Sanktionsmaßnahmen gegen Russland: Wettstreit um Absicherungs-Erklärungen bei Eisen und Stahl entflammt

Im Zuge der vielfältigen und mittlerweile sehr weitreichenden Sanktionsmaßnahmen gegen die Russische Föderation erreicht eine anfangs eher unscheinbare Formulierung aus dem sog. 11. Sanktionspaket mittlerweile lichte Höhen: Die „Nachweis-Klausel“ aus Art. 3g Abs. 1 Buchst. 1d der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 in der aktuellen Fassung führt im Zusammenhang mit den Eisen- und Stahlprodukten aus ihrem Anhang XVII zur Vorlagepflicht von Nachweisen über den nicht-russischen Ursprung von Ausgangsmaterialien der Importware im Rahmen der Einfuhrverzollung. Betroffen sind zahlreiche Waren der Kapitel 72 und 73 der Kombinierten Nomenklatur, die einem Einfuhr- und Kaufverbot in die bzw. innerhalb der EU unterliegen.

Dieses Verbot existiert auch schon seit vielen Monaten, und auch das Datum des 30.09.2023 für eine Erstreckung des Verbotes auch auf drittländische Produkte des Anhangs XVII, wenn sie denn Vormaterialien gleichfalls des Anhangs XVII mit Ursprung in Russland enthalten, war lange bekannt. Mit dem 11. Sanktionspaket zum 24.06.2023 neu formuliert wurde aber der nachlaufende Halbsatz, dass zum Zwecke des Nachweises der „sauberen“ Drittlandsware der Einführer zum Zeitpunkt der Einfuhr geeignete Nachweise für den nicht-russischen Ursprung der entsprechenden Vormaterialien vorzulegen hat.

Die deutsche Zollverwaltung hat mit Blick auf wochenlange Seefahrten von Containern mit betreffenden Produkten z. B. aus Fernost zwar sehr spät, aber letztlich noch rechtzeitig reagiert und ist den Anforderungen aus den FAQ der EU-Kommission entgegengetreten, nach denen nur sog. MTCs (Mill Test Certificates) aus dem Versendungsland für diesen Nachweis bei der Einfuhr ausreichend sein sollten. Die deutsche Zollverwaltung begnügt sich für die Einfuhr-Abfertigung mit der Angabe der entsprechenden Codierung „Y824“ und dem Vorhalten auch „sonstiger Nachweise“, wie Rechnungen, Lieferscheine, Qualitätszertifikate, Langzeitlieferantenerklärungen, Kalkulations- und Fertigungsunterlagen, Zolldokumente des Ausfuhrlandes, Geschäftskorrespondenzen, Produktionsbeschreibungen, Erklärungen des Herstellers oder Ausschlussklauseln in Kaufverträgen, aus denen der nicht-russische Ursprung der Vorprodukte hervorgeht. 

Nun aber ist zu beobachten, dass fast alle Wirtschaftsbeteiligten entlang der Lieferkette – außerhalb, aber vor allem auch innerhalb der EU – sich mit einer Vielzahl von selbst entworfenen Erklärungen überziehen, die auch ganz unterschiedliche Inhalte haben. Einmal wird von Zulieferern, egal wo sie sitzen und ob es sich auch tatsächlich um (betroffene) Anhang-XVII-Güter handelt, erst einmal pauschal die Zusicherung verlangt, dass man die EU-Sanktionen gegen Russland anerkennt und sich daran hält (auch wenn der Zulieferer in einem fernen Drittland sitzt und das sicher nicht erklären möchte), ein anderes Mal verlangt der in der EU ansässige Käufer eine umfangreiche Erklärung, dass Produkte, die irgendwie nach Eisen oder Stahl aussehen oder so etwas beinhalten könnten, und die er ggf. sogar im eigenen Land erwirbt, nicht unter Art. 3g fallen und verlangt dafür allerhand Nachweise verschiedenster Formen. 

Aus embargorechtlicher Sicht ist festzuhalten, dass dies wirklich nur in solchen Fällen notwendig ist, in denen sowohl die Import-Waren aus Drittländern als auch die Vormaterialien, die darin im Drittland, aus dem sie bezogen werden, verarbeitet wurden, in Anhang XVII erfasst sind/waren. Nur dann greifen die Importverbote bzw. Nachweispflichten für den Einführer zur Negativ-Abgrenzung. 

Für innerhalb der EU oder Deutschlands zirkulierende Waren des Anhangs XVII gilt gem. Art. 3g Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 zwar auch ein „Kaufverbot“ von Gütern mit russischen Vorprodukten. Hier sind jedoch nicht unter allen Beteiligten Nachweise zu führen oder vorzulegen; die Nachweisthematik bezieht sich nur auf die Zolleinfuhr.

In den letzten Wochen haben aber nunmehr zahlreiche Wirtschaftsbeteiligte angefangen, sowohl ihren Kunden als auch Zulieferern alle möglichen Erklärungen und Verpflichtungen abzuverlangen. Wirklich notwendig ist dies aber eben nur, wenn der Einführer bei bzw. nach der förmlichen Zolleinfuhr diese auch vorlegen/codieren und bei sich dokumentieren muss. Für Zukäufe innerhalb der EU oder gar Deutschlands kann man sich dies alles zivilrechtlich versichern, muss es aber nicht und das wird auch nicht von den Zollbehörden geprüft. Derartige Absicherungs-Verlangen stützen sich nicht auf die Embargo-Vorschriften, sondern in der Regel interne Compliance-Vorgaben, die über das rechtlich Erforderliche aber oft weit hinausgehen, damit „man etwas in der Hand hat“. Oft bürden sich die Unternehmen aus Unsicherheit oder Sorge um Sanktionierung von Verstößen in der Lieferkette hier mehr auf, als notwendig wäre. Besser ist, ein wenig Zeit in die zielgenaue Architektur dieser Erklärungen zu investieren.

Link:

Hinweise der deutschen Zollverwaltung zum Russland-Embargo

FAQ der EU-Kommission zum Russland-Embargo

Quellen:

Zoll online

European Commission
 

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