BFH zur Umsatzsteuerpflicht beim Sale-and-lease-back

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 06.04.2016, V R 12/15

Praxisproblem

Werden Gegenstände im Leasingverfahren überlassen, ist die Übergabe des Leasinggegenstands durch den Leasinggeber an den Leasingnehmer dann umsatzsteuerlich als Lieferung anzusehen, wenn der Leasingnehmer nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung berechtigt ist, wie ein Eigentümer über den Leasinggegenstand zu verfügen. Hiervon kann in der Regel dann ausgegangen werden, wenn der Leasinggegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasing-Nehmer zuzurechnen ist, vgl. BFH, Urt. v. 01.10.1970 - V R 49/70, BStBl II 1971, 34; Abschn. 3.5 Abs. 5 S. 2 UStAE.

In bestimmten Fällen kann allerdings fraglich sein, ob an dem Gegenstand die für eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG erforderliche tatsächliche Sachherrschaft übertragen worden ist. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn trotz der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an einem Gegenstand die tatsächliche Sachherrschaft beim bisherigen Eigentümer und Übertragenden verbleibt, indem dieser den Gegenstand weiterhin wie gewollt nutzen kann und somit faktisch wie ein Eigentümer über ihn verfügen kann, der neue Eigentümer und Erwerber hingegen nur ein Besichtigungsrecht an dem Gegenstand erhält. In einem solchen Fall könnte es sich dann um eine einheitliche sonstige Leistung in Form einer steuerfreien Kreditgewährung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG oder um eine steuerpflichtige Leistung eigener Art des Leasinggebers handeln, wenn die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an den Leasinggegenständen nur Sicherungs- und Finanzierungsfunktion hat, sodass die Interessenlagen der Vertragsparteien mit denjenigen im Falle der Sicherungsübereignung vergleichbar sind.

Sachverhalt

Der BFH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem L von einer Firma X elektronische Informationssysteme gekauft hatte, die die Firma X selbst entwickelt hatte und deshalb bilanziell nicht ausweisen konnte. L als Leasinggeber verleaste die Informationssysteme sogleich an X als Leasingnehmer zurück. Der Leasinggeber L erhielt vom Leasingnehmer X für den Kauf ein Darlehen in Höhe von 2/3 des Nettokaufpreises. Über die Leasinggebühren stellte der Leasinggeber L eine sog. Dauerrechnung über die volle Vertragslaufzeit aus, in der er Umsatzsteuer offen auswies und dabei auf den Leasingvertrag Bezug nahm. Da der Leasingnehmer X in Zahlungsverzug geriet, kündigte der Leasinggeber L den Vertrag vorzeitig. Der Leasinggeber L ging davon aus, dass er umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe und daher zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Zudem wollte er nur die tatsächlich erhaltenen Leasingraten versteuern. Das FA hatte den Vorsteuerabzug beim Leasinggeber verweigert, da der Leasinggeber L eine steuerfreie Kreditgewährung erbracht habe. Aufgrund der Rechnungserteilung und eines sich aus der Rechnung ergebenden unzutreffenden Steuerausweises ging das FA darüber hinaus von einer Steuerschuld des Leasinggebers aus.

Das FG Münster (Urt. v. 11.12.2014, 5 K 79/14 U) hatte hierzu entschieden: Werden ein Kauf- und Darlehensvertrag sowie ein Leasingvertrag zwar formal selbständig abgeschlossen, ergibt sich jedoch aus der Interessenlage der Vertragsparteien, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre, bilden diese Verträge rechtlich und wirtschaftlich eine Einheit. Hat in einem derartigen Fall die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an den Leasinggegenständen nur Sicherungs- und Finanzierungsfunktion, so dass die Interessenlagen der Vertragsparteien mit denjenigen im Falle der Sicherungsübereignung vergleichbar sind, handelt es sich insgesamt um eine einheitliche sonstige Leistung in Form einer steuerfreien Kreditgewährung des Leasinggebers nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG. Nach dem Urteil schuldete der Leasinggeber L die von ihm für das Verleasen in der Rechnung offen ausgewiesenen Umsatzsteuer gem. § 14c Abs. 1 UStG.

