FG München zu Berichtigungszeitraum für Gutschriften und Rechnungen

Anmerkung zu: FG München, Urt. v. 5.11.2014, 3 K 3209/11; Entscheidung über die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt Gutschriften berichtigt werden dürfen und bis zu welchem Zeitpunkt eine Rechnungsberichtigung zum Erhalt des Vorsteuerabzugs erfolgt sein muss.

Praxisproblem

Macht ein Unternehmer den Vorsteuerabzug aus selbst erstellten Gutschriften geltend und stellt sich Jahre später heraus, dass die Gutschriften nicht den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG entsprechen, so wird der Unternehmer die Gutschriften berichtigen wollen, um sich den Vorsteuerabzug zu erhalten. Das Gesetz macht keine Vorgaben, wie lange der Unternehmer berechtigt ist, Gutschriften zu berichten. Das FG München hat nun in Anlehnung an die zivilrechtliche Verjährungsfrist von drei Jahren entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist auch für die Berichtigung von Gutschriften gilt.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft. Ihr Geschäftsgegenstand ist das Recycling, insbesondere von Schrott und Metallen sowie der Groß- und Einzelhandel mit Schrott und Metallen. Die Klägerin machte einen Vorsteuerabzug von 6.372,86 € aus 38 durch Gutschrift abgerechneten angeblichen Lieferungen eines A geltend. A gab keine Steuererklärungen und Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Jahre 2000 bis 2010 ab. Nach Durchführung einer Außenprüfung versagte das FA den Vorsteuerabzug aus den von der Klägerin an A insgesamt erstellten 38 Gutschriften.

Nach durchgeführtem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung Klage. Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sie den Vorsteuerabzug aus den Gutschriften zu Recht vorgenommen habe. Beim Gutschriftsempfänger A handele es sich um einen Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne, der die Ware an die Klägerin geliefert habe. Er sei als Unternehmer gegenüber der Klägerin aufgetreten und er habe der Klägerin auch entsprechende Belege zum Nachweis seiner Unternehmereigenschaft und seiner steuerlichen Erfassung beim Finanzamt vorgelegt. Allein die Berufung auf die Aussage des A in seiner Beschuldigtenvernehmung, in der er behaupte, sein Handeln als „Schreiber“ sei so offensichtlich gewesen, dass es jedem hätte auffallen müssen, reiche nicht aus, um von Scheinlieferungen und einem Scheinunternehmer auszugehen. Auch die anderen vom FA vorgebrachten äußeren Umstände, wie das Fehlen eines Führerscheins bei A, seien keine objektiven Anhaltspunkte; denn mit dem Transport der Ware hätte auch eine andere Person beauftragt werden können.

Sodann beantragte die Klägerin beim FA, die Umsatzsteuer für 2003 aus Billigkeitsgründen i.H.v. 6.372,98 € nebst Zinsen i.H.v. 1.238 € abweichend festzusetzen. Das FA lehnte diesen Antrag ab. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass das Ermessen des FA zur abweichenden Festsetzung der Umsatzsteuer für 2003 im Streitfall auf Null reduziert sei, weil die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts vorliegend eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen verlangen würden. Die Klägerin habe alles getan, was von ihr verlangt werden könne, um die Einhaltung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sicher zu stellen. Die Klägerin sei auch gutgläubig gewesen und habe auf die im Handelsverkehr üblichen Angaben, die A ihr gegenüber gemacht habe, vertraut.

Im Rahmen seiner Gegenäußerung trägt das FA im Wesentlichen vor, dass es ausschlaggebend sei, dass es der Klägerin bekannt gewesen sei, dass A nur ein „Schreiber“ gewesen sei und der Schrott tatsächlich nicht von ihm geliefert worden sei. A habe lediglich dafür Geld erhalten, die auf ihn ausgestellten Belege zu unterschreiben, ohne dass die darin ausgewiesenen Beträge tatsächlich an ihn bezahlt worden seien und ohne dass er die fraglichen Lieferungen tatsächlich vorgenommen habe. A sei deshalb vom Landgericht Augsburg wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden.

