FG Köln zu den Anforderungen an den Nachweis für ein steuerfreies innergemeinschaftliches Verbringen bei Diebstahl im übrigen Gemeinschaftsgebiet

Anmerkung zu: FG Köln, Urt. v. 18.03.2015, 4 K 3157/11

Praxisproblem

Nach § 3 Abs. 1a UStG  gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Diese Regelung setzt Art. 17 Abs. 1 MwStSystRL um, wonach die von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verbringung eines Gegenstandes seines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist. Als „Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat“ gelten die Versendung oder Beförderung eines im Gebiet eines Mitgliedstaats befindlichen beweglichen körperlichen Gegenstands durch den Steuerpflichtigen oder für dessen Rechnung für die Zwecke seines Unternehmens nach Orten außerhalb dieses Gebiets aber innerhalb der Gemeinschaft.

Das negative Tatbestandsmerkmal der nicht „nur vorübergehenden Verwendung“ ist hierbei nicht nur zeitabhängig zu verstehen (so wie bei der befristeten Versendung), sondern wird auch durch die besondere Art der Verwendung bestimmt (vgl. BFH, Urt. v. 21.05.2014 V R 34/13, Abschn. 1a.2 Abs. 10 UStAE). Eine vorübergehende Verwendung liegt demnach dann vor, wenn der Gegenstand dazu bestimmt ist, wieder in den Ausgangsmitgliedstaat zurückzugelangen. Ein zur vorübergehenden Verwendung in den Bestimmungsmitgliedstaat verbrachter Gegenstand gilt daher als geliefert, wenn er dort veräußert wird. Ob dies auch gilt wenn er durch Zerstörung, Verlust oder Diebstahl im Bestimmungsmitgliedstaat untergeht, hatte vorliegend das FG Köln zu klären.

Sachverhalt

Im Verfahren vor dem Finanzgericht Köln (4 K 3157/11) stritten die Beteiligten um die Anforderungen an den Nachweis für ein steuerfreies innergemeinschaftliches Verbringen. Der Kläger betrieb einen Einzelhandel und transportierte im Oktober 2003 Teppiche im Gesamtwert von 86.634 € aus dem Inland in ein niederländisches Lager, um sie dort kurzfristig an Kunden in Deutschland und anderen europäischen Mitgliedstaaten zu verkaufen. Ein langfristiges Verbleiben der Teppiche in den Niederlanden sei nicht geplant gewesen. Zu diesem Zweck sollten die niederländischen Finanzbehörden dem Kläger eine Steuernummer erteilen. Noch im selben Monat wurden die Teppiche jedoch aus dem Lager in den Niederlanden gestohlen.

Das Finanzamt war der Auffassung, die Verbringung der Teppiche in die Niederlande unterliege der Umsatzsteuer, da die Verbringung belegmäßig nicht dokumentiert worden und eine Liste der gestohlenen Teppiche erst während der Betriebsprüfung von dem Kläger erstellt und vorgelegt worden sei. Zur vorübergehenden Verwendung in das EU-Ausland verbrachte Gegenstände gälten nach Auffassung des Finanzamtes im Zeitpunkt ihres Untergangs durch Diebstahl als geliefert. Da keine Erwerbsbesteuerung gem. § 6a UStG vorliege, da dem Kläger in den Niederlanden keine USt-IdNr. erteilt worden sei, unterliege die Lieferung der Teppiche der deutschen Umsatzsteuer. Nach der Auffassung des Klägers stelle der Transport der Teppiche in die Niederlande kein steuerbares innergemeinschaftliches Verbringen i.S.d. § 3 Abs. 1a UStG dar, da die Ware von vornherein nur vorübergehend in den Niederlanden gelagert werden sollte. Für eine solche vorübergehende Verwendung bestünden keine gesetzlichen Aufzeichnungspflichten. Insbesondere enthalte § 6a Abs. 2 UStG keine den § 6a Abs. 1 Nr. 1-3 UStG entsprechenden und nur für eine innergemeinschaftliche Lieferung sinnhaften Nachweisanforderungen. Ferner zweifelte der Kläger an, ob die Teppiche überhaupt mit ihrem Diebstahl in den Niederlanden als geliefert gälten und damit ein steuerbares innergemeinschaftliches Verbringen vorläge.

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgericht Köln kann die Steuerfestsetzung nicht auf ein steuerpflichtiges innergemeinschaftliches Verbringen gestützt werden, soweit die in der Aufstellung des Klägers bezeichneten Waren tatsächlich in die Niederlande verbracht worden sind, da damit zugleich der Nachweis für die Steuerbefreiung dieses Umsatzes nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG erbracht worden ist.

