EuGH zur Steuerfreiheit von Vermietungen und Verpachtungen

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 22.01.2015, C-55/14, Régie communale autonome du stade Luc Varen-ne

Praxisproblem

Nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a ist UStG die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Eine Grundstücksvermietung liegt vor, wenn dem Mieter zeitweise der Gebrauch eines Grundstücks gewährt wird (§ 535 BGB). Dies setzt voraus, dass dem Mieter eine bestimmte, nur ihm zur Verfügung stehende Grundstücksfläche unter Ausschluss anderer zum Gebrauch überlassen wird. In dem dem EuGH-Verfahren zugrunde liegenden Fall wurde ein Fußballstadion vermietet. Fraglich war, ob dies ebenfalls eine steuerfreie Grundstücksvermietungsleistung darstellen kann, wenn neben der eigentlichen Grundstücksüberlassung noch weitere zahlreiche Dienstleistungselemente hinzukommen, auf die auch der größte Teil des Entgelts entfällt.

Sachverhalt

Das belgische Vorabentscheidungsersuchen betraf den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gem. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL). Es ging um die – insbesondere für den Vorsteuerabzug bedeutsame – Frage, ob die Überlassung eines Fußballstadions wie im Ausgangsverfahren eine steuerfreie Grundstücksvermietung oder eine steuerpflichtige Einräumung von Nutzungsrechten an Sporteinrichtungen darstellt.

Die Klägerin überließ entgeltlich ein Fußballstadion an einen Fußballverein. Der Vertrag sah vor, dass der Fußballverein nur eine zeitweilige (bis 18 Tage pro Sportsaison) Nutzungs- und Bewirtschaftungsbefugnis pro Jahr hatte. Des Weiteren hatte sich die Klägerin vorbehalten, identische Rechte an andere Nutzer des Stadions zu übertragen, jederzeit und ohne vorherige Einverständnis des Fußballvereins die Einrichtung betreten zu können und den Zugang zu den Einrichtungen permanent zu kontrollieren, auch während des Zeitraums der Nutzung durch den Fußballverein. Von dem erzielten Entgelt fielen 80 % auf u.a. den Unterhalt, die Reinigung, die Wartung und die regelgerechte Bereitstellung der Spielfläche und 20 % auf das Zugangsrecht zum Fußballfeld.

Die belgische Finanzbehörde war mit Blick auf den Vorsteuerabzug der Auffassung, mit den streitigen Leistungen sei die Klägerin als ein sog. gemischt Steuerpflichtiger i.S.v. Art. 46 des B-MwStG anzusehen, der sowohl steuerpflichtige, steuerfreie als auch nicht in den Anwendungsbereich der MwSt fallende Umsätze tätige. Die Klägerin war der Ansicht, die Überlassung der Einrichtungen an den Fußballverein weise nicht die Merkmale einer Vermietung von Grundstücken auf, so dass die Steuerbefreiung nicht anwendbar sei und sämtliche ihrer Leistungen als einheitliche steuerpflichtige Dienstleistung mit Vorsteuerabzugsrecht anzusehen seien. Die für die Vertragsparteien wesentliche Leistung der Klägerin bestehe nicht in der passiven, nur auf Zeitablauf gebundenen Überlassung der Sporteinrichtungen, sondern in der Einräumung des Rechts auf Zugang und auf Nutzung des Stadions zur Veranstaltung von Fußballspielen. Nach dem zwischen der Klägerin und dem Fußballverein geschlossenen Vertrag fehle es am wesentlichen Merkmal der Vermietung eines Grundstücks, nämlich einer Grundstücksüberlassung auf Dauer, da die Einrichtungen dem Verein nicht für bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt würden, sondern nur zu einem bestimmten Zweck (dem des jeweiligen Fußballspiels).

Entscheidung

Der EuGH hat unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung entschieden, dass das grundlegende Merkmal des Begriffs „Vermietung von Grundstücken“ i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie darin besteht dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als sei er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung dieser Definition entspricht, sind alle Merkmale des Umsatzes sowie die Umstände zu berücksichtigen, unter denen er erfolgt. Maßgebend ist nach Ansicht des Gerichts insoweit der objektive Inhalt des Umsatzes, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben. Die Vermietung eines Grundstücks i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie setzt voraus, dass sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind, die diesen Umsatz kennzeichnen, d.h., dass der Vermieter eines Grundstücks dem Mieter gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, das Grundstück in Besitz zu nehmen und andere von ihm auszuschließen.

