändler Zugang hatte. Die Klägerin war nur nach einer angemessenen Vorankündigung berechtigt, das Lager zum Zwecke einer Inventur zu betreten. Der Großhändler war berechtigt, den Konsignationsbestand im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs an seine Kunden zu veräußern. Die Klägerin blieb so lange Eigentümerin des eingelagerten Bestandes, bis der Großhändler der Klägerin – einmal wöchentlich – eine Aufstellung des in der Vorwoche an seine Kunden verkauften Bestandes übermittelt hatte. Diese Aufstellung stellte die Grundlage für die monatliche Rechnungsstellung der Klägerin an den Großhändler dar. Der Verkaufspreis der Klägerin an den Großhändler wurde an dem Tag bestimmt, an dem der Großhändler den Bestand weiter veräußerte. Die Klägerin war verpflichtet, den Warenbestand mindestens drei Wochen nach Einlagerung für etwaige Verkäufe im Lager zu belassen; nach Ende dieses Zeitraumes war der Großhändler berechtigt, den gesamten Bestand oder einen Teil davon an die Klägerin zurückzusenden. Die Klägerin behandelte die Veräußerungen an den Großhändler als in Deutschland nicht steuerbar und erklärte diese in den Niederlanden als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Damit korrespondierend erklärte der Großhändler innergemeinschaftliche Erwerbe in entsprechender Höhe in Deutschland und zog die darauf entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.

Aufgrund von Zweifeln an der korrekten Besteuerung wandte sich die Klägerin an das für sie zuständige FA in Deutschland. Dieses erließ geänderte Steuerbescheide, in welchen die Lieferungen der Klägerin an den Großhändler als im Inland steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen behandelt wurden. Der Transport aus den Niederlanden in das Lager sei lediglich als Verbringen i.S.v. § 1a Abs. 2 UStG zu werten; erst der Weiterverkauf im Inland löse eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung aus. Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Begründung, ihre Lieferungen seien im Inland nicht steuerbar.

Entscheidung

Das FG Düsseldorf hat entschieden, dass die Frage, ob ein Transport von Waren in ein Lager eine Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder ein Verbringen zur eigenen Verfügung darstellt, nach der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Konsignationslagervertrages richtet. Besonderes Augenmerk ist nach Auffassung des FG Düsseldorf dabei auf eine verbindliche Bestellung seitens des Abnehmers zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung in das Lager zu richten.

Hat der Abnehmer die Ware zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung in das Lager bereits verbindlich bestellt, so ist das Verbringen der Waren in das Lager bereits als Lieferung des Lieferanten an seinen Abnehmer mit der Folge anzusehen, dass es zu einer Besteuerung der Lieferung am Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung kommt.

Liegt hingegen zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung keine verbindliche Bestellung seitens des Abnehmers vor und kommt der Kaufvertrag erst zu einem Zeitpunkt zustande, zu welchem die Gegenstände bereits eingelagert sind, so befindet sich der Lieferort am Ort des Konsignationslagers.

Nach Auffassung des FG Düsseldorf regeln §§ 3 Abs. 6 und 7 UStG nicht nur den Lieferort, sondern zugleich auch den Lieferzeitpunkt, sodass ihre Anwendbarkeit ein Umsatzgeschäft voraussetzt, das zu einer Lieferung gegen Entgelt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG führt. Ein solches Umsatzgeschäft könne aber nur bei verbindlicher Bestellung angenommen werden.

Das FG Düsseldorf hat damit im konkreten Fall entschieden, dass das beklagte Finanzamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin im Inland steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen an den Großhändler ausgeführt hat. Der Lieferort befand sich nicht in den Niederlanden, sondern am Ort des Konsignationslagers in Deutschland.

Praxishinweis

Das FG Düsseldorf vertrat in seiner oben dagelegenen Entscheidung die Auffassung, dass das Verbringen von Waren in ein Konsignationslager nur dann zu einer am Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung erfolgenden Lieferung an den Abnehmer führt, wenn der Abnehmer die Ware zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung in das Konsignationslager bereits verbindlich bestellt hat.

Das FG Düsseldorf folgt in seiner Beurteilung den vorangegangen Urteilen des Niedersächsischen Finanzgerichts (Urt. v. 18.06.2015 5 K 335/14, EFG 2015, 1754) und des Hessischen Finanzgerichts (Urt. v. 25.08.2015, 1 K 2519/10). Aufgrund einer fehlenden umsatzsteuerrechtlichen Sonderregelung zum Konsignationslager kann die Entscheidung, ob es sich entweder um eine Beförderung oder Versendung an den Abnehmer i.S.d. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG oder um ein Verbringen zur eigenen Verfügung i.S.d. § 1a Abs. 2 Satz 1 UStG handelt, lediglich anhand der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Konsignationslagervertrages im Einzelfall richten.

Unternehmer sind daher gut beraten, Lagerverträge auch dann, wenn diese als „Konsignationslagervertrag“ bezeichnet sind, dahingehend zu prüfen, ob es sich bei diesem Lager tatsächlich um ein Konsignationslager nach umsatzsteuerlichem Verständnis handelt. Dieses wird auf der Grundlage der oben angegebenen Entscheidungen nur dann angenommen werden können, wenn insbesondere so lange keine verbindliche Bestellung seitens des Abnehmers eingeht, wie sich die Gegenstände physisch noch nicht im Lager befinden.

Jedoch wird unter praktischen bzw. wirtschaftlichen Gesichtspunkten deutlich, dass eine solche Argumentation häufig nicht dem wirtschaftlichen Sinn und Zweck eines Konsignationslagers entsprechen wird. Fälle in denen – wie das Finanzgericht fordert – bereits zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung eine verbindliche Bestellung des Abnehmers vorliegt und nach den vertraglichen Regelungen ein Kaufvertrag bereits vor Einlagerung der Waren in das Konsignationslager zustande kommt, werden regelmäßig von den Beteiligten nicht gewünscht sein.

Ein Konsignationslager im engeren – nicht zwingend umsatzsteuerlichen – Sinne zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Produkte zunächst im Eigentum des Lieferanten stehen und erst mit Bezug aus dem Konsignationslager durch den Abnehmer ein wirksamer Kaufvertrag entsteht.

Die Revision zum BFH ist unter dem Az. V R 1/16 anhängig.

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