BFH zu Gebühren für zweite Leichenschau als durchlaufender Posten

Anmerkung zu BFH, Urteil vom 03.07.2014, V R 1/14; Gebühren für die zweite Leichenschau sind kein Entgelt für Feuerbestattungsleistungen, wenn sie das Krematorium im Namen und für Rechnung ihrer Auftraggeber (z.B. Bestatter oder bestattungspflichtige Erben) verauslagt

Praxisproblem

Nach § 10 Abs. 1 letzter Satz UStG gehören durchlaufende Posten nicht zum Entgelt. Sie liegen vor, wenn der Unternehmer, der die Beträge vereinnahmt und verauslagt, im Zahlungsverkehr lediglich die Funktion einer Mittelsperson ausübt, ohne selbst einen Anspruch auf den Betrag gegenüber dem Leistenden zu haben und auch nicht zur Zahlung an den Empfänger verpflichtet zu sein. Steuern, öffentliche Gebühren und Abgaben, die vom Unternehmer geschuldet werden, sind bei ihm hingegen keine durchlaufenden Posten, auch wenn sie dem Leistungsempfänger gesondert berechnet werden. Nach Abschnitt 10.4 Abs. 4 Satz 1 UStAE scheidet die Annahme eines durchlaufenden Postens auch aus, wenn der Unternehmer die Beträge gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger seiner Leistung schuldet. In dem BFH-Verfahren V R 1/14 war streitig, ob die von einem Krematorium (Klägerin) für eine sog. „zweite Leichenschau“ verauslagten und weiter berechneten öffentlichen Gebühren Teil der Bemessungsgrundlage der Einäscherungsleistung sind oder als durchlaufende Posten behandelt werden können. Das Krematorium hatte diese Gebühren – ohne selbst Gebührenschuldner zu sein – verauslagt und seinen Leistungsempfängern weiter berechnet. In seiner Buchführung und Preisauszeichnung hatte das Krematorium die Gebühren als durchlaufende Posten behandelt.

Sachverhalt

Vor der Feuerbestattung einer Leiche muss nach dem Bestattungsrecht von der zuständigen Gesundheitsbehörde eine sog. „zweite Leichenschau“ durchgeführt werden, um festzustellen, dass der Tod des Verstorbenen nicht auf unnatürliche Weise eingetreten ist. Diese Leichenschau ist ein hoheitlicher Rechtsakt und gebührenpflichtig. Die entsprechenden Gebührenbescheide waren an die Klägerin gerichtet, die die Gebühren ihren Auftraggebern (Bestattungsunternehmen, bestattungspflichtige Erben) lt. ihrer Preisliste ohne Umsatzsteuer weiter berechnete, während sie ihre übrigen Leistungen (Einäscherung etc.) mit Umsatzsteuer in Rechnung stellte. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Leichenschaugebühren bei der Klägerin keine durchlaufenden Posten seien, sondern zum Entgelt ihrer steuerpflichtigen Leistungen gehörten. Das Finanzgericht hatte im Vorverfahren entschieden, die Klägerin habe mit der zweiten Leichenschau keine Leistungen erbracht. Die Leistung der Klägerin, für die die Kunden das Entgelt aufwandten, habe i.d.R. in der Einäscherung bestanden. Hinsichtlich der Leichenschau sei eine Leistung der Klägerin nicht deshalb anzunehmen, weil sie Gebührenschuldnerin wäre. Gebührenschuldner gegenüber der Behörde seien vielmehr die bestattungspflichtigen Erben.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass die Gebühren für die zweite Leichenschau kein Entgelt für Feuerbestattungsleistungen sind, wenn sie das Krematorium im Namen und für Rechnung ihrer Auftraggeber verauslagt. Die Leistung der Klägerin bestand nur in der Einäscherung und die zweite Leichenschau wurde nicht vor ihr, sondern von der Gesundheitsbehörde an die Kunden der Klägerin erbracht, wobei die Klägerin als Vertreterin ihrer Kunden in Erscheinung trat. Das Auftreten der Klägerin bei der Verrechnung der Gebühren als vermittelnde Zahlstelle war allen Beteiligten in ausreichender Form offen gelegt. Da die Klägerin die zweite Leichenschau nicht als eigene Leistung von der Gesundheitsbehörde bezog, sondern insoweit ein Leistungsaustausch zwischen der Behörde und den Kunden der Klägerin bestand, war eine einheitliche – aus Einäscherung und zweiter Leichenschau bestehende – Leistung der Klägerin nicht anzunehmen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Gebühren nach der Gebührensatzung der Gesundheitsbehörde möglicherweise als Gesamtschuldnerin schuldet, kommt es nach dem Urteil entgegen Abschn. 10.4 Abs. 4 Satz 1 UStAE, wonach die Annahme eines durchlaufenden Postens ausscheidet, wenn der Unternehmer die Beträge gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger seiner Leistung schuldet, nicht an.

Praxishinweis

Das BFH-Urteil widerspricht der Regelung in Abschn. 10.4 Abs. 4 Satz 1 UStAE. Danach scheidet die Annahme eines durchlaufenden Postens aus, wenn der Unternehmer die Beträge gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger seiner Leistung schuldet. Nach dem BFH-Urteil ist ausschließlich maßgebend, ob ein anderer als der Unternehmer die Gebühr schuldet (hier die bestattungspflichtigen Erben). Wenn in einem solchen Fall der Unternehmer klar erkennen lässt, dass er die Gebühr nicht als eigene Leistung berechnet, stellt sie einen nicht zum Leistungsentgelt gehörenden durchlaufenden Posten dar.

Der BFH folgt der Regelung in Art. 79 Buchst. c MwStSystRL, wonach im Namen und für Rechnung Dritter verauslagte Beträge, die der Unternehmer weiter berechnet, als durchlaufende Posten anzusehen sind, wenn sie als solche in der Buchführung behandelt werden. Dem Unternehmer steht damit nach dem vorliegenden Urteil, wie es auch in Art. 79 Buchst. c MwStSystRL zum Ausdruck kommt, letztlich ein Wahlrecht zu, ob er die im Namen und für Rechnung seiner Leistungsempfänger verauslagten Beträge als Teil der Besteuerungsgrundlage erfasst wissen will oder nicht. Nimmt er die Behandlung als durchlaufende Posten in seiner Buchführung nicht vor, fallen die Beträge in die Bemessungsgrundlage für seine Leistung. Von diesem Wahlrecht hat die Klägerin nach dem Urteil erkennbar zugunsten eines durchlaufenden Postens Gebrauch gemacht. Sie hat die Gebühren nicht nur in ihrer Preisliste und ihren Abrechnungen gesondert aufgeführt, sondern auch gesondert in der Buchführung erfasst.

Für die Umsatzsteuerpraxis ist somit entscheidend, ob verauslagte Gebühren in der Preisliste des Unternehmens ohne Umsatzsteuerbelastung aufgeführt werden. Auf eine etwaige Gesamtschuldnerschaft hinsichtlich der Gebühren kommt es dann nicht mehr an. In solchen Fällen stellen sie nach der Wahl  des Unternehmers durchlaufende Posten dar.