EuGH zum eng verbundenen Umsatz

Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.03.2013, C-366/12, Klinikum Dortmund gGmbH

Praxisproblem

Der BFH hatte in seinem Vorabentscheidungsersuchen Zweifel geäußert, ob die Abgabe (Lieferung) von Medikamenten im Rahmen einer ambulanten Krankenhausbehandlung durch das Krankenhaus selbst, als auch im Rahmen einer ambulanten Heilbehandlung durch die angestellten Ärzte des Krankenhauses, die insoweit selbstständig tätig werden, einen mit einer Krankenhausbehandlung bzw. ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen und damit steuerfreien Umsatz nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) darstellt.

Die Zweifel des BFH stellten insbesondere auf die Frage ab, ob ein eng verbundener Umsatz nur dann vorliegen kann, wenn er von demselben Unternehmer erbracht wird, der auch die Krankenhausbehandlung bzw. ärztliche Heilbehandlung i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie erbringt.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine gemeinnützige GmbH, betreibt als Krankenhausträger ein Krankenhaus. In den Streitjahren (2005 und 2006) verfügte sie über eine sog. Institutsermächtigung gem. § 116a SGB V, die sie berechtigte, neben stationären Behandlungen auch ambulante Behandlungen durchzuführen. Ambulante Behandlungen wurden darüber hinaus auch durch die bei der Klägerin angestellten Krankenhausärzte durchgeführt, die dabei gem. § 116 SGB V aufgrund einer sog. persönlichen Ermächtigung tätig waren. In den Streitjahren behandelte die Klägerin Krebspatienten im Rahmen der sog. Chemotherapie. Die dabei an die Patienten verabreichten Zytostatika (Substanzen, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen und vor allem zur Behandlung von Krebs bei der Chemotherapie eingesetzt werden) wurden von der Klägerin in der von ihr betriebenen Krankenhausapotheke nach ärztlicher Verordnung individuell für den jeweiligen Patienten hergestellt. Die Klägerin verwendete die Zytostatika bei stationären Krankenhaus- und Heilbehandlungen in den Räumen des von ihr als Krankenhausträger betriebenen Krankenhauses. Die umsatzsteuerfreie Abgabe der Zytostatika für stationäre Leistungen der Klägerin war unstreitig. Die Klägerin ging davon aus, dass auch die Abgabe der in ihrer Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika für ambulante Behandlungen steuerfrei sei. Das Finanzamt ging demgegenüber aufgrund der Neuregelung in Abschn. 100 Abs. 3 UStR 2005 (jetzt Abschn. 4.14.6 Abs. 3 UStAE) von der Steuerpflicht der entgeltlichen Abgabe von Medikamenten für Tumorpatienten ab 2005 bei ambulanten Behandlungen aus.

Entscheidung

Der EuGH hat sich nur zu der dritten Vorlagefrage geäußert, ob „eng verbundene Umsätze“ nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie steuerbefreit sein können, wenn die Heilbehandlung selbst nicht nach dieser Vorschrift, sondern nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie (ab 01.01.2007: Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) steuerbefreit ist. Diese Frage hat er hinsichtlich der konkreten Fallgestaltung nicht abschließend entschieden.

Diese Frage bezieht sich auf Medikamentenlieferungen durch Krankenhausapotheken, soweit die Heilbehandlung durch selbstständig tätige (nach § 116 SGB V ermächtigte) Krankenhausärzte erfolgt. Die Einordnung des BFH, wonach die die Heilbehandlung durch selbstständig tätige (nach § 116 SGB V ermächtigte) Krankenhausärzte unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie fällt, hat der EuGH nicht in Frage gestellt.

Wie die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 26.09.2013 kommt auch der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Steuerbefreiung für ärztliche Heilbehandlungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie damit eng verbundene Umsätze grundsätzlich nicht erfasst. Dies entspricht auch der deutschen Verwaltungsauffassung.