Die Klägerin wurde vom Gericht darauf hingewiesen, dass die in den 38 Gutschriften angegebene Anschrift des A in der X-Str. 3 in Y für das Streitjahr 2003 nicht zutreffend erscheint und der Vorsteuerabzug bereits deshalb zu versagen sein könnte. In der mündlichen Verhandlung übergab die Klägerin dem Gericht Nachweise, dass dem A berichtigte Gutschriften zugeleitet worden seien, die die richtige Anschrift Z-Str. 4 enthalte.

Entscheidung

Nach Auffassung des FG München ist die Klage unbegründet. Die Klägerin kann weder die von ihr begehrten Vorsteuern zum Abzug bringen, noch hat sie einen Anspruch auf eine abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer für 2003 aus Billigkeitsgründen wegen der Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Gutschriften gegenüber A.

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S.d. 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG gilt als – zum Vorsteuerabzug berechtigende – Rechnung auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer über eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird. Die Klägerin kann nach Auffassung des FG München die Vorsteuern aus den Gutschriften an A schon deshalb nicht zum Abzug bringen, weil der Sitz des Unternehmens des A an der dort angegebenen Anschrift „X-Str. 3, Y“, zum Zeitpunkt der (angeblichen) Leistungserbringung und Rechnungstellung im Jahr 2003 tatsächlich nicht bestanden hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Abzug der in einer Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz einer GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden hat (BFH, Urt. v. 06.12.2007, V R 61/05)

Die unrichtigen Gutschriften konnten von der Klägerin auch nicht mehr gegenüber A berichtigt wer-den. Die in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin übergebenen Nachweise vom 31.10.2014 und vom 03.11.2014 über eine Übergabe der Berichtigung der 38 Gutschriften an A hinsichtlich der unrichtigen Angabe des Geschäftssitzes führen nicht zu der Rechtsfolge, dass die inhaltlich falschen Gutschriften damit rückwirkend wirksam werden. Allgemein kann eine Rechnung zwar nach § 31 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder wenn Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Da das Gesetz in § 14 Abs. 2 UStG von der Gleichbehandlung von Rechnung und Gutschrift ausgeht, muss dies grundsätzlich auch für die Möglichkeiten der Berichtigung von Gutschriften gelten.

Das Umsatzsteuergesetz sieht allerdings weder eine Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG gegenüber einer Gutschrift, noch eine Frist für die Möglichkeit der Berichtigung einer Rechnung oder Gutschrift vor. Dass derartige nachträgliche, rechtswirksame Handlungen aber nicht für alle Zeit möglich sein können, liegt nach Überzeugung des Gerichts gerade bei der Gutschrift auf der Hand. Der Sachverhalt des Streitfalls zeigt dies anschaulich, denn A könnte als Gutschriftsempfänger allein durch den Empfang der berichtigten Gutschriften und dem Versäumen des Widerspruchs eine erneute Steuerhinterziehung nach § 370 AO (oder den Versuch einer solchen) begehen, ohne dass er dazu eine einzige eigene Handlung vornehmen müsste. Bei der Berichtigung einer Rechnung hätte er immerhin selber zwecks einer Berichtigung tätig werden müssen, bei der Gutschrift erfolgt das aber durch den Leistungsempfänger. Dass dies nicht auf unbestimmte Zeit in die Zukunft hinein möglich sein kann, wird im Streitfall auch deshalb deutlich, weil A in seinen vorangegangenen Vernehmungen die Vornahme von Lieferungen an die Klägerin stets bestritten hat und sich selber als bloßen „Rechnungsschreiber“ betitelt hat. Er ist dann vom Landgericht Y wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten aus dem Grund verurteilt worden, „weil er den Betrieb eines Schrott- und Metallhandels vorgetäuscht hatte, obwohl er einen solchen tatsächlich nicht unterhalten hatte“. Gegenstand dieses Urteils sind zwar nicht die hier streitigen Lieferungen an die Klägerin, A hat die Ausführung der Lieferungen an die Klägerin aber gleichfalls bestritten.

