FG Hamburg zur Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen

Anmerkung zu: FG Hamburg, Beschl. v. 20.10.2014, 2 V 214/14 (rechtskräftig), Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen, Feststellungslast bei Versagen des Vorsteuerabzugs aus „Scheinrechnungen“

Praxisproblem

Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG muss eine Rechnung u.a. die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung enthalten. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG muss in der Rechnung zudem der Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung genannt sein. Gemäß § 14 Abs. 6 Nr. UStG i.V.m. § 31 Abs. 5 UStDV kann eine Rechnung berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Die Rechtsprechung ist derzeit hinsichtlich der Frage, ob eine derartige Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkt, noch uneinheitlich.

Sachverhalt

Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2013 gelangte das Finanzamt im Streitfall zu der Einschätzung, dass der Vorsteuerabzug aus verschiedenen Rechnungen über den tatsächlich erfolgten Bau einer Produktionshalle zu versagen sei. Die Rechnungen der Firmen A und C seien bereits formell nicht ordnungsgemäß, da die Angabe des Leistungszeitraums fehle und die Leistungsbeschreibung unzulänglich sei. Überdies handele es sich um Scheinrechnungen, da die Leistungen in Wirklichkeit von einem Bauunternehmer D und nicht von den Firmen A oder C erbracht worden seien.

Gegen die entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung, welche das Finanzamt mit Bescheid vom 23.07.2014 ablehnte. Der Einspruch ist bisher nicht beschieden. Am 30.07.2014 hat die Klägerin beim Finanzgericht Aussetzung der Vollziehung beantragt. Am 07.10.2014 hat sie Unterlagen zur Rechnungsberichtigung der Rechnungen von C bei Gericht eingereicht.

Entscheidung

Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist nach Auffassung des Finanzgerichts der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der C begründet; aus den Rechnungen der A ist er hingegen unbegründet.

Die Rechnungen der A über die von der A erbrachten Leistungen sind formell mangelhaft, da sie den Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht nennen. Für die Leistungen der A liegt lediglich ein mit „Kostenaufstellung und Terminplan“ überschriebenes, undatiertes Dokument vor. Terminpläne über geplante „Soll“-Leistungszeitpunkte weichen jedoch erfahrungsgemäß gerade in der Baubranche erheblich vom tatsächlichen Baufortschritt ab, sodass aus ihnen nicht mit hinreichender Gewissheit der tatsächliche Leistungszeitpunkt einzelner Bauleistungen zu entnehmen ist.

Die Rechnungen der A enthalten bei summarischer Prüfung zudem keine leicht nachprüfbaren Leistungsbeschreibungen. Als Leistungsbeschreibung enthalten die Rechnungen lediglich Begriffe wie z.B. „Bodengutachten“, „Gerüstbauarbeiten“ oder „Maurerarbeiten“, oftmals versehen mit einer Prozentzahl, wie z.B. „50%“. Der Leistungsgegenstand ist daher in den Rechnungen nicht hinreichend konkret beschrieben, so dass eine leichte und eindeutige Kontrolle der abgerechneten Leistung durch das Finanzamt zur Vermeidung einer mehrfachen Abrechnung derselben Leistung nicht ermöglicht wird. Auch kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sich die Leistungsgegenstände unter Zuhilfenahme des Generalunternehmervertrags, der Baubeschreibung des Architekten sowie der Kostenaufstellung und des Terminplans der Firma A hinreichend entnehmen lassen, da es insoweit an der erforderlichen Bezugnahme und eindeutigen Bezeichnung dieser Dokumente in den Rechnungen der Firma A fehlt.

Zwar weisen die ursprünglichen Rechnungen der C die gleichen o.g. Mängel hinsichtlich des Leistungszeitpunkts und des Leistungsgegenstands auf. So nennen die ursprünglichen Rechnungen der Firma C keine Leistungszeitpunkte und der Leistungsgegenstand wird mit Leistungsbeschreibungen wie z.B. „Tischlerarbeiten/Fensterbau“ oder „Heizung Lüftung Sanitär“ nur rudimentär umrissen. Die Firma C hat jedoch mit Schreiben vom 06.10.2014 in tabellarischer Form und unter Bezugnahme auf die jeweiligen Rechnungen mit Datum und Rechnungsnummer die Rechnungen hinsichtlich des Leistungszeitpunktes und der Leistungsbeschreibung berichtigt.

