BFH zur umsatzsteuerlichen Organschaft

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 01.06.2016, XI R 17/11

Praxisproblem

EuGH-Rechtsprechung

Mit Urteil vom 16.07.2015, verb. Rs. C-108/14 und C-109/14 hatte der EuGH (auf Vorabentscheidungsersuchen des XI. Senats des BFH, XI R 17/11 und XI R 38/12) zu den Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft entschieden, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 11 MwStSystL) im Unterschied zu anderen Bestimmungen der 6. EG-Richtlinie, insbesondere ihren Art. 28a und 28b (jetzt verschiedene Art. der MwStSystRL, insbesondere Art. 138 ff.), die sich ausdrücklich auf „juristische Personen“ beziehen, nicht per se Gesellschaften von seinem Anwendungsbereich ausschließt, die – wie die Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren – keine juristischen Personen sind. Auch sieht nach der Entscheidung des BFH Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie insbesondere nicht vor, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass ausschließlich juristische Personen Mitglieder einer Organschaft sein könnten. Der BFH als vorlegendes Gericht sollte prüfen, ob der Ausschluss von Personengesellschaften von der Eigenschaft als Organgesellschaften den in Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL geregelten Zielen dient und eine für diese Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder  -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme ist. Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie bringt nach der Entscheidung nicht zum Ausdruck, dass Organgesellschaften in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger stehen müssen.

In derselben Entscheidung hatte der EuGH zum Umfang des Vorsteuerabzugs einer Führungsholding geurteilt. Eingriffe einer Holding in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, sind nach Auffassung des EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 9 MwStSystRL), wenn sie die Durchführung von Transaktionen einschließen, die nach der Richtlinie steuerbar sind, wie etwa administrative, finanzielle, kaufmännische und technische Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften. Die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holding getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als der wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding zugeordnet anzusehen. Damit hat der EuGH für diese Kosten ein vollständiges Vorsteuerabzugsrecht anerkannt. Ein nur teilweises Vorsteuerabzugsrecht kann sich nach den weiteren Entscheidungsgründen nur auf der Basis von Art. 17 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 173 MwStSystRL) im Fall gemischter Ausgangsumsätze ergeben. Das heißt, dass ein teilweises Vorsteuerabzugsrecht in diesen Fällen nur in Betracht kommt, wenn einige der Ausgangsumsätze der Holding von der Umsatzsteuer befreit sind.

Eine Vorsteueraufteilung aufgrund nur teilweiser wirtschaftlicher  und teilweise nichtwirtschaftlicher Tätigkeit der Holding könnte sich nach dem EuGH-Urteil aber dann ergeben, wenn die Beteiligungskosten eine Tochtergesellschaft betreffen, mit deren Verwaltung die Holding nicht befasst ist. In diesem Fall könnte das bloße Halten der Anteile an dieser Tochtergesellschaft nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit der Holding angesehen werden und der Vorsteuerabzug aus den Kosten des Beteiligungserwerbs wäre insoweit unzulässig. Die Aufteilung der Vorsteuer in einem solchen Fall kann nach dem EuGH-Urteil nach einem Investitionsschlüssel, einem Umsatzschlüssel oder jedem anderen geeigneten Schlüssel vorgenommen werden. In diesem Fall ist es nach dem Urteil des EuGH allein Sache der nationalen Finanzbehörde, die Kriterien für die Aufteilung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten festzulegen. Der EuGH selbst hält sich nicht für zuständig, den Aufteilungsmaßstab für den Vorsteuerabzug in diesen Fällen und damit das Verhältnis der wirtschaftlichen Tätigkeit zu nicht wirtschaftlichenTätigkeit, vorzugeben.

Rechtsprechung V. Senat des BFH

Der V. Senat des BFH hatte (in Kenntnis der EuGH-Entscheidung) in seinem Urteil v. 02.12.2015, V R 25/13 zu den Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft entschieden, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit der Verwendung der im Zivilrecht geläufigen Terminologie „juristische Person“ den im Zivilrecht ausgedrückten Tatbestand aufnimmt. Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH oder eine AG. Personengesellschaften werden deshalb von dieser Regelung ausdrücklich nicht umfasst. Ferner hielt der V. Senat des BFH an seiner Rechtsprechung im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz fest, wonach eine Personengesellschaft nicht i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG unselbstständig sein kann. Für den nationalen Gesetzgeber besteht in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 11 Unterabs. 2 MwStSystRL) eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken. Diese Einschränkung dient nach dem BFH-Urteil nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern sie soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen. Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies nach Auffassung des BFH auf die Personengesellschaft nicht zu.

