FG Sachsen zur Bestimmung des Einfuhrabgabenschuldners und zur stillschweigenden Bevollmächtigung im Zollrecht

Anmerkung zu: Sächsisches FG, Urt. v. 27.11.2014 7 K 666/13; Bestimmung des Anmelders zur Identifizierung des Schuldners der Einfuhrumsatzsteuer bei stillschweigender Bevollmächtigung

Praxisproblem

Nach §§ 13a Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 201 Abs. 3 Satz 1 ZK ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer grundsätzlich der Anmelder. Bei der Anmeldung kann sich der Anmelder durch Dritte vertreten lassen. Bei der direkten Vertretung, d.h. beim Handeln im Namen und für Rechnung eines andern, wird gem. Art. 5 Abs. 1; Abs. 2, 1. Anstrich; Abs. 4 Unterabs. 1 ZK i.V.m § 21 Abs. 2 UStG derjenige, in dessen Namen die Zollanmeldungen abgegeben worden ist, Anmelder (Art. 4 Nr. 18 ZK) und damit auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Die wirksame Vertretung erfordert jedoch Vertretungsmacht, die grundsätzlich ausdrücklich zu erteilen ist. Ausnahmsweise kommt eine stillschweigende, konkludente Erteilung der Vertretungsmacht in Frage. Ob im Einzelfall eine stillschweigende Vollmacht erteilt worden ist, ist im Zweifel durch Auslegung der ausgetauschten Erklärungen unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu ermitteln.

Sachverhalt

Am 24.09.2012 erhielt der Kläger eine über die Homepage der Anwaltskanzlei R. übermittelte und an ihn weitergeleitete E-Mail von Herrn W., einem persönlichen Bekannten der Familie des Klägers. Dieser teilte unter der Anrede „hallo k..“ dem Kläger sinngemäß mit, dass ein für die Ehefrau des Klägers bestimmtes Geschenk an die Büroanschrift des Klägers übersandt worden sei. Im Rahmen des Abfertigungsprozesses übermittelte P am 25.09.2012 mit einer an das Büro der Anwaltskanzlei gerichteten E-Mail unter Bezugnahme auf die Frachtbriefnummer der Sendung AWB ... ein mit „Importanweisung“ überschriebenes Formular, in dem – offenbar als Kundenbezeichnung – die Anwaltskanzlei unter Angabe der Kanzleianschrift voreingetragen war. Darin wurde der „sehr geehrte Kunde“ aufgefordert, eine EORI-Nummer, eine Abfertigungsanweisung sowie eine genaue Warenbeschreibung zu übermitteln bzw. eine ggf. noch fehlende EORI-Nummer zu beantragen und eine Kopie des Antrags sowie einen Übertragungsnachweis zu übersenden, da „wir ohne diese Angaben Ihre Sendung nicht abfertigen können“. Der Kläger, an den diese Nachricht weitergeleitet worden war, beantragte am 25.09.2012 beim Informations- und Wissensmanagement Zoll eine EORI-Nummer unter seinem Namen, übermittelte P unter Angabe der Frachtbriefnummer AWB … sowie unter Bezugnahme auf “heutige E-Mail an Herrn F..“ (mit der Abfertigung befasster P-Mitarbeiter) eine Kopie seines Antrags. Mit E-Mail an Herrn F vom 25.09.2012 bezog sich der Kläger auf den mit Fax übersandten EORI-Antrag nebst Bestätigung, dass er gestellt sei, und teilte mit, er wisse nicht, welchen Inhalt die Sendung habe. Herr W sei ein Bekannter der Familie, der gemailt habe, es handle sich um ein Geschenk für die Ehefrau des Klägers. Das ihm übermittelte Formular „Importanweisung“ hat der Kläger weder ausgefüllt noch unterschrieben.