Entscheidung

Der BFH hat unter Zurückverweisung an das FG entschieden, dass der Leasinggeber L zwar keine Lieferung, wohl aber eine steuerpflichtige sonstige Leistung eigener Art erbracht habe, die nicht als Kreditgewährung von der Umsatzsteuer befreit sei. Vor diesem Hintergrund sei er zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. L schuldete somit auch nicht die in der Leasingrechnung offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG.

Keine Lieferung des Leasingguts durch L

Ob beim Leasinggeschäft die Verfügungsmacht über den Gegenstand übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse auf Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung. Dabei können mehrere formal selbstständige Verträge als Einheit anzusehen sein, wenn sich aus der Interessenlage der Vertragsparteien ergibt, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre. Sieht ein Leasingvertrag vor, dass das Eigentum am Leasinggut am Ende der Vertragslaufzeit auf den Leasingnehmer übertragen wird oder dass der Leasingnehmer über wesentliche Elemente des Eigentums an dem Leasinggut verfügt, insbesondere, dass die mit dem rechtlichen Eigentum an dem Leasinggut verbundenen Chancen und Risiken zum überwiegenden Teil auf ihn übertragen werden und die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Leasingguts entspricht, ist der Umsatz mit dem Erwerb des Leasingguts gleichzusetzen.

Im Streitfall war der Leasingvertrag im Zusammenhang mit dem Kauf- und Darlehensvertrag zu beurteilen. Die Verträge bilden danach eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit. Die Klägerin und Leasinggeberin L wurde zu dem Zweck gegründet, Informationssysteme zu erwerben und sofort wieder an den Leasingnehmer X zurück zu verleasen. Schon dies legt nahe, dass der Kauf- und Darlehensvertrag nicht ohne den Leasingvertrag geschlossen worden wäre. In der Gesamtschau der Verträge war davon ausgehen, dass weder der Leasingnehmer X an den Leasinggeber L noch L an X die Verfügungsmacht über die Informationssysteme verschafft hatten, sondern die Verfügungsmacht bis zum Ende der Vertragslaufzeit durchgängig beim Leasingnehmer X verbleiben sollte.

Steuerpflichtige sonstige Leistung durch den Leasinggeber L

Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Das Umsatzsteuerrecht erfasst ausschließlich Leistungen im wirtschaftlichen Sinne. Der Leistungsempfänger muss einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Vorteile in diesem Sinne sind auch Steuer- und Finanzierungsvorteile. Selbst Umsätze, die ausschließlich in der Absicht getätigt werden, einen Steuervorteil zu erlangen, können Leistungen i.S.d. Umsatzsteuerrechts sein.

Im Streitfall hat der Leasinggeber L eine steuerpflichtige sonstige Leistung ausgeführt, indem L bei einer bilanziellen Gestaltung mitgewirkt hat. Sog. Sale-and-lease-back-Geschäfte können als Mitwirkung des Käufers und Leasinggebers an einer bilanziellen Gestaltung des Verkäufers und Leasingnehmers anzusehen sein. Nach § 248 Abs. 2 HGB durfte X für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, einen Aktivposten nicht ansetzen. Ertragssteuerlich ist nach § 5 Abs. 2 EStG für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Der Leasingnehmer X durfte daher das für die elektronischen Informationssysteme selbst entwickelte Know-how, Software und Patente zunächst nicht aktivieren. Das Sale-and-lease-back-Geschäft ermöglichte X aber, einen Gegenwert in Gestalt des Kaufpreises oder der Forderung an den Leasinggeber L als Aktivposten anzusetzen. X konnte dadurch mehr Eigenkapital ausweisen, höhere Gewinne ausschütten und bessere Bonität in Anspruch nehmen.

Die Mitwirkung durch L an dieser bilanziellen Gestaltung ist nach dem BFH-Urteil umsatzsteuerrechtlich eine (steuerpflichtige) sonstige Leistung, da X dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erhielt.

