BMF zu Leistungsbeziehungen bei Sicherungsgutverwertung

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 30.04.2014 zu umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen bei der Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren; BFH, Urt. v. 28.07.2011, V R 28/09

Praxisproblem

Bei der Sicherungsübereignung erlangt der Sicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem er von seinem Verwertungsrecht Gebrauch macht, auch die Verfügungsmacht über das Sicherungsgut. Die Verwertung der zur Sicherheit übereigneten Gegenstände durch den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens führt zu zwei Umsätzen (sog. Doppelumsatz), und zwar zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer und zu einer Lieferung des Sicherungsnehmers an den Erwerber. Zwei Umsätze liegen vor, wenn die Verwertung vereinbarungsgemäß vom Sicherungsgeber im Namen des Sicherungsnehmers vorgenommen wird oder die Verwertung zwar durch den Sicherungsnehmer, aber im Auftrag und für Rechnung des Sicherungsgebers in dessen Namen stattfindet. Veräußert der Sicherungsgeber das Sicherungsgut im eigenen Namen auf Rechnung des Sicherungsnehmers, erstarkt die ursprüngliche Sicherungsübereignung hingegen zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer, während zugleich zwischen dem Sicherungsnehmer (Kommittent) und dem Sicherungsgeber (Kommissionär) eine Lieferung nach § 3 Abs. 3 UStG vorliegt, bei der der Sicherungsgeber (Verkäufer, Kommissionär) als Abnehmer gilt. Die entgeltliche Lieferung gegenüber dem Dritten wird in der Folge vom Sicherungsgeber ausgeführt (Dreifachumsatz). Voraussetzung für die Annahme eines Dreifachumsatzes ist, dass das Sicherungsgut erst nach Eintritt der Verwertungsreife durch den Sicherungsgeber veräußert wird und es sich hierbei nach den Vereinbarungen zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer um ein Verwertungsgeschäft handelt, um die vom Sicherungsgeber gewährten Darlehen zurückzuführen (vgl. Abschn. 1.2 Abs. 1 und 1a UStAE).

Hintergrund

Mit Urteil v. 28.07.2011, V R 28/09 hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung u.a. entschieden, dass eine steuerbare Leistung auch bei der freihändigen Verwertung nach § 166 Abs. 1 InsO von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter vorliegt. Daneben enthalten die Urteilsgrundsätze auch generelle Ausführungen zu den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen bei der Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren.

Zum Inhalt des BMF-Schreiben

Mit dem BMF-Schreiben v. 30.04.2014, IV D 2 - S 7100/07/10037 (2014/0332437) ist aufgrund des BFH-Urteils der Abschn. 1.2 UStAE geändert worden. Der bisherige Abs. 1b zum Ausschluss des Vorliegens eines Doppel- oder Dreifachumsatzes, wenn das Sicherungsgut bereits vor Eintritt der Verwertungsreife vom Sicherungsgeber am einen Dritten geliefert wird oder wenn bei der Sicherungsverwertung im Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter von seinem Recht nach § 166 Abs. 1 InsO Gebrauch macht, ist gestrichen worden. Auch der bisherige Abs. 3 zur Verwertung von Wirtschaftsgütern, an denen ein Sicherungsrecht bestellt war, ist gestrichen worden.

Als neuer Abs. 3 von Abschn. 1.2 UStAE wird Folgendes geregelt: Die Grundsätze zum Doppel- und Dreifachumsatz finden auch bei der Verwertung von sicherungsübereigneten Gegenständen im Insolvenzverfahren Anwendung. Veräußert hingegen ein Insolvenzverwalter ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück freihändig aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung, liegt neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber auch eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Veräußerungserlös einen bestimmten Betrag zugunsten der Masse einbehalten darf. Der für die Masse einbehaltene Betrag ist Entgelt für diese Leistung. Vergleichbares gilt für die freihändige Verwaltung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke durch den Insolvenzverwalter.

Praxishinweis

Zu der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Verwertung von Sicherungsgut gibt das BMF-Schreiben allgemeine Hinweise mit Beispielen, die nicht in den UStAE aufgenommen wurden. Hierzu wird zwischen der kalten Zwangsvollstreckung und kalten Zwangsverwaltung bei der Verwertung von Grundstücken und der Verwertung von sicherungsübereigneten beweglichen Gegenständen durch den Insolvenzverwalter unterschieden.

