BFH zur Abgrenzung von Betriebsvorrichtungen und Bauwerken

Anmerkung zu: BFH, Urteil vom 28.08.2014, V R 7/14, Begriff des Bauwerks und der Betriebsvorrichtung

Praxisproblem

Nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG entsteht für „Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen“ die Steuer „mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats“. Hierfür schuldet der Leistungsempfänger gem. § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG a.F. „die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen i.S.d. Absatzes 2 Nr. 4 Satz 1 erbringt“. Nach Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 UStAE gehört zu den Bauleistungen auch der Einbau von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind und der gelieferte Gegenstand nicht ohne größeren Aufwand mit dem Bauwerk verbunden oder vom Bauwerk getrennt werden kann, z.B. Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinrichtungen. Fraglich ist, ob es in diesem Zusammenhang auf den Begriff der Betriebsvorrichtung ankommt.

Sachverhalt

In dem BFH-Verfahren V R 7/14 war streitig, wie der Begriff des Bauwerks auszulegen ist. Konkret ging es um eine Entrauchungsanlage für industrielle Großfeuerungsanlagen, speziell für sog. Zie-höfen. Die Anlage diente der Abfilterung der von den Ziehöfen ausgehenden Abwärme und der von ihnen abgegebenen Staubpartikel, um einen störungsfreien Betrieb der in den Werk- und Maschinenhallen von Produktionsunternehmen aufgebauten Ziehöfen zu gewährleisten. Die Klägerin baute die von ihr entwickelte Entrauchungsanlage in die Produktionshallen eines Kunden ein. Für den Einbau und die Montage nahm die Klägerin die Leistungen von zwei Fremdunternehmen in Anspruch, die ihre Leistungen gegenüber der Klägerin mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer abrechneten. Das Finanzamt war dagegen der Auffassung, dass die Klägerin für die von ihr von den beiden Firmen für Einbau und Montage bezogenen Leistungen Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 5Satz 2 UStG gewesen sei.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass Betriebsvorrichtungen keine Bauwerke i.S.v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG sind und es damit in entsprechenden Fällen nicht zur Verlagerung der Steuerschuldnerschaft kommt. Nach dem BFH-Urteil sind Bauwerke i.S.v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte, Sachen. Betriebsvorrichtungen (zum Begriff s. § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bew; § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) gehören nicht hierzu. In ein Bauwerk eingebaute Anlagen sind nach dem Urteil nur dann Bestandteil des Bauwerks, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind. Die Anlage muss hierfür eine Funktion für das Bauwerk selbst haben. Im Übrigen kommt nach Ansicht des Gerichts eine Auslegung des Begriffs des Bauwerks entsprechend der Baubetriebe-Verordnung nicht in Betracht.

Praxishinweis

In Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 UStAE werden als Bauleistungen z.B. der Einbau von Schaufensteranlagen genannt. Hierbei handelt es sich um Betriebsvorrichtungen. Das BFH-Urteil widerspricht somit der geltenden Verwaltungsauffassung.

Nach Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei Bauleistungen, einschließlich Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbruchleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken sowie die aufgrund des Art. 14 Abs. 3 MwStSystRL als Lieferung von Gegenständen betrachtete Erbringung bestimmter Bauleistungen der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet. Nach Rz. 16 seines Urteils erkennt der BFH die unionsrechtliche Bestätigung seiner Entscheidung in der Tatsache, dass von der Steuerbefreiung für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL explizit die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen entsprechend Art. 135 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL ausgenommen ist. Darunter subsumiert der BFH auch Betriebsvorrichtungen, die seiner Ansicht nach eigenen, von denen des Grundstückes verschiedenen Zwecken dienen.

Die Auffassung des BFH ist zutreffend, dass Betriebsvorrichtungen zu den auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen i.S.v. Art. 135 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL gehören. Somit ist eine analoge Anwendung dieser im Bereich der Steuerbefreiungen getroffenen Abgrenzung für Zwecke der Bestimmung des Steuerschuldners bei Bauleistungen wohl vertretbar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes, dass Begriffe, die der Richtliniengeber wiederholt in verschiedenen Vorschriften einer EU-Richtlinie verwendet, in gleicher Weise zu interpretieren sind.

Die MwStSystRL selbst definiert den Begriff des Grundstücks nicht. Ab dem 01.01.2017 umschreibt Art. 13b MwStVO in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 geänderten Fas-sung den Grundstücksbegriff für Zwecke der Anwendung der (gesamten) MwStSystRL wie folgt:

  • ein bestimmter über- oder unterirdischer Teil der Erdoberfläche, an dem Eigentum und Besitz begründet werden kann;
  • jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Bauwerk, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann;
  • jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie zum Beispiel Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge;
  • Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.

Entsprechend Buchstabe d gelten Betriebsvorrichtungen ab 2017 unionsrechtlich dann nicht als Grundstück, wenn sie nicht auf Dauer installiert sind oder bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Demnach dürften die der BFH-Entscheidung zu Grunde liegenden Entrauchungsanlagen für Ziehöfen keine Grundstücke sein, da ihr Einbau zu keiner Änderung des Bauwerks führt (vgl. Rz. 15 des BFH-Urteils).

Für Zwecke der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers führt das BFH-Urteil dazu, dass i.S.v. Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 UStAE zu den Bauleistungen der Einbau von Einrichtungsgegenständen oder Maschinenanlagen nur dann gehört, wenn diese wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes oder Bauwerks sind. Dies ist der Fall, wenn sie mit einem Gebäude oder Bauwerk fest verbunden sind, eine Funktion für das Bauwerk selbst haben und der gelieferte Gegenstand nicht bewegt werden kann, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.