Abgabe von Speisen in einer Betriebskantine

Anmerkung zum BFH-Urteil v. 20.10.2021 – XI R 24/20

Praxisproblem

Bei dem Revisionsverfahren XI R 24/20 ging es um die Frage des Steuersatzes bei Umsätzen einer Betriebskantine.

Sachverhalt

Der Kläger und seine Ehefrau betreiben seit 2017 aufgrund eines Dienstleistungskonzessionsvertrags eine Kantine in einem Institut (X). In dem Vertrag werden X als Auftraggeber (AG) und der Kläger und seine Ehefrau als Auftragnehmer (AN) benannt. X vergibt danach für die Dauer von zwei Jahren eine Konzession zur Bewirtschaftung der Kantine innerhalb seiner Räume. Vertraglich vereinbart war die Verpachtung und Bewirtschaftung der Kantine und Cafeteria des X einschließlich der Bewirtschaftung von Lebensmittelautomaten sowie die Konferenz- und Pausenbewirtung (Cateringservice) zur Verpflegung der Mitarbeiter und Gäste. Zur von X überlassenen Infrastruktur gehören u.a. auch die vorhandene Küche, Geschirr, Besteck, Töpfe und Pfannen etc. Für die Zurverfügungstellung der Räume wurde kein Entgelt gezahlt.

Der Kläger verkauft nach den tatsächlichen Feststellungen des FG innerhalb der Öffnungszeiten der Betriebskantine wöchentlich wechselnd zubereitete Mittagessen sowie Snacks und Getränke. Das Mittagessen wurde auf Tellern portioniert durch das Kantinenpersonal ausgeteilt. Zudem wurde den Gästen Geschirr zur Verfügung gestellt. Im Kantinenraum standen Tische und Stühle zur Einnahme der Mahlzeiten oder Snacks zur Verfügung. Die Reinigung der Küche, der Theken, des Mobiliars sowie von Besteck und Geschirr wurde durch das Kantinenpersonal durchgeführt.

In seiner USt-Voranmeldung für den Monat April 2018 wendete der Kläger den ermäßigten Steuersatz nicht mehr nur z.B. auf Umsätze aus dem Verkauf von belegten Brötchen, die von Kunden abgeholt worden waren, an, sondern auch auf Umsätze aus dem Verkauf von Mittagessen. Das FA meinte dagegen, auf die Umsätze aus dem Verkauf von Mittagessen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Diese Umsätze seien aufgrund der unterstützenden Dienstleistungen, die den sofortigen Verzehr vor Ort ermöglichen, als sonstige Leistung anzusehen.

Das FG Sachsen entschied mit Urteil v. 5.2.2020, 5 K 1604/19 das FA habe zu Recht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die Umsätze des Klägers in Gestalt der Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle versagt.

Mit der Revision machte der Kläger geltend, die Art der Speisenzubereitung sei seit dem Inkrafttreten des Art. 6 MwSt-DVO für die Einordnung als Lieferung oder sonstige Leistung nicht mehr von Bedeutung. Dies entspreche der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF v. 20.03.2013, BStBl I 2013, 444). Außerdem spiele das Mobiliar des X im Aufenthaltsbereich, das auch anderen Zwecken diene, nach der BFH-Rechtsprechung keine Rolle. Das FA stimmte zwar zu, dass – entgegen der Auffassung des FG – die Art der Speisenzubereitung im Streitjahr für die Einordnung als Lieferung oder sonstige Leistung nicht mehr von Bedeutung sei. Allerdings stelle sich das Urteil des FG gleichwohl als richtig dar. Die übrigen vom FG festgestellten Umstände (wie die Reinigung des Geschirrs, des Bestecks und der Tische, das portionsweise Austeilen des Mittagessens, die Nutzungsüberlassung von Geschirr und Besteck) genügten für die Einordnung als Dienstleistung.