Nach Auffassung des FG Hamburg wirkt die mit der Rechnungsberichtigung der Firma C lediglich nachgeholte Nennung von Bezugsdokumenten zur Präzisierung der Leistungsbeschreibung (Bauvertrag, Angebot, Leistungsbeschreibung des Architekten) sowie die nachgeholte Nennung des Leistungsmonats nach den EuGH-Urteilen vom 15.07.2010, C-368/09, Pannon Gép und vom 08.05.2013, C-271/12, Petroma Transports auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserstellung zurück. Auch erfolgte die Rechnungsberichtigung nach Auffassung des FG Hamburg „vor Erlass“ der Behördenentscheidung, da das Einspruchsverfahren beim Finanzamt noch nicht abgeschlossen ist. Eine rückwirkende Rechnungsberichtigung scheide auch nicht deshalb aus, weil die Rechnungsberichtigung auch den Leistungsgegenstand betraf und damit eventuell eine Mindestanforderung an eine Rechnung im Sinne der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH, Beschl. v. 20.07.2012, V B 82/11) gegeben ist, da der Leistungsgegenstand in den ursprünglichen Rechnungen zumindest rudimentär umrissen sei und mit der Rechnungsberichtigung lediglich die ausdrückliche Nennung von Bezugsdokumenten zur Präzisierung der Leistungsbeschreibung nachgeholt wird. Insoweit handelt es sich nicht um den Fall einer fehlenden Rechnung.

Ein Vorsteuerabzug scheidet nach Auffassung und summarischer Prüfung des FG Hamburg vorliegend auch nicht deshalb aus, weil es sich ggf. um Scheinrechnungen handelt und die Leistungen eigentlich vom Bauunternehmer D erbracht wurden. Insoweit trägt die Finanzverwaltung die Feststellungslast dafür, dass der Steuerpflichtige von seiner Einbeziehung in einen Umsatzsteuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen. Zur Versagung des Vorsteuerabzugs muss die Finanzverwaltung konkrete Anhaltspunkte vorbringen. Die nachträglichen Erkenntnisse im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung von Ungereimtheiten reichen allein nicht aus. Der Steuerpflichtige muss keinen „Negativbeweis“ dahingehend erbringen, dass er keine Anhaltspunkte für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden bzw. die Leistung hatte.

Praxishinweis

Nach der abweichenden Auffassung des Niedersächsischen FG (Urt. v. 23.10.2014, 5 K 140/14; das Verfahren ist beim EuGH unter dem Az. C-518/14 anhängig) entfaltet eine Rechnungskorrektur keine Rückwirkung, wenn in der erstmals ausgestellten Rechnung der Leistende, der Leistungsempfänger, die Leistungsbeschreibung oder die Angaben zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer nicht oder nicht zutreffend angegeben sind. Das FG Hamburg hält hingegen eine rückwirkende Berichtigung der Leistungsbeschreibung für zulässig, wenn in der ursprünglichen Rechnung der Leistungsgegenstand grob umrissen ist und nachträglich nur auf erläuternde Dokumente (hier: Bauvertrag, Angebot und Leistungsbeschreibung des Architekten) verwiesen wird.

Abzuwarten bleibt letztlich die Entscheidung des EuGH  auf den Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG v. 03.07.2014, 5 K 40/14. Darin hat der EuGH zu klären, ob die Nachholung der ursprünglich fehlenden Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden in einer berichtigten Rechnung zurückwirkt (so dass der Vorsteuerabzug nicht erst ab Vorliegen der berichtigten Rechnung, sondern bereits ab dem Zeitpunkt des Besitzes der ursprünglichen Rechnung möglich ist).