Jedoch kam der V. Senat des BFH zu dem Schluss, dass im Wege einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Personengesellschaft ausnahmsweise wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden kann. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit muss selbst bei – der stets möglichen – Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips bei Personengesellschaften gewährleistet sein. Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, sodass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos – in einer bis zum Organträger reichenden Organkette – zu bejahen ist.

Rechtsprechung des XI. Senats des BFH

Der XI. Senat des BFH hatte in seinem Urteil v. 19.01.2016, XI R 38/12 im Anschluss an das EuGH-Urteil v. 16.07.2015, C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave entschieden, dass einer Führungsholding (geschäftsleitenden Holding), die an der Verwaltung einer Tochtergesellschaft teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zusteht. Seinen früheren Einwand, dass nur ein teilweiser Vorsteuerabzug möglich sei, da die Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalbeschaffungsmaßnahmen (auch) mit (dem nichtwirtschaftlichen) Halten der Beteiligungen im Zusammenhangt stehe, hatte der BFH aufgegeben. Lediglich in Fällen einer missbräuchlichen Praxis könne der Vorsteuerabzug versagt werden.

Zum Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft war der XI. Senat des BFH zu dem Ergebnis gelangt, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG jedenfalls insoweit unionsrechtswidrig ist, als die Vorschrift vorsieht, dass eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform als Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein könne. Dieser Ausschluss sei weder zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen noch zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen erforderlich und angemessen. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG kann nach Auffassung des XI. Senats des BFH richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff „juristische Person“ auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

Abweichend vom V. Senat des BFH, der in seinem Urteil (nur) über eine teleologische Extension zu dem Ergebnis gekommen war, dass neben der juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind, sah der XI. Senat diese zusätzliche Einschränkung bei einer GmbH & Co. KG nicht vor. Jedenfalls bei kapitalistisch strukturierten Personengesellschaften sei die richtlinienkonforme Auslegung möglich. Der XI. Senat des BFH begründete dies mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität und der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG.

Während der V. Senat des BFH eine Erweiterung der Organschaft nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung für möglich hält (BFH, Urt. v. 02.12.2015, V R 25/13, Rz. 48), ist dies dem Urteil des XI. Senats des BFH (BFH, Urt. v. 19.01.2016, XI R 38/12) nicht zu entnehmen. Ob das weitere Erfordernis, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, ließ der XI. Senat des BFH aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG offen. Deshalb müsse der XI. Senat nicht entscheiden, ob er der Auffassung des V. Senats des BFH (BFH, Urt. v. 02.12.2015, V R 15/14) folgt, dass für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht bestehe.

Mit seinem Urteil v. 19.01.2016, XI R 38/12 ging der XI. Senat des BFH über das Urteil des V. Senats v. 02.12.2015, V R 25/13 wohl noch weiter hinaus. Offenbar wird auch das geforderte Über- und Unterordnungsverhältnis vom XI. Senat kritisch gesehen. Zwar ließ er die Frage aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG offen, verwies jedoch auf die Schlussanträge des Generalanwalts in der EuGH-Sache C-108/14 und C-109/14 (Larentia + Minerva und Marenave), der ein Über- und Unterordnungsverhältnis nicht für unbedingt erforderlich hält.

Sachverhalt

Die Revisionssache XI R 17/11 war der zweite Fall, in dem der XI. Senat des BFH noch die Folgeentscheidung zu dem EuGH-Urteil v. 16.07.2015, verb. Rs. C-108/14 und C-109/14, zu treffen hatte. Die Klägerin, eine „Beteiligungsgesellschaft“ in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, war im Streitjahr (2005) als sog. „Dachfonds“ an zwei – ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betriebenen – Tochtergesellschaften als Kommanditistin beteiligt. Ihre Kommanditeinlagen betrugen jeweils über 98 %. Die Tochtergesellschaften waren jeweils Eigentümerinnen eines von ihnen im internationalen Schiffsverkehr betriebenen Vollcontainerschiffes.

