Ermäßigter Steuersatz auf Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 29.04.2014 zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen im Zusammenhang mit steuerfreien Seminaren; BFH, Urt. v. 08.03.2012, V R 14/11, BStBl. II 2012, 630

Praxisproblem

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden auf Leistungen von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt die Steuerermäßigung nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht. Diese Einschränkung kann bei gemeinnützigen Bildungsträgern einschlägig sein, wenn diese in Wettbewerb zum Beherbergungsgewerbe treten, soweit sie Beherbergungs- und Unterbringungsleistungen an die Teilnehmer ihrer Seminare erbringen.

Hintergrund

Mit Urteil v. 08.03.2013, V R 14/11, BStBl. II 2012, 630 hatte der BFH für das Streitjahr 2007 entschieden, dass Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen, die ein gemeinnütziger Verein im Zusammenhang mit steuerfreien Seminaren erbringt, gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Das Urteil stützt die in der Vergangenheit von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung. In Abschn. 12.9 Abs. 10 Nr. 7 UStAE wurde bisher in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass Lehrveranstaltungen von Volkshochschulen und ähnlichen Einrichtungen zwar steuerlich begünstigt sind. Soweit die Teilnehmer dabei beherbergt oder beköstigt werden, handelt es sich jedoch um nicht steuerbegünstigte Leistungen, die somit dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegen.

Zum Inhalt des BMF-Schreiben

Mit dem BMF-Schreiben v. 29.04.2014, IV D 2 - S 7242-a/12/10001 (2014/0392596) ist aufgrund des BFH-Urteils Abschn. 12.9 UStAE geändert worden. In Absatz 11 wurde bisher ausgeführt, dass von Zweckbetrieben ausgeführte Leistungen, mit deren Ausführung selbst nicht steuerbegünstigte Zwecke verwirklicht werden, nur dann dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wenn der Zweckbetrieb insgesamt nicht in erster Linie der Erzielung von zusätzlichen Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Mit den neugefassten Sätzen 3 und 4 in Abschn. 12.9 Abs. 11 UStAE wird nunmehr geregelt, dass ein Zweckbetrieb in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dient, wenn mehr als 50 % seiner gesamten steuerpflichtigen Umsätze durch derartige (zusätzliche und wettbewerbsrelevante) Leistungen erzielt werden. Leistungen sind dann nicht wettbewerbsrelevant, wenn sie auch bei allen anderen Unternehmern dem ermäßigten Steuersatz unterliegen (z.B. die Lieferungen von Speisen oder seit dem 01.01.2010 Beherbergungsleistungen).

Praxishinweis

Das BMF-Schreiben dient der Klarstellung. Seit Einführung der Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG zum 01.01.2010 besteht für Beherbergungsleistungen eines gemeinnützigen Bildungsträgers keine Wettbewerbssituation i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG zu Leistungen gewerblicher Anbieter. Der entsprechende Zweckbetrieb „Beherbergung und Verpflegung“ finanziert sich nunmehr aus Leistungen, die bei Erbringung durch gewerbliche Anbieter zu einem Teil ermäßigt besteuert werden (Beherbergung) und zu einem anderen Teil dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegen (Verpflegung). Zusätzliche Einnahmen i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG, die für eine Anwendung der Steuerermäßigung grundsätzlich schädlich sind, können sich somit nur im Bereich der Verpflegungsleistungen ergeben. Überwiegen die auf die Verpflegungsleistungen entfallenden Entgeltanteile, ist eine Anwendung der Steuerermäßigung ausgeschlossen. Das BMF-Schreiben berücksichtigt, dass Unterbringungsleistungen seit dem 01.01.2010 durch die Einführung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Es schließt aber auch Lieferungen von Speisen, die bei allen anderen Unternehmern dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, von den wettbewerbsrelevanten Leistungen aus. Es dient damit der Gewährleistung einer bundeseinheitlichen Anwendung der BFH-Rechtsprechung mit einer Übergangsregelung. Danach sind die Grundsätze des BFH, Urt. v. 08.03.2012, V R 14/11, BStBl. II, 630 in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird aber für vor dem 01.01.2013 ausgeführte Umsätze – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn der Unternehmer entsprechende Leistungen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG unterwirft.