Steuerentstehung bei Vermittlungsleistungen gegen Ratenzahlung

Anmerkung zum BFH V R 37/21

Praxisproblem

Bei dem Revisionsverfahren V R 37/21 vom 01.02.2022 ging es um die Frage des Zeitpunkts der Steuerentstehung bei einer Vermittlungsleistung, für die die Gegenleistung in Raten entrichtet wird bzw. um die Frage der Zumutbarkeit der Vorfinanzierung der USt durch den Unternehmer bei einer Ratenzahlungsvereinbarung mit Erstreckung der hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als zwei Veranlagungszeiträume. Der BFH hatte zuvor ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet (EuGH-Rechtssache C-324/20, X-Beteiligungsgesellschaft). Das vorliegende Urteil ist die Nachfolgeentscheidung zu diesem EuGH-Urteil vom 28.10.2021 (C-324/29).

Sachverhalt

Mit Honorarvereinbarung im November 2012 vereinbarte die Klägerin mit einer T-GmbH Honorarzahlungen für Vermittlungsleistungen/Vermarktungsleistungen an einem Grundstück in Höhe von 1.000.000 € netto. Die Parteien vereinbarten, beginnend ab dem Kalenderjahr 2013, eine ratierliche, jährlich zum 30.6. fällige Zahlung in Höhe von 200.000 €. Die rechtliche Beurteilung dieser Zahlungen war zwischen dem FA und der Klägerin streitig. Während die Klägerin meinte, die Zahlungen würden als Entgelt für im Zeitraum 2012 bis 2017 erbrachte Vermittlungs- bzw. Vermarktungsleistungen erbracht, war das FA der Auffassung, die Honorarzahlungen seien für die einmalige Vermittlung des Grundstücks vereinbart worden. Nach dem Urteil des vorinstanzlichen FG lag der gesamten Honorarvereinbarung eine einmalig, im Jahr 2012 ausgeführte sonstige Leistung zu Grunde. Die nach dem ersten Teilbetrag von 200.000 € in den Jahren nach 2013 fälligen Raten seien aber uneinbringlich im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG.

EuGH-Urteil C-324/29

Im Revisionsverfahren hatte der BFH zunächst den EuGH vorab gefragt, ob sich bei einer einmalig und daher nicht zeitraumbezogen erbrachten Dienstleistung der Anlass zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen i.S. von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL bereits aus der Vereinbarung einer Ratenzahlung ergibt. Hilfsweise fragte der BFH bei Verneinung dieser ersten Frage, ob von einer Nichtbezahlung i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auszugehen ist, wenn der Steuerpflichtige bei der Erbringung seiner Leistung vereinbart, dass diese in fünf Jahresraten zu vergüten ist und das nationale Recht für den Fall der späteren Zahlung eine Berichtigung vorsieht, durch die die vorherige Minderung der Steuerbemessungsgrundlage nach dieser Bestimmung wieder rückgängig gemacht wird.

Der EuGH hatte entschieden, dass Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL im Licht von Art. 63 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass eine in Raten vergütete einmalige Dienstleistung nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt. Aus der Anwendung dieser beiden Bestimmungen in Verbindung miteinander ergibt sich nach der EuGH-Entscheidung, dass bei Leistungen, die zu aufeinanderfolgenden Zahlungen Anlass geben, der Steuertatbestand und der Steueranspruch mit Ablauf des Zeitraums entstehen, auf den sich diese Zahlungen beziehen (vgl. EuGH vom 29.11.2018, C-546/17, baumgarten sports & more, C 548/17). Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld wird nämlich nach dem Ablauf der Zeiträume bestimmt, auf die sich die aufeinanderfolgenden Zahlungen beziehen. Da diese Zahlungen notwendigerweise die Gegenleistung für die erbrachten Leistungen darstellen, setzt diese Bestimmung daher implizit voraus, dass diese Leistungen in den nämlichen Zeiträumen erbracht worden sind. Unter diesen Umständen kann die Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL nicht allein davon abhängen, dass für die Leistung eine Zahlung in Form von Raten erfolgt. Folglich setzt die Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL einen Zusammenhang zwischen der Art der betreffenden Leistungen und der ratenweisen Zahlung voraus, so dass diese Bestimmung eine einmalige Leistung auch dann nicht betreffen kann, wenn diese in Raten vergütet werden soll.