Die Klägerin erbrachte gegenüber den Tochtergesellschaften „administrative Leistungen“ und stand ihnen als „allgemeiner betriebswirtschaftlicher Berater“ zur Seite. Insbesondere übernahm sie die Organisation und Durchführung von Gesellschafterversammlungen, die Beratung bei betrieblichen Abläufen und in Finanzierungsfragen sowie auf dem Gebiet des Chartermarktes die Vermittlung von Kontakten zu Hafen- und anderen in- oder ausländischen Behörden für die Tochtergesellschaften, die Beratung bei anlässlich dieser Vermittlung geführten Gesprächen sowie die Vermittlung von Rechts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsleistungen. Für diese Dienstleistungen erhielt sie ab dem Jahr 2006 eine jährliche Vergütung zzgl. Umsatzsteuer.

Die Klägerin warb im Streitjahr 2005 mithilfe einer A-GmbH Kapital ein, um sich damit an Schifffahrtsgesellschaften zu beteiligen. Für Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Einwerbung des Kapitals durch die A-GmbH und für die Erstellung eines von einer B-GmbH erstellten Prospektgutachtens fiel Umsatzsteuer an, die die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2005 als Vorsteuer geltend machte. Das FA ließ nur 22,31 % zum Vorsteuerabzug zu. Das von der Klägerin insgesamt eingeworbene Kapital diene in Höhe von 77,69 % ihrem nichtwirtschaftlichen Bereich (Halten von Anteilen an den Tochtergesellschaften), für den ein Vorsteuerabzug ausscheide. Die Klägerin war hingegen der Auffassung, der Vorsteuerabzug sei in voller Höhe zu gewähren. Hilfsweise stehe ihr der Vorsteuerabzug jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer mit ihren Tochtergesellschaften bestehenden Organschaft zu. Eine solche komme auch mit ihren Tochtergesellschaften als Organgesellschaften in Betracht, obwohl diese als KG‘en die Rechtsform einer Personengesellschaft hätten. Deshalb seien ihr die Umsätze ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen, so dass ihr auch aus diesem Grund der volle Vorsteuerabzug zu gewähren sei.

Entscheidung

Mit Urteil v. 01.06.2016, XI R 17/11 hat der XI. Senat die Rechtsprechung seines Urteils v. 19.01.2016, XI R 38/12 (unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG) vollumfänglich bestätigt. Einer geschäftsleitenden Holding, die an der Verwaltung einer Tochtergesellschaft teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, steht für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG kann in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff „juristische Person“ auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

Der volle Vorsteuerabzug ergäbe sich aus den Grundsätzen des zugrunde liegenden EuGH-Urteils. Die Klägerin hat an alle ihre Tochtergesellschaften entgeltliche Dienstleistungen erbracht. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Geltendmachung des Vorsteuerabzugs waren im Streitfall nicht gegeben.

Hinsichtlich der Frage, ob eine Personengesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG Organgesellschaft sein könne, hat der BFH die gleichen Entscheidungskriterien angewendet wie in seinem Urteil v. 19.01.2016, XI R 38/12. Danach stehe eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals „juristische Person“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in dem Sinne, dass es auch eine GmbH & Co. KG umfasst, im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG. Steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale seien nach dieser Rechtsprechung, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet – wie hier dem Zivilrecht – entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren. Es bestehe weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch ein abweichendes Verständnis.

Auch das BVerwG gehe davon aus, dass „juristische Personen“ i.S.d. § 3 Abs. 10 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auch Personengesellschaften sein können und der Wortlaut „juristische Person“ dieser Auslegung nicht entgegenstehe. Der XI. Senat des BFH schließt sich der Auffassung des FG München an, eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG habe eine „kapitalistische Struktur“ (FG München, Urt. v. 13.03.2013, 3 K 235/10, EFG 2013, 1434, Rz. 44). In der Rechtsprechung werde die GmbH & Co. KG der Form nach als Personengesellschaft gesehen, der Sache nach jedoch eher als GmbH gewertet.

