FG Hamburg zur Haftung für den Vorsteuerabzug aus Strohmanngeschäften

Anmerkung zu FG Hamburg, Beschl. v. 11.02.2014, V 241/13

Praxisproblem

Für den Geschäftsführer einer GmbH entsteht ein erhöhtes Haftungsrisiko, wenn er es beim Vorliegen von offensichtlichen Ungereimtheiten in Bezug auf den Rechnungsausteller versäumt, Auskünfte über dessen Eigenschaft als Unternehmer einzuholen. Ist die GmbH nicht in der Lage, die bereits erstattete Vorsteuer an das Finanzamt zurück zu zahlen, so kann das Finanzamt den Geschäftsführer in Haftung nehmen. Zu den Auskünften, die der Geschäftsführer bezüglich des Rechnungsausstellers hätte einholen müssen, gehört neben der Vorlage der Gewerbeanmeldung und einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung auch die Überprüfung des Sitzes der einzelnen Rechnungsaussteller.

Sachverhalt

Der Antragsteller war gemeinsam mit Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer einer GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit Schrott und Altmaterialien war. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung holte das zuständige Finanzamt bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die mutmaßlichen Lieferanten der GmbH ein. Aufgrund dabei entdeckter Ungereimtheiten in der Existenz der angeblichen Lieferanten versagte das Finanzamt der GmbH den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der angeblichen Lieferanten. Gegen die vom Finanzamt festgesetzten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen legte die GmbH Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Die Anträge für die AdV wurden vom FG Hamburg mit Beschluss v. 12.01.2012 abgelehnt. Dies begründete das Finanzgericht damit, dass die Rechnungsausteller nach den vorliegenden Informationen nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig waren und die GmbH, trotz Gelegenheit, nichts Gegenteiliges mitgeteilt habe. Zudem habe die GmbH sich nicht hinreichend über die mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert, zumal sich durch offensichtliche Unrichtigkeiten Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen. Daraufhin teilte das Finanzamt dem Antragsteller im Februar 2012 mit, dass dessen Haftung für die Umsatzsteuerschulden und Nebenleistungen geprüft werde. Schließlich erließ die Behörde im Mai 2012 einen Haftungsbescheid gegen den Antragsteller und Herrn B, da diese als Geschäftsführer ihrer Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuer bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen seien. Zwischenzeitlich meldete die GmbH Insolvenz an und ein Insolvenzverfahren wurde eröffnet.

Der Antragsteller legte Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein und beantragte die AdV, da der Bescheid rechtswidrig sei. Mit Einspruchsentscheidung vom Oktober 2013 wies das Finanzamt den Einspruch zurück. Der Antragssteller beantragte daraufhin beim Finanzgericht AdV.

Entscheidung

Das FG Hamburg entschied: Der Antrag auf AdV hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antragsteller wurde zu Recht als Geschäftsführer für von der GmbH zu Unrecht nach § 15 UStG gezogene Vorsteuern sowie nicht gezahlter Umsatzsteuer von dem Finanzamt in Haftung genommen. Beim Vorliegen von offensichtlichen Ungereimtheiten und Auffälligkeiten bzgl. der Rechnungsaussteller ist der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet, Auskünfte über die Unternehmereigenschaft der Rechnungsaussteller einzuholen, um sicherzustellen, dass die Rechnungsstellung nicht der Verschleierung einer Steuerhinterziehung der tatsächlich Leistenden dient.

Der Auftraggeber sollte bei folgenden Indizien misstrauisch werden und vor der Zahlung genauer überprüfen, wer die Leistung tatsächlich erbracht hat:

  • Die Rechnungsaussteller verfügen nicht über genügend Fahrzeuge für die Durchführung der abgerechneten Anlieferungen,
  • sie treten stets in Begleitung auf bzw. lassen sich durch einen Handlungsbevollmächtigen vertreten und
  • sie rechnen bereits unmittelbar nach ihrer Gewerbeanmeldung sehr hohe Liefermengen gegen Barzahlung von fünf- bzw. sechsstelligen Euro-Beträgen ab.

Insoweit genügt es nicht, wenn der Geschäftsführer von den Rechnungsausstellern lediglich die Vorlage der Gewerbeanmeldung sowie der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung verlangt. Es ist vielmehr erforderlich, dass der Geschäftsführer der GmbH den Sitz der einzelnen Rechnungsaussteller überprüft.

Praxishinweis

Vergeben Unternehmer Aufträge an Subunternehmer oder vermitteln Berater gegen Provisionen lukrative Aufträge, wird das Finanzamt hinsichtlich des Vorsteuerabzugs die Rechnung einer genaueren Prüfung unterziehen. Denn bei Rechnungsstellung durch einen Strohmann wird der Vorsteuerabzug verwehrt. Im Sinne dieser Konstellation ist ein Strohmann ein Rechnungsaussteller, der die Leistung selbst nicht erbracht hat, sondern die wahren Hintermänner abschirmt und Einnahmen am Finanzamt vorbeikassiert. Der Vorsteuerabzug aus solchen Rechnungen geht verloren, da die Rechnung nicht ordnungsgemäß gestellt wurde. Nach § 14 Abs. 4 UStG muss in der Rechnung stets der leistende Unternehmer mit Namen und Anschrift aufgeführt sein.

Unternehmen sollte daher bei der Geschäftsanbahnung und Rechnungseingangsprüfung entsprechende Vorkehrungen und Prüfungen vorsehen.