Bei der sog. kalten Zwangsvollstreckung bzw. -verwaltung handelt es sich um nicht feststehende Rechtsbegriffe, die im Wesentlichen die verschiedenen Verwertungshandlungen eines Insolvenzverwalters bei der Verwertung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke im Insolvenzverfahren außerhalb einer Zwangsvollstreckung zum Inhalt haben. Ziel der jeweiligen Handlung ist die freihändige Veräußerung des Grundstückes bzw. der Mieteinzug zugunsten der Gläubiger durch den Insolvenzverwalter. Da die Vorschriften über die freihändige Verwertung sicherungsübereigneter beweglicher Gegenstände (§§ 166 i.V.m. 170, 171 InsO) bei der Verwertung von unbeweglichem Vermögen grundsätzlich keine Anwendung finden und somit auch keine gesetzlichen Kostenregelungen greifen, erfolgt die freihändige Verwertung bzw. Verwaltung eines grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks auf Basis einer Vereinbarung, die regelmäßig auch eine Beteiligung der Masse am Erlös der Verwertung bzw. Verwaltung vorsieht.

Nach der Rechtsprechung des BFH liegt bei einer freihändigen Veräußerung eines grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks durch den Insolvenzverwalter aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung – neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber – eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen bestimmten Betrag für die Masse einbehalten darf (vgl. BFH, Urt. v. 18.08.2005, V R 31/04, BStBl. II 2007, 183 und v. 28.07.2011, V R 28/09). Der einbehaltene Betrag ist die Gegenleistung des Gläubigers für die Leistung der Masse.

Der Insolvenzverwalter darf nach § 166 Abs. 1 InsO eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten. Hierzu ist er jedoch nicht verpflichtet. Demnach steht es dem Insolvenzverwalter grundsätzlich frei, dem Gläubiger die Verwertung nach § 170 Abs. 2 InsO zu überlassen oder die Verwertung freihändig unter Ausübung des Verwertungsrechts nach § 166 Abs. 1 InsO vorzunehmen. Die unter Abschn. 1.2 UStAE dargestellten Grundsätze zum Doppel- bzw. Dreifachumsatz finden nach dem BMF-Schreiben auch bei der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände im Insolvenzverfahren Anwendung.

Macht der Insolvenzverwalter nicht von seinem Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO Gebrauch, sondern veräußert er stattdessen das Sicherungsgut im Namen des Sicherungsnehmers/Gläubigers, liegt ein Doppelumsatz vor. Im Rahmen dieses Doppelumsatzes liefert der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut als Vertreter der Masse im Zeitpunkt der Verwertung an den Sicherungsnehmer/Gläubiger, welcher seinerseits zeitgleich das Sicherungsgut an den Erwerber weiterliefert. Das Entgelt für die Lieferung der Masse an den Gläubiger entspricht dann dem Betrag in Höhe der Schuldbefreiung, die sich für die Masse aufgrund der Verwertung durch den Gläubiger ergibt. Die vorweg zu begleichenden Kosten der Feststellung nach § 170 Abs. 2 InsO (Feststellungskostenpauschale) gehören dabei nicht zum Entgelt.

Verwertet der Insolvenzverwalter die einem Absonderungsrecht unterliegende bewegliche Sache für die Masse selbst, ist zwar von einer Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Sicherungsnehmer/Gläubiger auszugehen. Bei der Verwertung beweglicher Gegenstände findet jedoch ein Dreifachumsatz statt, in welchem die Geschäftsbesorgungsleistung aufgeht.

Nach dem BMF-Schreiben wird es nicht beanstandet, wenn für vor dem 01.07.2014 ausgeführte Umsätze die Beteiligten übereinstimmend bei der Verwaltung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks (kalte Zwangsverwaltung) von einem nichtsteuerbaren Vorgang oder bei der Verwertung von Sicherungsgut unter Berufung auf die jetzt überholten Regelungen des Abschn. 1.2 Abs. 1b UStAE a.F. nicht von einem Doppel- bzw. Dreifachumsatz bei der Verwertung eines sicherungsübereigneten Gegenstands ausgegangen sind.