Bei einem Verbringen von Gegenständen in das andere Bestimmungsland zum Zwecke des dortigen Verkaufs an noch nicht feststehende Abnehmer liegt nach herrschender Meinung ein Verbringen zu einer nicht nur vorübergehenden Verwendung vor. In der gleichen Sachverhaltskonstellation sollen hingegen die – entgegen der Absicht – nicht verkauften Gegenstände, die wieder zurück ins Inland gelangen, kein steuerbares innergemeinschaftliches Verbringen auslösen, da sie im Endeffekt nur vorübergehend verbracht worden sind. Sobald eine der Voraussetzungen für die Ausnahme der nur vorübergehenden Verwendung nicht mehr vorliegt, wie z.B. beim Verkauf eines Gegenstandes, ist allerdings in diesem Zeitpunkt ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gegen Entgelt gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen anzunehmen. Ein zur vorübergehenden Verwendung in den Bestimmungsmitgliedstaat verbrachter Gegenstand gilt daher nach Auffassung des FG Köln dann als geliefert, wenn der Gegenstand nicht veräußert wird, sondern durch Zerstörung, Verlust oder Diebstahl im Bestimmungsmitgliedstaat untergeht.

Die Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen Verbringens hätte durch den Kläger nachgewiesen werden müssen. Nach Auffassung des FG Köln finden für den Nachweis eines innergemeinschaftlichen Verbringens die Bestimmungen zum Belegnachweis nach § 17a UStDV keine Anwendung, da diese ausdrücklich nur für innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a Abs. 1 UStG gelten. Unabhängig davon habe aber der Kläger auch den gem. § 17c UStDV erforderlichen Buchnachweis durch Aufzeichnungen unstreitig nicht geführt.

Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der – formellen – Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte. Dasselbe gilt nach dem Urt. des BFH v. 21.05.2014, V R 34/13 für das innergemeinschaftliche Verbringen.

Der Objektivbeweis konnte zur Überzeugung des FG Köln auf der Grundlage einer vom Kläger anlässlich der Betriebsprüfung nachträglich erstellten Liste nicht geführt werden. Nach Auffassung des Gerichts hat eine Besteuerung der Lieferung beim Kläger dennoch zu unterbleiben, da bereits die Feststellung des Vorliegens eines innergemeinschaftlichen Verbringens i.S.v. § 3 Abs. 1a UStG die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit eines solchen Verbringens gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 6a Abs. 2 UStG impliziert. Mit der der angegriffenen Steuerfestsetzung notwendigerweise zugrundezulegenden Feststellung des steuerbaren innergemeinschaftlichen Verbringens der streitbefangenen Teppiche wäre damit zugleich auch der Vollbeweis eines steuerfreien innergemeinschaftlichen Verbringens geführt.

Einzige Tatbestandsvoraussetzung für die Gleichstellung des innergemeinschaftlichen Verbringens mit einer innergemeinschaftlichen Lieferung in § 6a Abs. 2 UStG ist, dass ein innergemeinschaftliches Verbringen vorliegt. Steht fest, dass ein Fall des § 3 Abs. 1a UStG vorliegt, bedarf es nach Auffassung des FG Köln daher keines weiteren Nachweises der materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit dieses Umsatzes mehr.

Im Gegensatz zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die – sofern sie in Deutschland beginnt – grundsätzlich in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig ist, ist das Verbringen an sich überhaupt kein steuerbarer Vorgang. Erst der Nachweis des Verbringens einer Ware in einen anderen Mitgliedstaat begründet dessen Steuerbarkeit. Vor diesem Hintergrund braucht für die Steuerbefreiung des Verbringens in § 6a Abs. 2 UStG zur Überzeugung des FG Köln nicht zusätzlich ein Nachweis für das Verbringen gefordert zu werden.

Praxishinweis

Das Urteil bestätigt zunächst die Rechtsprechung des EuGH und des BFH, wonach Buch- und Belegnachweise keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung  darstellen, sondern lediglich bestimmen, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat. Hinsichtlich der Frage, ob ein der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes  innergemeinschaftliches Verbringen den in § 6a Abs. 3 UStG vorgesehenen Nachweisverpflichtungen unterliegt, betritt das FG Köln mit seiner Rechtsprechung, dass für den Nachweis die Feststellung ausreichend ist, dass die Ware in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt ist, Neuland. Auch wenn § 17a Abs. 1 UStDV sich tatsächlich nur auf die innergemeinschaftliche Lieferung des § 6a Abs. 1 UStG und nicht das innergemeinschaftliche Verbringen nach § 6a Abs. 2 UStG bezieht, stellt sich doch die Frage, ob der nach § 17c Abs. 1 UStDV auch beim innergemeinschaftlichen Verbringen erforderliche Buchnachweis allein auf der Grundlage des tatsächlichen Verbringens geführt werden kann. Insofern bleibt die Entscheidung des BFH hier mit Spannung abzuwarten. In der Zwischenzeit kann man sich durchaus in der Abwehrberatung der Entscheidung des FG Köln bedienen. 

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