BMF zum Vorsteuerabzug aus Gemeinkosten

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 10.04.2014; Vorsteuerabzug aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmers

Praxisproblem

Der Unternehmer ist nach § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Bei der Prüfung des Vorsteuerabzugs sind die Ausschlusstatbestände nach § 15 Abs. 1a, 1b und 2 UStG zu berücksichtigen. Zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung muss nach dem objektiven Inhalt der bezogenen Leistung ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Nur mittelbar verfolgte Zwecke sind unerheblich. Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören (vgl. Abschn. 15.2b Abs. 2 Satz 4 UStAE) und – als solche – Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten entgeltlichen Leistungen sind.

Sachverhalt

Mit Urteil v. 24.04.2013, XI R 25/10 hatte der BFH entschieden, dass eine Aufteilung der Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG voraussetzt, dass der Unternehmer die bezogenen Vorleistungen sowohl für vorsteuerunschädliche als auch für vorsteuerschädliche Umsätze verwendet. Dabei sei auf die Verhältnisse der gesamten Umsätze im Besteuerungszeitraum abzustellen. Weiter hat der BFH entschieden, dass ein im Voranmeldungsverfahren vorläufiger Aufteilungsschlüssel im Rahmen der Jahresfestsetzung deshalb angepasst werden könne. Ein im Voranmeldungsverfahren angewendeter vorläufiger Aufteilungsschlüssel muss daher bei der Jahresfestsetzung überprüft und ggf. berichtigt werden.

Entscheidung

Mit dem BMF-Schreiben v. 10.04.2014, IV D 2 - S 7306/13/10001 (2014/0338741) ist aufgrund des o.g. BFH-Urteils in Abschn. 15.16 UStAE ein neuer Absatz 2a eingefügt worden. Danach ist bei der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens (vgl. Abschnitt 15.2b Abs. 2 S. 4 UStAE) regelmäßig auf das Verhältnis der gesamten Umsätze im Besteuerungszeitraum abzustellen. Wird ein Aufteilungsschlüssel im Voranmeldungsverfahren vorläufig angewandt, z.B. auf der Grundlage der Umsätze des vorangegangenen Jahres, führt die Festsetzung des endgültigen, abweichenden Aufteilungsschlüssels zu einer Berichtigung der nach dem vorläufigen Aufteilungsschlüssel ermittelten Vorsteuerbeträge in der Jahresfestsetzung.

Praxishinweis

Zu den allgemeinen Aufwendungen zählen u.a. nicht zurechenbare Gemeinkosten. Sie gehören i.d.R. dann zu den Kostenelementen der besteuerten Ausgangsumsätze, wenn sie entstanden sind, bevor der Unternehmer die besteuerten Umsätze ausführt. Führt der Unternehmer sowohl vorsteuerunschädliche als auch vorsteuerschädliche Umsätze aus, sind die Gemeinkosten nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Gemeinkosten sind i.d.R. keine Berichtigungsobjekte i.S.d. § 15a UStG. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in der Jahreserklärung wäre daher nicht möglich. Vor diesem Hintergrund gewährleistet die Möglichkeit der Anpassung des vorläufigen Aufteilungsschlüssels bei Gemeinkosten im Rahmen der Jahresfestsetzung nach dem BFH-Urteil die Neutralität der Umsatzsteuer. Im Zeitpunkt des Leistungsbezugs bei allgemeinen Aufwendungen kann regelmäßig lediglich geschätzt werden, in welchem Umfang eine unternehmerische, vorsteuerunschädliche Verwendung erfolgen wird. Eine endgültige Berechnung des Vorsteuerabzugs aus Gemeinkosten ist erst im Rahmen der Jahreserklärung möglich.

Die Verwaltung legt das o.g. BFH-Urteil offensichtlich eng aus und wendet es beschränkt auf den Bereich der allgemeinen Aufwendungen an. Der zweite Leitsatz des BFH-Urteils könnte jedoch auch den Schluss zulassen, dass für alle Eingangsleistungen, die nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen sind, die Verhältnisse der gesamten tatsächlich ausgeführten Umsätze im Besteuerungszeitraum maßgebend sind und das BFH-Urteil sich nicht auf Vorsteuerbeträge aus Gemeinkosten beschränkt. Dies hätte aber weitreichende Folgen für die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG. Der Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG beginnt mit der erstmaligen Verwendung. Ab diesem Zeitpunkt ist die tatsächliche Verwendung mit der bei Anschaffung, Herstellung oder Erwerb des Gegenstandes beabsichtigten Verwendung, die für den Vorsteuerabzug maßgebend war, zu vergleichen; ggf. ist eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG durchzuführen. Wenn erst in der Jahreserklärung endgültig über den Vorsteuerabzug im Rahmen der Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG entschieden würde, wäre eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG im ersten Jahr immer ausgeschlossen, da es an einer Änderung der Verhältnisse fehlen würde. Zudem könnte auch erst rückwirkend entschieden werden, ob die unternehmerische Mindestnutzung von 10 % tatsächlich erreicht würde.

Eine solch weite Auslegung des BFH-Urteils würde zu einer Aufweichung des Grundsatzes der Verwendungsabsicht bei Leistungsbezug führen und ist von der Verwaltung offensichtlich nicht verfolgt worden. Dies dürfte letztlich auch folgerichtig sein, weil der BFH in seinem zweiten Leitsatz offen lässt, ob die tatsächlich erzielten oder die beabsichtigten Umsätze im Besteuerungszeitraum maßgebend sind. Auch scheint die generelle Aussage des zweiten Leitsatzes in der Begründung des Urteils in Rz. 32 auf Vorsteuerbeträge aus Gemeinkosten eingegrenzt zu werden.

Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch, der Nutzung oder der Erhaltung eines einheitlichen Gegenstandes stehen, der nur teilweise unternehmerisch genutzt wird, sind grundsätzlich nur in Höhe der unternehmerischen Verwendung für das Unternehmen bezogen (Aufteilungsgebot). Dabei ist vorrangig zu prüfen, ob die bezogene Leistung unmittelbar für die unternehmerische oder nichtunternehmerische Nutzung des Gegenstandes verwendet wird. Ist eine direkte Zuordnung im Zusammenhang mit der Verwendung des Gegenstandes nicht möglich, ist eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge analog § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen. Diese Aufteilung kann auf einer sachgerechten Schätzung beruhen (z.B. Aufteilungsmaßstab des Vorjahres), die erforderlichenfalls im Voranmeldungsverfahren oder in der Jahreserklärung anzupassen ist (vgl. Abschn. 15.2c. Abs. 2 Sätze 2 bis 5). An dieser Regelung hat sich durch das BMF-Schreiben v. 10.04.2014 nichts geändert. Zwar sind Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch, der Nutzung oder der Erhaltung eines einheitlichen Gegenstandes stehen, nicht zwingend Gemeinkosten (z.B. Austausch der Klimaanlage eines Fahrzeugs), jedoch lässt die Formulierung, dass erforderlichenfalls im Voranmeldungsverfahren oder in der Jahreserklärung die sachgerechte Schätzung anzupassen ist, offen, ob eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 3 UStG oder eine erstmalige endgültige Entscheidung über den Vorsteuerabzug (z.B. Benzinkosten) zu erfolgen hat.