BFH zum Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung durch Zeugen

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 19.03.2015, V R 14/14; Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungs- sowie Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen, Voraussetzungen der Steuerbefreiung

Praxisproblem

Die §§ 17a (Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen) und 17b UStDV (Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen) regeln, mit welchen Belegen der Unternehmer den Nachweis der Umsatzsteuerbefreiung zu führen hat. Nach § 17a Abs. 1 UStDV hat der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Die Voraussetzung muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis). In dem BFH-Verfahren V R 14/14 war streitig, ob das Gelangen des Liefergegenstands in den Bestimmungsmitgliedstaat bei Unvollständigkeit von Frachtbriefen, d.h. bei Unsicherheiten über den physischen Warentransport, auch durch vom Abnehmer beauftragte Zeugenaussagen belegt werden kann, dass der entsprechende Transport tatsächlich stattgefunden hat.

Sachverhalt

Im Ausgangsverfahren hatte das Finanzamt in den Streitjahren 2001 bis 2004 die Steuerbefreiung von Lieferungen nach Italien versagt. Das FG hatte entschieden, der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Dieser ergebe sich nicht aus den Frachtbriefen. Im Streitfall lägen Beförderungen, nicht aber Versendungen durch Beauftragung selbstständig tätiger Dritter vor. Zudem enthielten die Frachtbriefe keine Angaben zu im Ausland gelegenen Auslieferungsorten. Die im Abholfall nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV i.d.F. der Streitjahre  erforderliche Versicherung fehle. Es sei nicht erkennbar, wer die Frachtbriefe ausgestellt habe. Auch die nachträglich erteilte Bestätigung begründe keinen Belegnachweis, da sie nicht von der Person stamme, die die Transporte tatsächlich durchgeführt habe. Der in der mündlichen Verhandlung angebotene Beweis sei nicht zu erheben gewesen, da die Zeugenaussage unerheblich gewesen sei. Der Kläger meinte, die objektive Beweislage könne nicht nur durch Belege nachgewiesen werden. Es bestehe ein Gleichrang aller Beweismittel. Das FG hätte den in der mündlichen Verhandlung präsenten Zeugen vernehmen müssen.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Nach seiner Entscheidung ist auf Basis der EuGH-Rechtsprechung in erster Linie anhand der von den Steuerpflichtigen vorgelegten Belege und abgegebenen Erklärungen zu prüfen, ob die Waren den Liefermitgliedstaat physisch verlassen haben. Der Neutralitätsgrundsatz gebietet zwar die Steuerbefreiung auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar die formellen Anforderungen an den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht oder nicht vollständig erfüllt, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung indes unbestreitbar feststehen. Das war vorliegend aber gerade nicht der Fall. Denn der Unternehmer ist grundsätzlich nicht berechtigt, den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen. Im Streitfall waren nach der BFH-Entscheidung keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger an der Führung des Buch- und Belegnachweises gehindert gewesen oder dieser für ihn unzumutbar gewesen sein könnte.

Praxishinweis

Der BFH hat die Verwaltungsauffassung bestätigt, dass der Beleg- und Buchnachweis nur durch Belege und Aufzeichnungen geführt werden kann. Unter einem Buchnachweis ist ein Nachweis durch Bücher oder Aufzeichnungen in Verbindung mit Belegen zu verstehen. Der Buchnachweis verlangt deshalb stets mehr als den bloßen Nachweis entweder nur durch Aufzeichnungen oder nur durch Belege. Belege werden durch die entsprechenden und erforderlichen Hinweise bzw. Bezugnahmen in den stets notwendigen Aufzeichnungen Bestandteil der Buchführung und damit des Buchnachweises, sodass beide eine Einheit bilden (vgl. Abschn. 6a.2 Abs. 1 UStAE). Kann der Unternehmer den beleg- und buchmäßigen Nachweis nicht, nicht vollständig oder nicht zeitnah führen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 und 2 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn – trotz der Nichterfüllung, der nicht vollständigen oder der nicht zeitnahen Erfüllung des Buchnachweises – auf Grund der vorliegenden Belege und der sich daraus ergebenden tatsächlichen Umstände objektiv feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG vorliegen. Damit kann ein zweifelsfreier Belegnachweis Mängel beim Buchnachweis heilen (vgl. Abschn. 6a.2 Abs. 3 UStAE). Der Objektivnachweis setzt somit eine ausreichende Belegnachweisführung voraus. Diese kann nach dem vorliegenden BFH-Urteil nicht durch (mündliche) Zeugenaussagen ersetzt oder vervollständigt werden.