Mit dem einseitigen Akt der Gutschriftsberichtigung würde A nun konkludent zu erkennen geben, dass er die streitigen Lieferungen auch tatsächlich ausgeführt hat. Zwar könnte er das durch einen Widerspruch gegen die berichtigte Gutschrift i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG beheben, der steuerlich unerfahrene Gutschriftsempfänger wird um diese Möglichkeit aber im Zweifel nach dem Ablauf vieler Jahre nicht wissen und eine Hinweispflicht auf die Möglichkeit des Widerspruchs sieht das Gesetz nicht vor. Im Ergebnis würde diese Situation ohne Geltung einer Frist dazu führen, dass Gutschriftsempfänger über Jahre hinweg alle empfangenen Gutschriften hinsichtlich des Eingangs von Berichtigungen „überwachen“ müssten. Insoweit muss der Möglichkeit der Berichtigung von Gutschriften genauso wie der des Widerspruchs gegen Gutschriften schon aus Gründen der Rechtssicherheit die Verjährung oder Verwirkung des Berichtigungsrechts sowie des Widerspruchsrechts entgegen gehalten werden können.

Mangels einer gesetzlichen Regelung einer Frist für die Vornahme der vorgenannten Handlungen sieht der BFH hier bei der Möglichkeit des Widerspruchs gegen erhaltene Gutschriften die regelmäßige zivilrechtliche Verjährung des § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als einschlägig an (BFH, Urt. v. 19.05.1993, V R 110/88). Diese regelmäßige Verjährung des § 195 BGB betrug zwar in Bezug auf die vom BFH zu entscheidenden Streitsachen noch 30 Jahre, nach der Änderung des § 195 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist aber nur noch drei Jahre. Diese Frist ist mangels einer anderen gesetzlichen Regelung auch im Streitfall anzuwenden (so auch das Thüringer Finanzgericht, Urt. v. 25.05.2011, 1 K 1006/09, EFG 2012, 375), zudem muss für die Länge der Frist zur Berichtigung von Gutschriften Gleiches wie für die Frist der Ausübung des Widerspruchsrechts gegen Gutschriften gelten. Eine rechtswirksame Berichtigung der Gutschriften im Jahr 2014 war deshalb nicht mehr möglich.

Vorliegend war die Berichtigung der unrichtigen Gutschriften mit Wirkung für das Streitjahr auch deshalb nicht mehr möglich, weil diese erst im Klageverfahren und damit nach dem Ergehen der Einspruchsentscheidung (hier vom 19.10.2011) als letzte Verwaltungsentscheidung erfolgte. Nach der Rechtsprechung des EuGH verbietet es das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zwar nicht, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen. Wenn alle für das Recht auf Vorsteuerabzug notwendigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, kann ihm dieses Recht daher grundsätzlich nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass die ursprüngliche Rechnung einen Fehler enthielt (EuGH, Urt. v. 15.07.2010, C-368/09, Pannon Gép Centrum, DStR 2010, 1475). Die Steuerbehörde muss mithin zu dem Zeitpunkt, in dem sie das Recht auf Vorsteuerabzug verweigert, über alle Informationen verfügen, die für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erforderlich sind. Im Streitfall sind die notwendigen Informationen, mit denen die Rechnungen (hier: Gutschriften) „vervollständigt und in Ordnung gebracht“ werden sollten, aber erst vorgelegt wurden, nachdem das FA seine ablehnende Entscheidung über den Vorsteuerabzug erlassen hatte, so dass vor Erlass dieser Entscheidung die dem FA zugeleiteten Gutschriften noch nicht berichtigt worden waren, damit diese die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sowie ihre Kontrolle sicherstellen konnten.