Hinsichtlich der für Krebsbehandlungen notwendigen Lieferungen von Zytostatika hält der EuGH es allerdings für beachtlich, dass sich die Heilbehandlung und die Medikamentenlieferung in ein sog. „therapeutisches Kontinuum“ einfügen und die Zytostatika für die ambulante Krebsbehandlung unerlässlich sind, da die ärztliche Leistung ohne diese Medikamentenabgabe sinnlos wäre. Danach hält er es für nicht ausgeschlossen, dass die Heilbehandlungsleistung durch den Arzt und die Arzneimittelabgabe durch die Krankenhausapotheke in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht untrennbar sind. Die Erbringung dieser beiden Leistungen durch verschieden Leistungserbringer stehe der Annahme einer solchen Untrennbarkeit zwar entgegen. Die dem EuGH unterbreiteten Informationen ließen jedoch keine eindeutige Beurteilung zu.

Vorbehaltlich dieser Überprüfung durch den BFH könne die Verabreichung zytostatischer Medikamente unter den im Ausgangsverfahren in Frage stehenden Umständen nicht als steuerfrei angesehen werden. Dafür spreche auch der Umstand, dass auf Arzneimittel nach der 6. EG-Richtlinie ein ermäßigter Steuersatz angewandt werden könne und sie damit grundsätzlich einer gesonderten Mehrwertsteuerregelung unterliegen.

Praxishinweis

Anzumerken ist, dass der BFH die Steuerbefreiung für Medikamentenlieferungen im Rahmen ambulanter Behandlungen in Krankenhäusern nur für den Fall in Zweifel gezogen hatte, dass die Heilbehandlung durch selbstständig tätige (nach § 116 SGB V ermächtigte) Krankenhausärzte erfolgt (Fallgruppe 2). Zu den Medikamentenlieferungen im Rahmen ambulanter Krankenhausbehandlungen aufgrund sog. Institutsermächtigung nach § 116a SGB V bzw. zu der Frage, ob diese steuerpflichtig sind oder ob auch insoweit eine Heilbehandlung i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie vorliegt, äußert sich der EuGH – wie schon die Generalanwältin – nicht.

Der EuGH bestätigt zwar seine bisherige Rechtsprechung, dass es sich bei dem mit einer Krankenhausbehandlung und einer ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatz im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie nicht um eine Dienstleistung handeln muss, sondern dass dies auch eine Lieferung sein kann. Er hält jedoch auch an der früheren Rechtsprechung (vgl. EuGH, Urt. v. 23.02.1988, C-353/85, Slg. 1988, 817) fest, dass eine Steuerbefreiung für Gegenstände, die im Zusammenhang mit den unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie genannten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin geliefert werden, unzulässig ist. Denn anders als Buchstabe b beinhaltet Buchstabe c des Art. 13 Teil A Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie nicht die mit den Heilbehandlungsleistungen „eng verbundenen Umsätze“. In dem vorgenannten Urteil grenzt der EuGH die in Buchstaben b und c genannten medizinischen Leistungen voneinander ab und kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Steuerbefreiung für Gegenstände, die im Zusammenhang mit den unter Buchstabe c genannten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin geliefert werden, nicht durch Buchstabe b rechtfertigen lässt.

Folgerichtig kommt der EuGH im vorliegenden Urteil grundsätzlich zu dem Ergebnis, dass eine Steuerbefreiung für die Abgabe von Zytostatika im Rahmen einer ambulanten Behandlung, auch sofern ein „eng verbundener Umsatz“ i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie zu bejahen ist, nicht mit einer nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie steuerfreien Tätigkeit begründet werden kann.

Der BFH muss nunmehr feststellen, ob die Abgabe der Zytostatika im Rahmen der ärztlichen Heilbehandlung als in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der ärztlichen Heilbehandlung nicht trennbar angesehen werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung wäre die Medikamentenabgabe auch bei ambulanter Behandlung steuerfrei.