Am 26.09.2012 meldete P beim Zollamt des Beklagten eine aus dem Versendungsland China/Hongkong stammende Sendung in direkter Vertretung für den Kläger mit der Warenbezeichnung Statuetten aus unedlem Metall mit einem Zollwert von 671,20 € zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an. Das Zollamt nahm die Anmeldung ohne Vornahme einer Beschau und ohne Beanstandungen an, fertigte die Sendung wie beantragt ab, und setzte mit einem der P als aufgetretenem Vertreter übermittelten Einfuhrabgabenbescheid vom 26.09.2012 Einfuhrabgaben gegen den Kläger fest (Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 132,47 €).

Am 09.10.2012 übersandte P dem Kläger den Einfuhrabgabenbescheid zusammen mit einer Rechnung über 135,62 € und einer Handelsrechnung über 760 $. Mit hiergegen gerichtetem Einspruch vom 17.10.2012 brachte der Kläger vor, die Sendung sei ohne vorhergehende Vereinbarung durch Vermittlung des Herrn W mit dem Hinweis zugestellt worden, es sei ein Geschenk für die Ehefrau des Klägers. Der Kläger wies darauf hin, dass seine Ehefrau die Entgegennahme des Geschenks ablehne und zeigte sich bereit, den Gegenstand beim Zollamt M. abzuliefern. Mit Schreiben vom gleichen Tag informierte der Kläger P darüber, dass gegen den übersandten Steuerbescheid Einspruch eingelegt worden sei, machte geltend, P sei nicht zur Verauslagung der Einfuhrumsatzsteuer in seinem Namen beauftragt, und bat um Stornierung der Rechnung vom 09.10.2012. Mit Schreiben vom 19.12.2012 teilte D im Auftrag der P dem Kläger mit, er könne die ihm vorliegende Rechnung als gegenstandslos betrachten und bedauerte die „Unannehmlichkeiten, die Ihnen durch die Fehlleistung entstanden sind“.

Mit Bescheid vom 19.11.2012 hob der Beklagte den ursprünglichen Einfuhrabgabenbescheid vom 26.09.2012 auf, da P ohne Vertretungsmacht gehandelt habe und selbst als Abgabenschuldner in Anspruch genommen werde; dementsprechend erging unter dem 06.12.2012 ein Einfuhrabgabenbescheid gegenüber P. Im hiergegen gerichteten Einspruch machte P geltend, vom Kläger, dem die sendungsbegleitenden Papiere übermittelt worden seien, konkludent mit der Zollabwicklung beauftragt worden zu sein. Der Beklagte folgte dieser Auffassung und ging nunmehr davon aus, dass der Kläger durch Beantragung einer EORI-Nummer und aufgrund des E-Mail-Schriftwechsels der P konkludent Vertretungsmacht erteilt habe, hob die Abgabenfestsetzung gegenüber P auf, und nahm den Kläger erneut in Anspruch. Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Annahme einer konkludent eingeräumten Vertretungsmacht.

Entscheidung

Das FG Sachsen ist der Auffassung, dass zwar der Kläger gegenüber dem Beklagten bei der Zollanmeldung von P vertreten wurde, da dieses Unternehmen in der Zollanmeldung vom 26.9.2012 als Vertreter des Klägers aufgetreten ist. P hat die Anmeldung ausdrücklich als Vertreter unter Angabe eines direkten Vertretungsverhältnisses (Vertretung im Namen und für Rechnung eines Anderen) abgegeben und als Anmelder den Kläger angegeben. Damit ist P gem. Art. 5 Abs. 1; Abs. 2, 1. Anstrich; Abs. 4 Unterabs. 1 ZK als direkter Vertreter des Klägers aufgetreten, wodurch der Kläger formal Anmelder (Art. 4 Nr. 18 ZK) geworden ist.

Jedoch ist nach Auffassung des Sächsischen FG nicht davon auszugehen, dass die P über die notwendige Vertretungsmacht verfügte, im Namen des Klägers eine Zollanmeldung abzugeben (Art. 5 Abs. 4 ZK), da der Nachweis dafür, dass sie vom Kläger bevollmächtigt war, ihn bei der verfahrensgegenständlichen Zollanmeldung zu vertreten, nicht erbracht ist. Damit gilt P gem. Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 ZK i.V. mit § 21 Abs. 2 UStG als in eigenem Namen und für eigene Rechnung handelnd.

