Steuerbarkeit, Leistungsaustausch, Vermietung von Parkplätzen, Parkgebühren, Gebühren für übertretene Parkvorschriften

Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 20.1.2022, C-90/20 (Apcoa Parking Danmark)

Praxisproblem

Bei dem dänischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um den Leistungsaustausch und die Frage, ob Kontrollgebühren, die für die Übertretung von für das Parken auf privaten Grundstücken geltenden Vorschriften erhoben werden, ein Entgelt für erbrachte Dienstleistungen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL darstellen, so dass ein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz vorliegt. § 13 Abs. 1 Nr. 8 DK-MwStG sieht eine MwSt-Befreiung u. a. für Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vor. Die Befreiung gilt nicht für u. a. die Vermietung von Parkplätzen.

Die Klägerin ist ein Privatunternehmen, das in Absprache mit dem Grundstückseigentümer einen Parkplatz auf einem Privatgelände betreibt. Sie legt die Bedingungen für die Nutzung der Parkflächen fest, z. B. im Hinblick auf das Verbot, ohne besondere Genehmigung zu parken, die Höchstparkdauer und das Parkentgelt. Bei Verstößen gegen die Bedingungen erhebt die Klägerin eine spezielle „Kontrollgebühr“ (510 DKK in den Jahren 2008 und 2009).

Im vorliegenden Verfahren war streitig, ob die Klägerin verpflichtet war, für diese speziellen Kontrollgebühren MwSt zu entrichten. Es war unstreitig, dass die Zahlung von Gebühren für vorschriftsgemäßes Parken steuerpflichtig ist. Die Klägerin beantragte im Oktober 2011 bei der SKAT (dänische Steuerbehörde) die Rückzahlung von MwSt für erhobene Kontrollgebühren. Die SKAT wies den Antrag mit der Begründung zurück, dass die Kontrollgebühren nach dem DK-MwStG umsatzsteuerbares Leistungsentgelt darstellten.

Die Klägerin machte insbesondere geltend, dass Kontrollgebühren kein Entgelt für die fortgesetzte Parkbefugnis darstellten. Die Kontrollgebühren seien vielmehr durch den Wunsch der Klägerin begründet, vorschriftswidriges Parken zu verhindern, und stellten eine Geldbuße dar, die der Autofahrer für den Verstoß gegen die Parkvorschriften zahlen müsse. Die Gebühren würden übrigens als Standardtarif gezahlt, der keinen konkreten wirtschaftlichen Bezug zum Wert der Parkdienstleistung habe. Nach Ansicht der Klägerin handelt es sich daher nicht um eine Leistung gegen Entgelt.

Entscheidung


Der EuGH hat entschieden, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass die Kontrollgebühren, die eine mit dem Betrieb privater Parkplätze betraute Gesellschaft des Privatrechts in dem Fall erhebt, dass Kraftfahrer die allgemeinen Nutzungsbedingungen für diese Parkplätze nicht beachten, als Gegenleistung für eine Dienstleistung anzusehen sind, die im Sinne dieser Bestimmung gegen Entgelt erbracht wird und als solche der Mehrwertsteuer unterliegt.

Der EuGH geht von seiner ständigen Rechtsprechung aus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, wenn sich zwei Leistungen gegenseitig bedingen, d. h., wenn die eine Leistung nur unter der Voraussetzung erbracht wird, dass auch die andere Leistung erfolgt, und umgekehrt. Dies war nach der Entscheidung im Ausgangsverfahren der Fall, da, zwischen der Erhebung einer Kontrollgebühr durch die Klägerin wegen vorschriftswidrigen Parkens und dem Umstand, dass der betreffende Kraftfahrer unter den besonderen Umständen parkt, die die Klägerin festgelegt hat und die zu diesem erhöhten Entgelt führen, ein Zusammenhang besteht. Es kann nämlich keine Notwendigkeit, vorschriftswidriges Parken zu kontrollieren, und mithin keine Auferlegung einer solchen Kontrollgebühr geben, wenn nicht zuvor die Dienstleistung der Bereitstellung eines Parkplatzes erbracht wurde.

