BMF zur Berichtigung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit im vorläufigen Insolvenzverfahren

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 18.05.2016, III C 2 - S 7330/09/10001 :002

Praxisproblem

Nach dem BFH-Urteil v. 24.09.2014, V R 48/13, BStBl. II 2015, 506 finden die Grundsätze zu den Steuerberichtigungen im Insolvenzverfahren (Abschn. 17.1 Abs. 11 UStAE) sowie im Insolvenzeröffnungsverfahren bei Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters (Abschn. 17.1 Abs. 12 UStAE) regelmäßig auch im Falle der Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters Anwendung.

Mit BMF-Schreiben v. 20.05.2015, BStBl. I 2015, 476 waren u.a. die Grundsätze des BFH-Urteils v. 24.09.2014 umgesetzt worden. Danach werden auf Grund der Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO), mit Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO) oder mit Berechtigung zur Kassenführung die noch ausstehenden Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen im Augenblick vor der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens aus Rechtsgründen uneinbringlich. Uneinbringlich werden auch die Entgelte für die Leistungen, die der Insolvenzschuldner nach Bestellung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt, mit Recht zum Forderungseinzug oder mit Berechtigung zur Kassenführung bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens (§§ 26, 27 InsO) erbringt. In der Folge sind die Steuerbeträge für Leistungen, deren Entgelte aus Rechtsgründen uneinbringlich geworden sind, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen.

Sachverhalt

Mit BMF-Schreiben v. 18.05.2016 wurden dementsprechend Änderungen in Abschn. 17.1 UStAE vorgenommen. Soweit in dem BMF-Schreiben v. 09.12.2011, IV D 2 - S 7330/09/10001 : 001, BStBl. I 2011, 1273 von anderen Grundsätzen ausgegangen wurde, hält die Verwaltung hieran nicht mehr fest.

Entscheidung

Das BMF-Schreiben regelt, dass für Steuerbeträge aus Umsätzen, die nach der Bestellung des sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters erbracht worden sind, keine Berichtigung des Umsatzsteuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UStG in Betracht kommt. Diese Steuerbeträge gelten mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO.

Die Grundsätze zur Uneinbringlichkeit aus Rechtsgründen im Insolvenzverfahren finden auch im Falle der Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO) und dem Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO) Anwendung (vgl. BFH, Urt. v. 24.09.2014, V R 48/13, BStBl. II 2015, 506). Gleiches gilt bei der Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit dem Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO), mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ohne ausdrückliches Recht zum Forderungseinzug oder wenn der schwache vorläufige Insolvenzverwalter zur Kassenführung berechtigt ist. Steuerbeträge aus Umsätzen, die der Unternehmer vor Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit den vorgenannten rechtlichen Befugnissen erbracht hat, sind daher nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. mit Absatz 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt – im Unterschied zur Bestellung des sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. Abschn. 17.1 Abs.z 12 Satz 6 UStAE) – für die Steuerbeträge aus Umsätzen, die der Unternehmer danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt. Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit kommt es durch die Vereinnahmung des Entgelts nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung. Dem steht nicht entgegen, dass die erste Berichtigung auf Grund der Uneinbringlichkeit und die zweite Berichtigung auf Grund nachfolgender Vereinnahmung ggf. im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen. Die auf Grund der während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erfolgenden Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine sonstige Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO. Wegen der Einzelheiten zum Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO vgl. BMF-Schreiben v. 20.05.2015, BStBl. I 2015, 476 und vom 18.11.2015, BStBl. I 2015, 886. Erfolgt die Entgeltvereinnahmung erst während des eröffneten Insolvenzverfahrens, begründet die dadurch entstehende Steuerberichtigung eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. Abschn. 17.1 Abs. 11 UStAE).

Praxishinweis

Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils v. 24.09.2014, V R 48/13, BStBl. II 2015, 506 werden Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet. Für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist dabei auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen. Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht oder bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht. Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit kommt es durch die Entgeltentrichtung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung. Im Ergebnis werden die rechtlichen Auswirkungen des BFH-Urteils v. 09.12.2010, V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 (Abschn. 17.1 Abs. 11 UStAE) somit auf den Zeitpunkt der Bestellung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters vorverlegt.

In dem vom BFH in der Sache V R 48/13 entschiedenen Fall wurde vom Insolvenzgericht angeordnet, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters wirksam sind. Zudem ermächtigte das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter ausdrücklich, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Insolvenzschuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Welche Rechte und Pflichten dem vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter obliegen, entscheidet das Insolvenzgericht für den jeweiligen Einzelfall. Es ist auch möglich, dass Insolvenzgerichte das Recht auf Forderungseinzug nicht gesondert anordnen. Das BMF-Schreiben regelt gleichermaßen die Fälle des allgemeinen Zustimmungsvorbehalts des Insolvenzverwalters ohne ausdrückliches Recht zum Forderungseinzug oder wenn der schwache vorläufige Insolvenzverwalter zur Kassenführung berechtigt ist.

Die Grundsätze den BMF-Schreibens v. 18.05.2016 finden entsprechend der in dem BMF-Schreiben vom 18.11.2015, BStBl. I 2015, 886 getroffenen Übergangsregelung erstmalig auf Besteuerungstatbestände in Steuerfällen Anwendung, bei denen die Sicherungsmaßnahmen vom Insolvenzgericht nach dem 31.12.2014 angeordnet wurden. Wurden die Sicherungsmaßnahmen vom Insolvenzgericht vor dem 01.01.2015 angeordnet, sind in diesen Fällen die Regelungen in Rz. 11 bis 19 des BMF-Schreibens v. 17.01.2012, BStBl. I 2012, 120 bzw. des Abschn. 17 Abs. 13 Sätze 1 und 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens v. 09.12.2011, BStBl. I 2011, 1273 weiterhin anzuwenden.

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