Über das hinausgehend scheitert die Klage auch daran, dass A zum Zeitpunkt der angeblichen Leistungserbringung auch in der Z-Str. 4 keinen Geschäftssitz hatte. Die Berichtigung einer Rechnung oder Gutschrift erfordert es, dass ursprünglich unrichtige Angaben richtig gestellt werden. Vorliegend können die unrichtigen Angaben daher nicht durch eine weitere unrichtige Angabe ersetzt werden, deshalb stellt hier die bloße Nennung der Adresse der Wohnung des A keine wirksame Berichtigung dar. Im Übrigen wäre die Klage auch deshalb unbegründet, weil A keine Lieferungen an die Klägerin erbracht hat, dieser hat die abgerechneten „Lieferungen“ von Metall nicht an sie ausgeführt. Insoweit fehlt es für den Vorsteuerabzug an dem Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 1 UStG der „Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind“. Da der Klägerin – jedenfalls – in Bezug auf die Adresse des A in der X-Str. 3 kein Vertrauensschutz zukommt, war auch keine Billigkeitsentscheidung gem. § 163 AO zu Gunsten der Klägerin zu treffen.

Praxishinweis

Das FG München hat in seiner Entscheidung die für die tägliche Praxis sehr bedeutsame umsatzsteuerliche Fragen beantwortet, wie lange Gutschriften berichtigt werden können und bis wann eine Rechnungsberichtigung den Vorsteuerabzug (mit Rückwirkung) unberührt lässt. Für die Gutschriftsberichtigung orientiert sich das FG München, wie zuvor das Thüringer FG (Urt. v. 25.05.2011 1 K 1006/09) an der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Es stellt sich aber die Frage, ob auch der BFH – sollte es zur Revision kommen – dieser Fristvorgabe folgen wird. Zunächst handelt es sich bei der Fristvorgabe um ein obiter dictum des FG München, d.h. um eine nicht entscheidungserhebliche Beantwortung einer Rechtsfrage, da der Vorsteuerabzug aus diversen anderen Gründen ausgeschlossen war (fortwährende falsche Adresse des Leistenden auf der berichtigten Gutschrift; keine nachweisbare Leistung). Die dreijährige Verjährungsfrist ist auch deshalb bedenklich kurz, da Außenprüfungen oftmals erst nach Ablauf von drei Jahren seit Erstellung der Gutschriften erfolgen. Es ist daher gut möglich, dass der BFH – sollte er in dieser Frage entscheiden – eine andere, längere Frist für angebracht hält. Zur Vermeidung von Risiken im Bereich des Vorsteuerabzugs sollten dennoch bereits bei Ausstellung der Gutschriften diese auf Vollständigkeit der Voraussetzungen der §§ 14, 14a UStG überprüft werden und beim Auftreten von Unregelmäßigkeiten bis spätestens drei Jahre nach erstmaliger Ausstellung korrigiert werden. Es ist jedenfalls unwahrscheinlich, dass der BFH eine kürzere Frist als die vom FG München aufgestellten drei Jahre vorsehen wird.

Soweit das FG München außerdem darüber befunden hat, dass die Berichtigung von Gutschriften bzw. Rechnungen mit Rückwirkung hinsichtlich des Vorsteuerabzugs nur bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung möglich ist, so nimmt die Entscheidung das zu erwartende Urteil des EuGH in der Rechtssache Senatex GmbH gegen das Finanzamt Hannover-Nord (C-518/14) vorweg. Die Entscheidung des FG München kann insoweit als nicht mehr als eine Prognose verstanden werden. Gewissheit wird allein der EuGH bringen. Sollten Fälle in diesem Bereich auftreten, ist dafür Sorge zu tragen, dass entweder ordnungsgemäß berichtigte Rechnungen bis zur Einspruchsentscheidungen eingereicht werden, oder verfahrensrechtliche Mittel ausgeschöpft werden, wie z.B. die Beantragung des Ruhens des Einspruchsverfahrens, um nachteilige Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug zu vermeiden.