BFH zu den Anforderungen an den Buch- und Belegnachweis

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 22.07.2015, V R 38/14; Nachweisverpflichtungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, CMR-Frachtbrief, Verbringensversicherung

Praxisproblem

Durch die 11. Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuerverordnung wurde § 17a UStDV mit Wirkung v. 01.10.2013 geändert, die Beleg- und Buchnachweispflichten für innergemeinschaftliche Lieferungen wurden neu geregelt. Nachdem die Verwaltung noch bis 31.12.2013 eine Übergangsregelung getroffen hatte, sind die neuen Bestimmungen zwingend seit 01.01.2014 anzuwenden. Bis zum 31.12.2013 konnten die Nachweisverpflichtungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in den Fällen der Beförderung durch den Lieferer oder durch den Abnehmer nach § 17a Abs. 2 UStDV noch mit einem Doppel der Rechnung, einem handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt (insbesondere Lieferschein), durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie (in den Fällen der Beförderung durch den Abnehmer) durch eine Versicherung des Abnehmers (oder seines Beauftragten, sog. Verbringensversicherung) geführt werden, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.

Die Verbringensversicherung musste insbesondere den Namen und die Anschrift des Abnehmers sowie eine – mit Datum versehene – Unterschrift des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten) enthalten oder mit der Unterschrift eines unselbstständigen Beauftragten versehen sein. Die Unterschrift musste ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbstständigen Beauftragten) ermöglichen (vgl. Abschn. 6a.3 Abs. 9 UStAE (alt)).

Nach § 17a Abs. 4 UStDV (alt) konnte der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in Versendungsfällen auch durch das Doppel der Rechnung und einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV geführt werden. Der Beleg nach § 10 Abs. 1 UStDV (alt) konnte ein Versendungsbeleg (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV, insbesondere Frachtbrief (wie z.B. CMR-Frachtbrief) oder eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs mit den Angaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV (alt) sein.

Der BFH hat mit Urteil v. 22.07.2015, V R 38/14 in einem Fall der innergemeinschaftlichen Lieferung von Fahrzeugen, die im Auftrag des Abnehmers versendet wurden, insbesondere zu den Anforderungen an einen CMR-Frachtbrief nach dem bis zum 31.12.2013 geltenden alten Nachweisrecht entschieden (Streitjahr 2006).

Sachverhalt

Streitig war, ob für die von der Klägerin ausgeführten Fahrzeuglieferungen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferungen vorlagen. In einigen Fällen war in Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs jeweils die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung eingetragen, während tatsächlich der Abnehmer der Fahrzeuge den selbstständigen Transportbeauftragten bevollmächtigt hatte. In einigen Fällen war zudem die Verbringensversicherung nicht vom tatsächlichen Abholer, sondern vom Abnehmer unterzeichnet. Bei einer Lieferung war die Unterschrift des tatsächlichen Abholers unleserlich, weil sie mit einem Firmenstempel des angeblichen Abnehmers überstempelt war, und im Falle einer Lieferung wich die Unterschrift des Abholers von der Unterschrift in der von ihm vorgelegten Passkopie ab.

Das Finanzgericht sah hinsichtlich dieser Lieferungen den Belegnachweis als nicht erbracht an. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, hinsichtlich der davon betroffenen Versendungslieferungen sei der CMR-Frachtbrief unrichtig, weil in Feld 1 die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung eingetragen sei, während tatsächlich der jeweilige Abnehmer die selbstständigen Transportbeauftragten bevollmächtigt habe. Bei den anderen Lieferungen sei der Belegnachweis nicht erbracht, weil die Verbringensversicherung nicht von dem tatsächlichen Abholer, sondern vom Abnehmer unterzeichnet sei. Der Belegnachweis setze aber voraus, dass derjenige, der das Fahrzeug tatsächlich abhole, versichern müsse, dieses in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen. Bei den übrigen Lieferungen könne der Belegnachweis nicht anerkannt werden, weil die Unterschrift des Abholers unter der Verbringensversicherung nicht leserlich sei bzw. von der Unterschrift in der vorgelegten Passkopie erkennbar abweiche.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass in den Versendungsfällen die Belegnachweise nicht erbracht wurden. Gemäß Art. 5 Abs. 1 des CMR-Übereinkommens wird der CMR-Frachtbrief vom Absender und Frachtführer unterzeichnet. Dabei muss nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b und c des CMR-Übereinkommens der CMR-Frachtbrief den Namen und die Anschrift des Absenders sowie Namen und Anschrift des Frachtführers enthalten. Absender ist im Beförderungsvertrag der CMR derjenige, der den Vertrag mit dem Frachtführer geschlossen hat. Die Angabe der Vertragsparteien des Beförderungsvertrages gehört – anders als z.B. die Empfängerbestätigung in Feld 24 – zu den konstitutiven Frachtbriefangaben. CMR-Frachtbriefe sind nach dem BFH-Urteil nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV (alt) bezeichneten Angaben enthalten. Das umfasst den Namen und die Anschrift des Ausstellers sowie den Tag der Ausstellung sowie den Namen und die Anschrift des Unternehmers sowie des Auftraggebers, wenn dieser nicht der Unternehmer ist. Da in den CMR-Frachtbriefen zu einigen Lieferungen die Klägerin als Absender und damit als Vertragspartei des Frachtvertrages eingetragen war, tatsächlich aber die jeweilige Abnehmerin einen selbstständigen Transportbeauftragten beauftragt hatte, waren nach dem BFH-Urteil die CMR-Frachtbriefe unrichtig, weil sie nicht den zutreffenden Absender auswiesen. Erweisen sich die Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist die innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig.