Die Auffassung des XI. Senats, dass auch eine GmbH & Co. KG als „juristische Person“ i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG anzusehen sei, weiche zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil v. 02.12.2015, V R 25/13 ab. Der V. Senat des BFH habe in diesem Urteil entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann. Dies setze zwar nach Auffassung des V. Senats des BFH voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung).

Der V. Senat des BFH gehe aber ebenfalls davon aus, dass eine GmbH & Co. KG – um die es auch im dortigen Verfahren ging – Organgesellschaft sein kann. Andernfalls habe der V. Senat die Klage abweisen müssen. Daher komme auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH gem. § 11 FGO in Betracht. Die Ausführungen zur Vorlagepflicht an den großen Senat sind deckungsgleich mit denen in dem Urteil v. 19.01.2016, XI R 38/12.

Praxishinweis

Organschaft mit einer KG

Insgesamt bestehen erhebliche Widersprüche zwischen den vorgenannten Urteilen des V. und des XI. Senats des BFH. Der V. Senat sieht in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Regelungslücke, die er vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks in der Weise zu schließen versucht, dass er die genannte Vorschrift erweiternd auch auf Personengesellschaften anwendet, die gewisse Voraussetzungen erfüllen, d.h. diese Personengesellschaften treten neben die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erwähnten „juristischen Personen“ und fallen additiv in den persönlichen Anwendungsbereich der Organschaftsregelung. Hiervon abweichend betrachtet der XI. Senat die Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG stets als „juristische Personen“ i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Möglicherweise noch erheblicher als die unterschiedlichen Aussagen zur Reichweite des Begriffs der „juristischen Person“ dürften die Widersprüche zwischen beiden Entscheidungen hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Einbezug von Personengesellschaften in Organkreise sein. Der V. Senat hat entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Im Sachverhalt des Verfahrens XI R 38/12 waren an der zu beurteilenden Schiffs-GmbH & Co. KG neben dem Organträger (Beteiligungsquote > 99 %, aber < 100%) jedoch auch Personen beteiligt, die nicht finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert waren.

Fraglich ist, ob die Entscheidungen beider Senate in der Praxis miteinander in Einklang gebracht werden können. Zwar führt der XI. Senat aus, dass auch der V. Senat davon ausgeht, dass eine GmbH & Co. KG Organgesellschaft sein könne und deshalb im Ergebnis Übereinstimmung bestehe. Diese Aussage könnte jedoch zu kurz greifen, da der XI. Senat ohne Ansehen der übrigen vom V. Senat aufgestellten Voraussetzungen allein auf die Übereinstimmung hinsichtlich der Rechtsform abstellt. Soweit der XI. Senat zur Divergenz der Urteile meint, dass diese allenfalls in der Begründung, nicht jedoch im Ergebnis gegeben sei, könnte er verkannt haben, dass die Anwendung der Grundsätze des Urteils V R 25/13 im Verfahren XI R 38/12 wohl zu einer Verneinung der Organschaft hätte führen müssen.

Vorsteuerabzug einer Führungsholding

Zum Vorsteuerabzug hatte der XI. Senat des BFH in seinem Urteil v. 19.01.2016, XI R 38/12 entschieden, einer geschäftsleitenden Holding, die an der Verwaltung einer Tochtergesellschaft teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, steht für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu. Da die AG im Streitfall aber neben den entgeltlichen administrativen und kaufmännischen Dienstleistungen an ihre Tochter-Personengesellschaften noch u.a. Kapital verzinslich bei einer Bank anlegte, steht der Holding insoweit kein Vorsteuerabzug zu. Die verzinsliche Anlage eines Teils des eingeworbenen Kapitals bei einer Bank ist nach dem BFH-Urteil ein umsatzsteuerfreier Umsatz, so dass die mit der Kapitalanlage in Zusammenhang stehende Vorsteuer (anteilig) nicht abziehbar ist. Auf die erforderliche Vorsteueraufteilung kann auch nicht aufgrund der Vereinfachungsregelung des § 43 UStDV verzichtet werden, weil die verzinsliche Anlage von Kapital nach dem Urteil zur Haupttätigkeit der Holding gehörte.

