EuGH zu Abgrenzungsfragen bei der Abwicklung von Zahlungen im Überweisungsverkehr über Kreditkartensysteme

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 26.05.2016, C-130/15, National Exhibition Centre Limited

Praxisproblem

Bei der Abwicklung von Zahlungen im Überweisungsverkehr, die über Kreditkartensysteme abgerechnet werden, können sich Abgrenzungsfragen ergeben, ob die Abrechnungen als steuerfreie Finanzumsätze oder als rein technische Dienstleistungen anzusehen sind, die der Umsatzsteuerpflicht unterliegen

Sachverhalt

Bei dem britischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Steuerbefreiung für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr gem. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie (jetzt: Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL).

Die Klägerin betreibt Veranstaltungszentren, die für gewerbliche und öffentliche Ausstellungen, Sportereignisse, Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt werden. Üblicherweise vermietet sie ihre Veranstaltungszentren an dritte Veranstalter und verkauft über eigene Verkaufsstellen (erkennbar) für Rechnung der Veranstalter Eintrittskarten für deren Veranstaltungen an Kunden. Die Klägerin erwirbt kein Eigentum an den Eintrittskarten und das Geld aus dem Eintrittskartenverkauf wird für Rechnung des jeweiligen Veranstalters vereinnahmt.

Bei bestimmten Zahlungsmethoden (z.B. Zahlung per Kreditkarte) erhob die Klägerin eine Bearbeitungsgebühr. Fraglich war, ob die Bearbeitungsgebühr das Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung eigener Art oder für eine steuerfreie Finanzdienstleistung darstellt. Das vorlegende Gericht verwies darauf, dass das Ausgangsverfahren mit dem Sachverhalt in einem anderen britischen Vorabentscheidungsersuchen vergleichbar ist (vgl. EuGH, Urt. v. 26.05.2016, C-607/14, Bookit).

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Gebühr der Klägerin bei den Kreditkartenzahlungen keine Gegenleistung für eine nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie steuerfreie Finanzdienstleistung darstellt. Unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung im Bereich der Finanzdienstleistungen führt der EuGH aus, dass die Überweisung ein Vorgang ist, der in der Ausführung eines Auftrags zur Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes besteht. Sie ist namentlich dadurch gekennzeichnet, dass sie zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen dem Auftraggeber und dem Empfänger auf der einen Seite und zwischen diesen und ihren jeweiligen Banken auf der anderen Seite sowie gegebenenfalls zwischen den Banken führt. Darüber hinaus ist der Vorgang, der zu dieser Änderung führt, allein die Übertragung der Gelder zwischen den Konten, unabhängig von deren Grund. Da die Überweisung nur ein Mittel zur Übertragung der Gelder ist, sind somit die funktionellen Aspekte für die Frage entscheidend, ob ein Vorgang eine Überweisung i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie darstellt.

Eine in der Abwicklung der Kartenzahlung bestehende Dienstleistung wie die im Ausgangsverfahren besteht nach dem Urteil im Wesentlichen aus einem Austausch von Informationen zwischen einem Gewerbetreibenden und seiner Händlerbank, der darauf abzielt, die Bezahlung für eine angebotene Ware oder Dienstleistung zu erhalten. Eine solche Leistung fällt nicht unter die Steuerbefreiung von Umsätzen im Zahlungs- und Überweisungsverkehr.

Praxishinweis

Das Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechung. Der EuGH hat sich bereits umfangreich zu der Steuerbefreiung für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr geäußert. In der Rechtssache C-2/95 (EuGH, Urt. v. 05.06.1997, SDC) hatte er entschieden, dass die entsprechenden Dienstleistungen eine Übertragung von Geldern bewirken und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führen müssen. Der Vorgang, der zu dieser Änderung führt, ist nach Ansicht des EuGH allein die Übertragung der Gelder zwischen den Konten unabhängig von deren Grund. Nicht begünstigt sind danach rein materielle oder technische Dienstleistungen. Der EuGH hat deutlich gemacht, dass hierfür der Umfang der Verantwortung des Dienstleisters zu betrachten ist, insbesondere, ob diese auf technische Aspekte beschränkt ist oder sich auf spezifische und wesentliche Elemente des steuerbefreiten Umsatzes erstreckt. Er hat auch klargestellt, dass Informationstätigkeiten im finanzwirtschaftlichen Bereich nicht von der Mehrwertsteuer befreit sein können. An diesen Grundsätzen hat der EuGH bis heute festgehalten (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 13.12.2001, C-235/00, CSC Financial Services, v. 29.10.2009, C-29/08, AB SKF, v. 28.07.2011, C-350/10, Nordea Pankki Suomi, v. 13.03.2014, C-464/12, ATP PensionService).

Mit Blick auf den Ausgangsfall konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeiten der Klägerin in diesem Sinne für sich betrachtet eine Übertragung von Geldern bewirken und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führen. Das Urteil bestätigt die deutsche Rechtslage. Umsätze im Überweisungsverkehr liegen nur dann vor, wenn die erbrachten Dienstleistungen eine Weiterleitung von Geldern bewirken und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führen (vgl. BFH, Urt. v. 13.07.2006, V R 57/04, BStBl. II 2007, 19).

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