Mit Bezug auf seine bisherige Rechtsprechung zur Vermietung von Sportanlagen kommt der EuGH im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass grundsätzlich keine Grundstücksvermietung vorliegt, überlässt aber dem Vorlagegericht die Letztentscheidung. Bedeutsam für den EuGH ist, dass der weitaus größte Betrag des Entgelts nicht für die eigentliche Nutzungsüberlassung einer Grundstücksfläche gezahlt wird. Ausschlaggebend ist offensichtlich, dass der EuGH die vereinbarte Nutzungsdauer von lediglich 18 Tagen in Anbetracht sämtlicher übriger Umstände als eine eher gelegentliche und vorübergehende Nutzungsüberlassung einstuft, was ein Indiz dafür sei, dass der Umsatz als einheitliche Dienstleistung und nicht als Vermietungsleistung zu beurteilen ist.

Praxishinweis

Nach Abschn. 4.12.11 Abs. 1 UStAE ist die Überlassung von Sportanlagen durch den Sportanlagenbetreiber an Endverbraucher eine einheitliche steuerpflichtige Leistung. Die geltende Verwaltungsauffassung wird somit durch das vorliegende Urteil bestätigt. Ein Fall der Zwischenvermietung, bei dem ein Unternehmer eine gesamte Sportanlage einem anderen Unternehmer als Betreiber zur Überlassung an Dritte überlässt und bei dem die Nutzungsüberlassung an diesen Betreiber in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen ist (vgl. Abschn. 4.12.11 Abs. 2 UStAE), war im Ausgangsfall nicht gegeben.

Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung ist der Begriff der Grundstücksvermietung dahin auszulegen, dass im Wesentlichen dem Mieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer sei und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Im vorliegenden Fall hat der EuGH diese Grundsätze bestätigt und für die Beurteilung des Einzelfalls auf die Zuständigkeit des nationalen Gerichts verwiesen. Ausschlaggebend für den EuGH, keine Grundstücksvermietung anzunehmen, war die Zahl der neben der eigentlichen Überlassung der Spielfläche erbrachten Leistungen und der dafür gezahlte Entgeltanteil. Auch im vorliegenden Fall geht der EuGH wie schon in früheren Entscheidungen bei vergleichbaren Sachverhalten, in denen eine Vielzahl von Leistungen erbracht wurde, von einer einheitlichen Leistung und nicht von einem Leistungsbündel mit mehreren Hauptleistungen aus.

Im vorliegenden Fall dürfte somit auch keine grundstücksbezogene Dienstleistung vorliegen, wenn die Überlassung der Grundstücksfläche (hier des Spielfelds) dem Leistungsinhalt nicht das Gepräge gibt, sondern es sich um eine komplexe Leistung handelt, bei der die Vermietung eines Grundstücks nicht das zentrale Leistungselement darstellt. Dies kommt nach geltender Verwaltungsauffassung bereits bei der Überlassung von Standflächen auf Messen und Ausstellungen zum Ausdruck. Bei solchen Überlassungsleistungen durch die Veranstalter an die Aussteller handelt es sich zwar grundsätzlich um sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück. Werden neben der Überlassung von Standflächen weitere Leistungen an die Aussteller erbracht und sind diese Leistungen insgesamt als einheitliche Leistung anzusehen – sog. Veranstaltungsleistung –, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG, wenn der Leistungsempfänger ein Leistungsempfänger i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG ist (vgl. Abschn. 3a.4 Abs. 1 und 2 UStAE). Nach dem EuGH-Urteil könnte der Schluss zu ziehen sein, dass diese Auffassung auch bei der Überlassung von Kompletteinrichtungen wie im Vorlagefall eines Fußballstadion oder z.B. eines Veranstaltungscenters anzuwenden ist. Überlässt ein Unternehmer z.B. einem Kongressveranstalter ein komplettes Veranstaltungszentrum einschließlich des gesamten dafür erforderlichen Equipments und werden daneben noch weitere Dienstleistungen vor, während und nach der Veranstaltung erbracht, wäre auch insoweit eine einheitliche Leistung anzunehmen, die nicht im Zusammenhang mit einem Grundstück steht, sondern unter die Grundregel nach § 3a Abs. 2 UStG fällt. Derartige Leistungen gegenüber im Ausland ansässigen Unternehmern wären dann in Deutschland nicht steuerbar, selbst wenn das Grundstück, das mit der Leistung in Verbindung steht, im Inland belegen ist.