Entscheidung

Der BFH hat nicht zum Problem des Steuersatzes entschieden. Er hat die Sache an das FG zurückverwiesen, denn das FG habe über einen mittlerweile nicht mehr wirksamen Bescheid entschieden. Der Senat könne im Streitfall nicht selbst entscheiden, weil das FG widersprüchliche tatsächliche Feststellungen dazu getroffen hat, wer leistender Unternehmer ist. Das FG habe einerseits (erklärungsgemäß) den Kläger als leistenden Unternehmer angesehen, aber andererseits zutreffend festgestellt, dass der Konzessionsvertrag zwischen X als AG und dem Kläger und seiner Ehefrau als AN abgeschlossen wurde. Das FG sei deshalb im Tatbestand seines Urteils einerseits davon ausgegangen, dass der Kläger und seine Ehefrau die Kantine „betreiben“, habe aber andererseits ausgeführt, dass der Kläger das Essen verkaufe. Zumindest gegenüber X scheint für den BFH als Vertragspartner des Konzessionsvertrags (und damit möglicherweise als Konzessionsinhaber sowie Empfänger der Nutzungsüberlassungen des X) eine aus dem Kläger und seiner Ehefrau bestehende Personenmehrheit aufgetreten zu sein. Abschließend beurteilen konnte der BFH das aber nicht, weil Feststellungen des FG dazu fehlen.

Zum Steuersatzproblem verweist der BFH zu der Frage, ob die Abgabe von Mittagessen in der Kantine des X als Lieferungen oder Dienstleistungen anzusehen ist, auf sein Urteil v. 20.10.2021 – XI R 2/21. Danach erbringt ein Unternehmer, der in einer Betriebskantine Speisen portioniert, auf Mehrweggeschirr mit Mehrwegbesteck ausgibt sowie das Geschirr und Besteck nach dessen Rückgabe reinigt, eine sonstige Leistung, die dem Regelsteuersatz unterliegt. Der BFH verweist auch auf seine Entscheidung v. 15.09.2021 – XI R 12/21 (XI R 25/19). Verkauft eine Bäckerei in Filialen, die sich teilweise in „Vorkassenzonen“ eines Supermarkts befinden, Speisen zum Verzehr vor Ort auf Mehrweggeschirr und mit Mehrwegbesteck, das es nach dem Verzehr der Speisen zurücknimmt und reinigt, führt sie nach dieser BFH-Entscheidung damit (ebenso wie ein Partyservice) sonstige Leistungen aus, die vor Inkrafttreten des § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG dem Regelsteuersatz unterlagen.

Praxishinweis

Nach Grundsätzen der v.g. Entscheidungen ist für den BFH davon auszugehen, dass die tatsächlichen Feststellungen des FG zur Reinigung des Geschirrs und der Tische, zum portionsweisen Austeilen des Mittagessens sowie zur Nutzungsüberlassung des Geschirrs und Bestecks dazu führen, dass sonstige Leistungen vorliegen und die strittigen Umsätze (bei dem vom FG noch festzustellenden leistenden Unternehmer) im Streitjahr dem Regelsteuersatz zu unterwerfen waren, weil die unterstützenden Dienstleistungen neben der Abgabe der Speisen mehr als nur einen geringfügigen personellen Einsatz erforderten.

Auf die Rechtsfrage, ob für die Einordnung als Lieferung oder sonstige Leistung unter Geltung der MwSt-DVO die Zubereitung der Speisen noch von Bedeutung ist, kommt es nach Auffassung des BFH im Streitfall voraussichtlich nicht mehr an. Dieses ergibt sich auch aus der in Art. 6 der MwStDVO verankerten Definition der „Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen“ im Licht der bisherigen EuGH-Rechtsprechung.

Insgesamt bleibt die Thematik der Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes in der Praxis wohl weiter umstritten, weil es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Fraglich ist oft, nach welchen Kriterien von einem Überwiegen der mit der Abgabe von Speisen und Getränken einhergehenden Dienstleistungen auszugehen ist.

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