Gutglaubensschutz (§ 6a Abs. 4 UStG) kommt nach dem Urteil nicht zur Anwendung. Der BFH geht davon aus, die Klägerin wusste, dass sie nicht Absenderin war. Der Einwand, der allgemeine Sprachgebrauch umfasse auch denjenigen als Absender, von dem aus ein Gegenstand versendet werde, greift nach dem Urteil nicht durch. Denn die Klägerin war eine im Export von Fahrzeugen erfahrene Unternehmerin. Sie wusste oder hätte zumindest wissen müssen, dass der im CMR-Frachtbrief einzutragende Absender der Auftraggeber des Frachtführers ist und dass dies auf sie nicht zutraf.

Auch in den Beförderungsfällen wurde nach dem Urteil der Belegnachweis nicht erbracht. Gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV (alt) soll der Unternehmer den Nachweis der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet u.a. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, führen. Bei den genannten Lieferungen hatten die Abnehmer bzw. Abholer aber lediglich bestätigt (mit Wendungen wie folgend), die Fahrzeuge „ordnungsgemäß aus Deutschland“, „aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedstaaten“ oder „in o.g. Bestimmungsland“ auszuführen. Das sind nach dem BFH-Urteil keine Belege, aus denen sich i.S.d. § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV (alt) der Bestimmungsort ergibt.

Auch in diesen Fällen kommt Vertrauensschutz nach dem Urteil nicht in Betracht. Dass sich aus den Belegen der Bestimmungsort nicht ergibt, war aus Sicht des BFH für die Klägerin offensichtlich und deshalb bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkennbar.

Praxishinweis

Das Urteil reiht sich ein in die relativ strenge BFH-Rechtsprechung, was die Anforderungen an ordnungsgemäße Belegnachweise für innergemeinschaftliche Lieferungen betrifft. Die Entscheidung ist, was CMR-Frachtbriefe als Versendungsbelege anbelangt, durchaus übertragbar auf die ab 01.01.2014 zwingend anzuwendende Rechtslage. In Feld 1 des CMR-Frachtbriefs muss der Auftraggeber des Warentransports, also der Vertragspartner des Frachtführers eingetragen sein. In Feld 1 kann der liefernde Unternehmer selbst also nur dann eingetragen sein, wenn er den Transportauftrag selbst erteilt. Wenn der CMR-Frachtbrief in Feld 1 einen unzutreffenden Eintrag enthält, sollte der liefernde Unternehmer dafür Sorge tragen, dass sich aus anderen Dokumenten eindeutig, zweifelsfrei und schnell erkennbar ergibt, wer tatsächlich den Transportauftrag erteilt hat. Dadurch könnte, mit Blick darauf, dass nach Abschn. 6a.5 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. 6a.4 Abs. 5 Satz 1 UStAE i.d.g.F. ein Versendungsbeleg auch aus mehreren Dokumenten bestehen kann, aus denen sich die geforderten Angaben insgesamt ergeben, ein unzutreffender Eintrag in Feld 1 des CMR-Frachtbriefs geheilt werden.

Dennoch hat die Entscheidung weitreichende Folgen für die praktische Anwendung. In der Praxis wird der CMR-Frachtbrief vielfach fehlerhaft ausgefüllt, so dass er nach der BFH-Rechtsprechung als Nachweis für die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nicht dienen kann.

Für Ausfuhrlieferungen hingegen ist wiederum ein praktisches Dilemma zu beachten. Hier kann es bei der Einfuhr in Drittstaaten zu Problemen kommen, wenn – wie der BFH betont – der drittländische Abholer (= Auftraggeber des Spediteurs) in Feld 1 eingetragen ist.

Es ist zu empfehlen, die Nachweismöglichkeiten im Unternehmen zu überprüfen und ggf. Umstellungen in der Anwendung oder auf andere Nachweise vorzunehmen.