Weiter hatte der EuGH zu einer etwaigen Minderung der Bemessungsgrundlage bei Ratenzahlungen entschieden, dass Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass bei Vorliegen einer Ratenzahlungsvereinbarung die Nichtbezahlung eines Teilbetrags der Vergütung vor seiner Fälligkeit nicht als Nichtbezahlung des Preises im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden und deshalb nicht zu einer Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage führen kann.

Entscheidung des BFH

Der BFH folgt mit seinem Urteil der EuGH-Rechtsprechung. Danach ist das Sollversteuerungsprinzip gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt. Die durch das Unionsrecht in Art. 66 Buchst. b MwStSystRL eingeräumte und durch § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 20 UStG als sogenannte Ist-Versteuerung nur eingeschränkt ausgeübte Möglichkeit, die Steuer erst mit der Entgeltvereinnahmung entstehen zu lassen, ist nach dem BFH-Urteil Sache des nationalen Gesetzgebers.

Nach dem BFH-Urteil entspricht der nationale Begriff der Teilleistung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG zumindest im Regelfall den Begrifflichkeiten des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL, da es sich bei der wirtschaftlich teilbaren Leistung um eine Leistung mit einem "kontinuierlichen oder wiederkehrenden Charakter" handelt, wie die vom EuGH als Anwendungsfälle von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL angeführten Beispiele der Fahrzeugvermietung oder der Erbringung von Rechts-, Wirtschafts- und Finanzberatungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen zeigen. Diese sind auch nach nationalem Recht als Teilleistungen anzusehen. Da das Erfordernis einer Leistung mit "kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter", eine Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG auf eine einmalige Leistung gegen bloße Ratenzahlung ausschließt, entfallen somit die Zweifel an einer zutreffenden Umsetzung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL durch den nationalen Teilleistungsbegriff.

Weiter, so der BFH, könne die Vereinbarung einer Ratenzahlung allein keine Uneinbringlichkeit i. S. v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 USG begründen. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG hat der Unternehmer, der einen steuerpflichtigen Umsatz iSv § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag erst zu berichtigen, wenn dieser Umsatz uneinbringlich geworden ist. Tatbestandlich begründet sich diese Uneinbringlichkeit nach Art. 90 MwStSystRL.  

Praxishinweis

Grundsätzlich unterscheidet das Umsatzsteuersystem zwischen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) als Sonderform und der Regelform der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten. Die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, die sogenannte Soll-Besteuerung, führt dazu, dass der leistende Unternehmer USt an den Fiskus anmelden und abführen muss, auch wenn er den entsprechenden Geldbetrag von seinem Kunden noch nicht erhalten hat. Dies führt zu einer vorübergehenden Belastung, wenn der Fälligkeitszeitpunkt der USt vor dem Zeitpunkt des Geldeingangs liegt. Bereits längere Zahlungsziele von Kunden (je nach Branche kommen Zahlungsziele von 90 bis 180 Tagen vor) haben damit eine nicht unwesentliche finanzielle Belastung zur Folge. Der EuGH hat mit seiner Rechtsprechung die Zumutbarkeit dieser Folgen durch die Sollversteuerung im Prinzip bestätigt.

Bei einmaligen Leistungen, für die vereinbart wird, dass die Gegenleistung in Raten gezahlt werden kann, ist bezüglich der ausstehenden Raten nicht von einer i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL bzw. nicht von einer Uneinbringlichkeit des Entgelts i.S.v. § 17 UStG auszugehen. Somit liegt eine Uneinbringlichkeit des Entgelts z.B. auch dann nicht vor, wenn der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der mit dem Leistungsempfänger getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über Ratenzahlungen für mehr als zwei Jahre nicht mit einer Vereinnahmung der Leistungsentgelte rechnen kann.

Durch die Verteilung der Entgeltzahlung über mehr als zwei Veranlagungszeiträume wird auf Seiten des leistenden Unternehmers die Zumutbarkeit der Vorfinanzierung der USt nicht überschritten. Der Unternehmer, der unter die Sollversteuerung fällt, muss dies hinnehmen, auch wenn dieses zu einer Vorfinanzierung durch den leistenden Unternehmer und zu erheblichen finanziellen Belastungen führt.
Zumindest mit der Sichtweise einer für den Unternehmer neutralen Umsatzsteuer als wirtschaftlich durchlaufenden Posten ist dieses dennoch fragwürdig.

Sollten Sie vergleichbare Probleme zu bewältigen haben, sprechen Sie uns gern an. Das USt-Team der AWB hilft Ihnen gern weiter.

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