Eine ausdrückliche Vollmacht hat der Kläger der P nicht erteilt. Er hat das von P übersandte Formular „Importanweisung“ weder ausgefüllt noch unterschrieben. Insbesondere hat er nicht – wie in diesem Formular unter anderem vorgesehen – den Auftrag zur Verzollung der Ware in seinem Namen erteilt und auch nicht die am Ende des Formulars vorgedruckte Passage zur Bevollmächtigung angekreuzt („hiermit bevollmächtigte ich P Express die oben ausgewählte Abfertigungsanweisungen in unserem Namen und für unsere Rechnung (direkte Stellvertretung) für den angegebenen Empfänger zukünftig vorzunehmen“). Stattdessen ist er der an ihn gerichteten Rechnung der P vom 09.10.2012 entgegen getreten und hat mit seinem Schreiben vom 17.10.2012 geltend gemacht, die P habe keinen Auftrag gehabt, in seinem Namen die Einfuhrumsatzsteuer zu verauslagen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann auch keine stillschweigende Vollmachterteilung angenommen werden. Eine Vollmacht kann grundsätzlich formfrei erteilt werden, also auch mündlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten (vgl. BFH, Beschl. v. 15.07.2003, VII B 142/03, BFH/NV 2003, 1352), wenn etwa Aufgaben übertragen werden, deren ordnungsgemäße Erfüllung eine bestimmte Vollmacht erfordert (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 27.01.2010 4 K 97/07). Insbesondere soll nach einer verbreiteten Ansicht regelmäßig bei einem Spediteur, der vom Warenempfänger den Auftrag zur Erledigung der Zollformalitäten unter Überlassung der für die Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr erforderlichen Unterlagen (Lieferrechnung, Ursprungszeugnisse usw.) erhält, eine stillschweigende Bevollmächtigung anzunehmen sein, die Waren im Namen und für Rechnung des Auftraggebers in den freien Verkehr zu überführen (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.02.2012, 1 K 1098/08). Jedoch lassen die Umstände des vorliegenden Falles einen derartigen Schluss nicht zu, der Kläger habe der P stillschweigend Vertretungsmacht eingeräumt: Der Kläger hat der P keine Aufgaben übertragen, deren ordnungsgemäße Erfüllung eine bestimmte Vollmacht erfordert. Es kann dahingestellt bleiben, welche Person im konkreten Fall Auftraggeber von P war. Der Kläger jedenfalls war es nicht; weder er noch die Anwaltskanzlei standen in vertraglichen Beziehung zu P. Ebenso wenig unterhielt er eine laufende Geschäftsverbindung zu P, aus deren Gestaltung sich eine Bevollmächtigung entnehmen ließe. Auch hat der Kläger der P keinen Auftrag zur Erledigung der Zollformalitäten erteilt (verbunden mit einer Vollmacht, die Zollanmeldung in seinem Namen als Anmelder abzugeben). Die ihm übermittelte Importanweisung, die einen entsprechenden Verzollungsauftrag begründen könnte, hat der Kläger gerade nicht ausgefüllt und unterschrieben.

Auch das vom Beklagten herangezogene weitere Verhalten des Klägers gegenüber P im Vorfeld der Zollanmeldung rechtfertigt die Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung nicht: Dies gilt insbesondere für die Beantragung einer EORI-Nummer durch den Kläger. Die EORI-Nummer (Economic Operators´ Registration and Identification Number) ist eine in der Europäischen Union von den zuständigen Behörden vergebene einzige Nummer, die zur Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten und anderen Personen in ihren Beziehungen zu den Zollbehörden dient (Art. 4k Abs. 1 ZK-DVO). Es besteht die Pflicht zur Angabe der EORI-Nummer grundsätzlich nur für Wirtschaftsbeteiligte, somit für Personen, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit mit unter das Zollrecht fallenden Tätigkeiten befasst sind. Andere Personen als Wirtschaftsbeteiligte (Privatpersonen) sind grundsätzlich (zu Ausnahmen vgl. Art. 41 Abs. 4 ZK-DVO) nicht verpflichtet, in Zollanmeldungen eine EORI-Nummer anzugeben. Folglich lässt die Beantragung der EORI-Nummer allein keinen Schluss auf die Einräumung einer Vertretungsmacht zu, da sie keinen Bezug zu einem bestimmten Einfuhrvorgang und einen bestimmten Einführer aufweist, sondern einzig und allein dem Normzweck entsprechend der Identifizierung einer Person gegenüber den Zollbehörden dient.

