EuGH zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 25.06.2015, C-187/14, DSV Road A/S

Praxisproblem

In der Praxis ist häufig streitig, ob bei richtlinienkonformer Anwendung und Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG der Schuldner der nach Art. 203 Abs. 1, Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK entstandenen EUSt diese als Vorsteuer abziehen kann, wenn er im Zeitpunkt der Einfuhr keine Verfügungsmacht an den fraglichen Gegenständen besessen hat. Das FG Hamburg (Urt. v. 19.12.2012, 5 K 302/09, EFG 2013, 562) hatte dies entgegen der Verwaltungsauffassung (Abschn. 15.8 Abs. 4 UStAE) bejaht. Es sah in dem entschiedenen Fall den Umstand, dass die Klägerin als Lagerhalterin (Zolllager Typ C) im Zeitpunkt der (widerrechtlichen) Überführung der Gegenstände in den freien Verkehr keine Verfügungsmacht an den Gegenständen besessen hatte, als unschädlich an. Der BFH musste in seiner Revisionsentscheidung v. 13.02.2014, V R 8/13 die Frage, ob es für den Vorsteuerabzug aus der EUSt darauf an kommt, ob der Abzugsberechtigte Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand hatte, nicht beantworten, weil im Streitfall die Klägerin zum Vorsteuerabzug aus der EUSt bereits deshalb nicht berechtigt war, weil diese im Streitjahr weder festgesetzt noch entrichtet worden war.

Sachverhalt

Das dänische Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH betraf die Frage, ob die Klägerin, ein dänisches Transport- und Logistikunternehmen, zur Zahlung von Zoll und EUSt in Verbindung mit der Einfuhr einer Reihe von Elektronikwaren verpflichtet ist, die in den Jahren 2007 und 2008 aus Drittländern in die EU (konkret: nach Jönköping, Schweden, über Kopenhagen, Dänemark) eingeführt wurden. Die Waren sollten im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren (T1-Versand) von Dänemark nach Schweden versandt werden.

Die Klägerin leitete die Beförderung der Waren vom Freihafen Kopenhagen bis Schweden und war für die Zollabfertigung der Versendungen verantwortlich. In der Rechtssache war streitig, ob es als nachgewiesen gelten kann, dass dieselben Waren Gegenstand der eingeleiteten Versandverfahren waren. Außerdem war weder der tatsächliche Warenempfänger noch die in den Versanddokumenten als Empfänger angegebene Person im Streitjahr Jahr 2008 in Dänemark für Mehrwertsteuerzwecke eingetragen. Weiter stellte sich die Frage, ob Klägerin gegebenenfalls zum Vorsteuerabzug der betreffenden EUSt berechtigt ist.

Hinsichtlich der Versendungen erhob das Skatteministeriet auf die vom unvollständigen Versand umfassten Waren Zoll und EUSt. Das Skatteministeriet meinte, für die Zahlung der EUSt hafte die Klägerin nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 und/oder Nr. 4 DK-Zollgesetz. Nach diesen Bestimmungen haften Personen, die Gegenstände in das dänische Zollgebiet einführen oder einführen lassen, die sich im Zollgebiet der EU nicht im freien Verkehr befinden, für die auf diesen Gegenständen lastenden Zoll- und Abgabenbeträge. Gleiches gilt für den Führer oder den Eigentümer des Beförderungsmittels, mit dem Gegenstände befördert werden, für die kein Zoll und keine Abgaben gezahlt wurden oder die bedingt zoll- oder abgabenfrei sind, sowie für die Personen, die über solche Beförderungsmittel verfügen.

Nach ständiger Rechtsprechung dänischer Gerichte wird einem Beförderer, der nach § 39 DK-Zollgesetz für die EUSt haftet, der Vorsteuerabzug für diese verwehrt, da ein solcher Abzug nach Auffassung der Steuerbehörden § 37 Abs. 1 DK-MwStG und den diesem zugrunde liegenden Bestimmungen des Art. 168 MwStSystRL unterliegt.

Um den Problemen abzuhelfen, die mit der EUSt-Verpflichtung der Beförderer verbunden waren, die die EUSt nicht als Vorsteuer abziehen konnten und deshalb endgültig mit der Steuer belastet wurden, führten die dänischen Steuerbehörden 2011 eine Verwaltungspraxis ein, nach der das Abzugsrecht für die sogenannte Haftungs-MwSt („hæftelsesmoms“) nach den allgemeinen Vorschriften des DK-MwStG vom Warenempfänger statt vom Beförderer wahrgenommen werden kann, sofern die EUSt (Haftungs-MwSt) ihrerseits dem Warenempfänger vom Beförderer in Rechnung gestellt wird, der für die Zahlung der MwSt unter Anwendung und Beachtung der Durchführungsbestimmungen des DK-MwStG haftet.

Nach dieser Praxis wird die auferlegte EUSt als vom Beförderer für den Einführer/Warenempfänger vorgenommene Auslage angesehen, die die Steuerbemessungsgrundlage unberührt lassen kann. Jedoch kann die EUSt nur dann vom Warenempfänger als Vorsteuer abgezogen werden, wenn dieser in Dänemark für MwSt-Zwecke eingetragen ist.

Das Vorlagegericht wollte wissen, ob ein Einfuhrmitgliedstaat dem vom Mitgliedstaat bezeichneten Steuerpflichtigen den Abzug der EUSt als Vorsteuer nach Art. 168 Buchst. e MwStSystRL verwehren kann, wenn die EUSt von einem Beförderer der betreffenden Waren erhoben wird, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen der Ausübung seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass nach dem Wortlaut von Art. 168 Buchst. e MwStSystRL ein Vorsteuerabzugsrecht nur besteht, soweit die eingeführten Gegenstände für Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug aus Lieferungen oder Dienstleistungen ist diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten tätigt. Da der Wert der beförderten Waren nicht zu den Kosten gehört, die in die von einem Beförderer, dessen Tätigkeit sich auf die entgeltliche Beförderung dieser Waren beschränkt, in Rechnung gestellten Preise einfließen, sind die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 168 Buchst. e MwStSystRL nach der EuGH-Entscheidung im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Praxishinweis

Das Urteil hat auch für das deutsche Umsatzsteuerrecht Bedeutung. Nach Abschnitt 15.8 Abs. 5 UStAE steht der Abzug der EUSt auch dann nur dem Lieferer zu, wenn er den Gegenstand zur eigenen Verfügung im Inland zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigt und danach an seinen Abnehmer liefert. Hingegen kann nur der Abnehmer von der Abzugsberechtigung Gebrauch machen, wenn er zum Zeitpunkt der Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr die Verfügungsmacht innehat. Personen, die lediglich an der Einfuhr mitgewirkt haben, ohne über den Gegenstand verfügen zu können (z.B. Spediteure, Frachtführer, Handelsvertreter), sind auch dann nicht abzugsberechtigt, wenn sie den eingeführten Gegenstand vorübergehend entsprechend den Weisungen ihres Auftraggebers auf Lager nehmen. Der EuGH scheint mit seinem Urteil tatsächlich die Prämisse bestätigt zu haben, dass der Vorsteuerabzug bezüglich der EUSt voraussetzt, dass der Abzugsberechtigte Verfügungsmacht an dem Gegenstand hat. Dies wäre eine Mindestvoraussetzung dafür, dass der eingeführte Gegenstand bzw. dessen Kosten in den Preis von Ausgangsumsätzen des EUSt-Schuldners eingehen.

Ein weiteres Vorlageverfahren des FG Hamburg zur EUSt (EuGH, C-226/14) steht allerdings noch aus.