Keine unrichtig/unberechtigt ausgewiesene Steuer nach § 14c UStG

Nach dem Urteil hat L eine steuerpflichtige Leistung erbracht, sodass schon von daher kein unrichtiger Steuerausweis in der Rechnung gegeben war. Auch ein unberechtigter Steuerausweis lag nicht vor, da L in der Rechnung auf den Leasingvertrag Bezug genommen und dadurch die Leistung in tatsächlicher Hinsicht zutreffend bezeichnet hatte. Eine Rechnung i.S.v. § 14c Abs. 2 UStG liegt nicht vor, wenn es sich um eine sogenannte Vorausrechnung handelt, die einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt der Leistung erkennen lässt. Auch diese Voraussetzung war im Streitfall gegeben. Die Rechnung von L war eine solche Vorausrechnung, da sie ausdrücklich für die volle, auch künftige Vertragslaufzeit erteilt war.

Praxishinweis

Sale-and-lease-back-Geschäfte können umsatzsteuerrechtlich als steuerfreie Kreditgewährung i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG und damit als sonstige Leistung anzusehen sein. Die Annahme einer Lieferung setzt hingegen voraus, dass die Verfügungsmacht an dem Gegenstand bei dem Unternehmer liegt, der den Gegenstand überlässt.

In den Fällen, in denen der Überlassung des Gegenstands eine zivilrechtliche Eigentumsübertragung vom späteren Nutzenden des Gegenstands an den überlassenden Unternehmer vorausgeht (z.B. beim Sale-and-lease-back), ist daher regelmäßig zu prüfen, ob die Verfügungsmacht an dem Gegenstand sowohl im Rahmen dieser Eigentumsübertragung, als auch im Rahmen der nachfolgenden Nutzungsüberlassung jeweils tatsächlich übertragen wird und damit eine Hin- und Rücklieferung stattfindet oder ob dem der Nutzung vorangehenden Übergang des zivilrechtlichen Eigentums an dem Gegenstand vielmehr eine bloße Sicherungs- und Finanzierungsfunktion zukommt, sodass insgesamt eine Kreditgewährung vorliegt. Diese Prüfung richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, d.h. den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren jeweiliger tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten, vgl. Abschn. 3.5 Abs. 7 S. 2 und 3 UStAE.

Von einem steuerfreien Finanzierungsgeschäft ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Vereinbarungen über die Eigentumsübertragung und über das Leasingverhältnis bzw. über die Rückvermietung in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehen und eine Ratenkauf- oder Mietkaufvereinbarung geschlossen wird, auf Grund derer das zivilrechtliche Eigentum mit Ablauf der Vertragslaufzeit wieder auf den Nutzenden zurückfällt oder den Überlassenden zur Rückübertragung des Eigentums verpflichtet. Daher ist z.B. bei einem sog. Sale-and-Mietkauf-back ein steuerfreies Finanzierungsgeschäft anzunehmen, vgl. Abschn. 3.5 Abs. 7 S. 5 UStAE.

Die Steuerbefreiungen des § 4 UStG sind aber grundsätzlich eng auszulegen, weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt. In bestimmten Fällen ist daher zu untersuchen, welche Auswirkungen sich ergeben, wenn der Erwerb des Leasingguts durch den Leasinggeber überwiegend durch ein Darlehen des Veräußerers des Leasingguts finanziert wird, der das Gut sogleich zurückleast. Der Schwerpunkt der Leistung des Leasinggebers kann in solchen Fällen in der steuerpflichtigen Mitwirkung an einer Gestaltung liegen. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Erwerb des Leasingguts durch den Leasinggeber überwiegend durch ein Darlehen des (späteren) Leasingnehmers finanziert wird. Solche Verträge dienen im Ergebnis der Finanzierung des Leasingnehmers allenfalls insoweit, als der Kaufpreis von dem Leasinggeber selbst aufzubringen ist. Dieser Zweck tritt aber zurück, wenn der Kaufpreis nur zu einem geringen Teil vom Leasinggeber aufzubringen ist und zum überwiegenden Teil vom Leasingnehmer finanziert wird.

Mit dem entschiedenen Fall vergleichbare Leasinggestaltungen sollten in offenen Fällen in der Praxis überprüft werden, ob nicht dennoch statt einer steuerfreien Kreditgewährung eine steuerpflichtige sonstige Leistung eigener Art vorliegt, die dem Leasinggeber den Vorsteuerabzug eröffnet.

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