Ein weitergehender Erklärungsgehalt lässt sich auch dem übrigen Verhalten des Klägers nicht hinreichend verlässlich entnehmen. P war angesichts der bestehenden Unklarheiten gehalten, sich mit dem Kläger erneut in Verbindung zu setzen, auf – noch fehlende – eindeutige und klare Äußerungen des Klägers zur Klarstellung von Inhalt und Umfang eines möglichen Auftrags sowie der Vertretungsmacht hinzuwirken, und ihn insbesondere zur vollständigen Ausfüllung und Ausfüllung des Formulars „Importanweisung“ anzuhalten.

Wenn die P – wie im Streitfall geschehen – unter derartig unklaren Umständen die Ware abfertigt und ausliefert, ohne dass die von ihr vorgesehenen Abfertigungsvoraussetzungen erfüllt waren, und ohne den Kläger zu einer gebotenen eindeutigen Klarstellung der Auftrags- und Vertretungsverhältnisse aufzufordern, lief sie damit Risiko, bei der Zollanmeldung unzutreffende Angaben zu machen. Dieses von ihr selbst geschaffene Risiko hat P zu tragen in der Gestalt, dass jedenfalls im vorliegenden Verfahren das Bestehen einer Vertretungsmacht der P für eine Zollanmeldung im Namen des Klägers nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann.

Praxishinweis

Das Sächsische FG hat in seiner Entscheidung die Risiken verdeutlicht, die im Rahmen der Vertretung bei der Zollanmeldung auftreten können. Im Hinblick auf die Frage, wann eine stillschweigende Bevollmächtigung angenommen werden kann, handelt es sich bei diesem Urteil zunächst um eine Einzelfallentscheidung, da die Frage, ob im Einzelfall eine stillschweigende Vollmacht erteilt worden ist, durch Auslegung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu ermitteln ist. Die über den Fall hinausgehende Bedeutung dürfte darin liegen, dass die Beantragung einer EORI-Nummer durch den angeblich Vertretenen kein Aspekt ist, der zu einer Bevollmächtigung des Vertreters führt.

Das Urteil zeigt aber vielmehr die für den Vertreter entstehenden Risiken auf, wenn seine Bevollmächtigung nicht ordnungsgemäß festgehalten wird. Der Bevollmächtigte wird selbst zum Anmelder und damit Abgabenschuldner, wenn er nicht sicherstellt, dass er seine Bevollmächtigung nachweisen kann. Um die Bevollmächtigung in jedem Einzelfall sicher nachweisen zu können, sind betriebliche Abläufe erforderlich, die eine Anmeldung erst dann gestatten, wenn die Bevollmächtigung – als ein Aspekt – nachweislich vorliegt.

Die Entscheidung zeigt andererseits aber auch auf, dass die Zollverwaltung trotz des Fehlers des Vertreters verfahrensrechtliche Möglichkeiten versäumt hat, den Vertreter oder den angeblichen Vertretenen als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer in Anspruch zu nehmen. Die Zollverwaltung hat den zunächst erlassenen Steuerbescheid gegen den Vertreter aufgehoben, ohne von Möglichkeiten wie der Hinzuziehung (im Vorverfahren) Gebrauch zu machen. Dadurch konnten sich widersprechende Entscheidungen (Annahme einer Bevollmächtigung im Verfahren gegenüber dem Vertreter; Verneinung der Bevollmächtigung im Verfahren gegenüber dem angeblich Vertretenen) erlassen werden. Eine geschickte Prozessführung im Einspruchsverfahren kann also selbst einen „in der Sache verlorenen Fall“ noch retten.