Dass bei einer geschäftsführenden Holding nicht immer der volle Vorsteuerabzug für die Kosten der Einwerbung von Beteiligungskapital in Betracht kommt, hat zudem der V. Senat des BFH mit Urteil v. 06.04.2016, V R 6/14 entschieden. Kosten, die einer Holdinggesellschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Tochtergesellschaften entstehen, in deren Verwaltung sie durch das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Dienstleistungen Eingriffe vornimmt, eröffnen ihr hinsichtlich der für diese Kosten bezahlten Mehrwertsteuer zwar grundsätzlich ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug. An dem erforderlichen Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb fehlt es nach dem Urteil aber dann, wenn das eingeworbene Kapital in keinem Verhältnis zu dem Beteiligungserwerb steht.

Die Klägerin im Streitfall V R 6/14 war ein geschlossener Fonds in der Rechtsform einer KG, die sich der Forstwirtschaft widmet und die von einer Q-GmbH vermarktet wird. Die Klägerin war Gesellschafterin zweier Tochtergesellschaften, einer I-S.A., die Eigentümerin der Grundstücke und des Waldes ist, sowie einer P-S.A., die die Aufforstung, Pflege und Ernte des Waldes betreibt. Diese war mit einem Stammkapital von 10.000 US-$ ausgestattet und besaß ansonsten kein Vermögen. Laut Emissionsprospekt der Klägerin sollte sie die Beteiligungen verwalten und kaufmännische Dienstleistungen an die Tochtergesellschaften erbringen; eine weitere Geschäftstätigkeit war nicht vorgesehen. Die Kapitaleinlage der Gründungskommanditisten der Klägerin betrug insgesamt 862.500 € und war vertraglich auf 1.200.000 € begrenzt. Durch die Aufnahme weiterer Gesellschafter wurde das Kommanditkapital auf 7.800.000 € erhöht.

Der BFH entschied, die Kosten für die Einwerbung von Kapital in der vorliegenden Größenordnung (Kapitaleinlage der Gründungskommanditisten: 862.500 €; bilanzierte Beteiligungswertansätze zum 31.12.2007: 1.100.000 €; Erhöhung des Kommanditkapitals auf 7.800.000 €) seien Kosten, die nicht im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Tochtergesellschaften mit einem Stammkapital von 10.000 US-$ stehen, weil es des eingeworbenen Kapitals jedenfalls in dieser Größenordnung nicht bedurfte. Der Einwand der Klägerin hiergegen, dass für die Verhältnisse im Gründungsjahr Besonderheiten galten, greife nicht durch, weil nicht erkennbar sei, dass sich der Umfang der von der Klägerin an ihre Tochtergesellschaften erbrachten Beratungsleistungen in den Folgejahren verändert haben könnte. Hinzu komme, dass die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften schon vor der Ausgabe der Kommanditanteile bestanden. Im Streitfall beschränke sich die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin auf Beratungsleistungen an ihre beiden Tochtergesellschaften in einer Größenordnung von jeweils 10.000 € jährlich.

Nach den Verhältnissen des Streitfalls kommt für den BFH der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin gegenüber ihrer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit eine nur untergeordnete Bedeutung zu. Hierfür spreche das Verhältnis der vereinbarten jährlichen Leistungsentgelte von 20.000 € zu den bilanzierten Beteiligungswertansätzen in Höhe von 1.100.000 €, der Kapitaleinlage der Gründungskommanditisten in Höhe von 862.500 € und der Erhöhung des Kommanditkapitals auf 7.800.000 €. Bestätigt werde dies durch einen Vergleich zwischen den tatsächlich erzielten Leistungsentgelten in Höhe von 11.246 € und den mehr als 40-fach höheren vorsteuerbelasteten Aufwendungen der Klägerin im Streitjahr. Maßgeblich für die Entscheidung des BFH war insgesamt, dass die Holding nicht überzeugend darlegen konnte, dass die Eingangsleistungen und das eingeworbene Kapital für ihre wirtschaftliche Tätigkeit verwendet wurden bzw. verwendet werden sollten.

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