Praxishinweis


Der EuGH musste entscheiden, ob der Verpflichtung zur Zahlung von Kontrollgebühren ein quasivertragliches Verhältnis zugrunde liegt und dass daher zwischen der Klägerin und einem Parker ein Rechtsverhältnis bestand, wie dies u. a. im EuGH-Urteil v. 3.3.1994 in der Rechtssache C-16/93, Tolsma, beschrieben wird. Dies hat der EuGH bejaht.

Das Urteil hat auch für das deutsche Recht Bedeutung. Im Falle einer echten Schadensersatzleistung fehlt es an einem Leistungsaustausch. Der Schadensersatz wird nicht geleistet, weil der Leistende eine Lieferung oder sonstige Leistung erhalten hat, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat. Ein Schadensersatz ist dann nicht anzunehmen, wenn die Ersatzleistung tatsächlich die – wenn auch nur teilweise – Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung darstellt (Abschnitt 1.3 Abs. 1 UStAE). Vertragsstrafen, die wegen Nichterfüllung oder wegen nicht gehöriger Erfüllung (§§ 340, 341 BGB) geleistet werden, haben Schadensersatzcharakter. Hat der Leistungsempfänger die Vertragsstrafe an den leistenden Unternehmer zu zahlen, ist sie deshalb nicht Teil des Entgelts für die Leistung (vgl. Abschnitt 1.3 Abs. 3 UStAE).

Im vorliegenden Fall war nicht von Schadensersatz, sondern von steuerbarem Leistungsentgelt auszugehen. In den Kontrollgebühren kann ein erhöhtes Entgelt gesehen werden, das der Nutzer des Parkplatzes im Zusammenhang mit der Überlassungsleistung zahlt.

Die EuGH-Entscheidung dürfte somit auch Auswirkungen z.B. auf die Parkplatzüberlassung durch öffentliche Einrichtungen haben. Die Überlassung unselbständiger Teile des Straßenkörpers (z. B. Parkbuchten) auf öffentlich-rechtlich gewidmeten Straßen gegen Gebühr (Parkscheinautomaten/Parkuhren) fällt zwar unter den Anwendungsbereich des § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG. Es handelt sich um eine Maßnahme zur Regelung des ruhenden Verkehrs im Rahmen der StVO. Die Erbringung gleichartiger Leistungen ist durch einen privaten Anbieter nicht möglich. Da die öffentliche Hand insoweit nicht in Wettbewerb zu einem privaten Anbieter treten kann, handelt sie insoweit nicht als Unternehmer. Gleiches gilt auch für die Ausgabe von Bewohnerparkausweisen gegen Gebühr.

Bei Vereinbarung privatrechtlicher Entgelte ist die Anwendung von § 2b UStG jedoch ausgeschlossen, sodass folglich eine Umsatzbesteuerung vorzunehmen wäre. Die Überlassung selbständiger Parkplätze (einschließlich deren Abgrenzung) auf nicht dem Straßenverkehr gewidmeten Grund sowie von Parkplätzen für Behördenbesucher und Mitarbeiter gegen Entgelt stellt einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz dar. Sondernutzungsgebühren stellen ein Entgelt für die Einräumung des Rechts dar, eine bestimmte öffentliche Fläche für eigene unternehmerische Zwecke nutzen zu dürfen. Somit dürften dann auch Entgelte, die wegen vorschriftswidriger Nutzung von Parkplätzen erhoben werden, der Umsatzbesteuerung unterliegen. Gleiches gilt für Strafgebühren, die Betreiber von Supermärkten auf von ihnen unterhaltenen Kundenparkplätzen erheben, wenn die höchstzulässige Parkdauer (z.B. 1 Stunde) überschritten wird.

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