BFH zum Vorsteuerabzug bei Erwerb von Gegenständen durch mehrere Erwerber

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 28.08.2014, V R 49/13; Keine Entnahme (unentgeltliche Wertabgabe) bei unentgeltlicher Überlassung eines von einer Bruchteilsgemeinschaft erworbenen Gegenstands von der Gemeinschaft an einen Gemeinschafter; Vorsteuerabzug bei Erwerb durch eine Bruchteilsgemeinschaft; Vorsteuerabzug bei zu niedrig ausgewiesener Umsatzsteuer

Praxisproblem

Beim gemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen durch mehrere Erwerber stellt sich stets die Frage, ob den sich zum gemeinschaftlichen Erwerb zusammengeschlossenen Erwerbern jeweils anteilig der Vorsteuerabzug zusteht oder ob die Erwerber eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit begründet haben, die allein die Vorsteuern aus dem Erwerb geltend machen kann. Außerdem bedürfen die Besteuerungsfolgen aus der Lieferung eines gemeinschaftlich erworbenen Gegenstands an einen Dritten einer kritischen Betrachtung. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Lieferung durch einen Gemeinschafter stets eine Entnahme seines Anteils aus dem Unternehmensvermögens eines Gemeinschafters und die Einlage in die Gemeinschaft und sodann einer angenommenen Lieferung der Gemeinschaft an den den Gegenstand veräußernden Gemeinschafter vorauszugehen hat, bevor der betreffende Gemeinschafter den Gegenstand an den Dritten veräußern kann.

Sachverhalt

Der Kläger betrieb eine Gastwirtschaft und unterhielt daneben einen landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Umsätze er nach Durchschnittssätzen versteuerte (§ 24 UStG). 2004 erwarb er zusammen mit K einen Mähdrescher. Sein Anteil an dem Mähdrescher betrug 20 %, der des K 80 %. Er ordnete seinen Miteigentumsanteil zwar seinem Unternehmensvermögen zu, nahm jedoch wegen der Besteuerung nach Durchschnittssätzen keinen gesonderten Vorsteuerabzug in Anspruch (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG). Zum 01.01.2006 verzichtete der Kläger auf die Besteuerung nach Durchschnittssätzen und unterwarf seine Umsätze fortan der Regelbesteuerung (§ 24 Abs. 4 UStG).

Am 07.12.2008 erwarb der Kläger den Miteigentumsanteil des K und machte die von K gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer von 10.450,33 € (10,7 % des Netto-Verkaufspreises von 97.666,67 €) als Vorsteuer geltend. Zudem korrigierte er den im Erwerbsjahr 2004 unterbliebenen Vorsteuerabzug nach § 15a UStG und nahm Vorsteuern in Höhe von 915,84 € in Anspruch. Er veräußerte den Mähdrescher am 12.12.2008 steuerfrei an eine Abnehmerin in Österreich.

Nachdem die Umsatzsteuer zunächst erklärungsgemäß festgesetzt worden war, änderte das beklagte Finanzamt im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Umsatzsteuerfestsetzung. Darin erhöhte es die steuerpflichtigen Umsätze wegen einer Entnahme des Miteigentumsanteils von 20 % und kürzte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Miteigentumsanteils von 80 %. Die Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze wegen einer Entnahme des Miteigentumsanteils um 24.000 € (Umsatzsteuer: 4.560 €) begründete das FA damit, dass dem steuerfreien Verkauf des Mähdreschers an die österreichische Abnehmerin eine Lieferung des Mähdreschers der Bruchteilsgemeinschaft an den Kläger vorausgegangen sein müsse; hierfür wiederum sei die vorherige Entnahme des jeweiligen Anteils aus dem Unternehmensvermögen der beiden Landwirte und eine Rückgabe an die Bruchteilsgemeinschaft zwingend erforderlich gewesen. Dies führe beim Kläger zur Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe. Die Kürzung der Vorsteuern beruhe darauf, dass der Kläger den Miteigentumsanteil von 80 % von der nichtunternehmerisch tätigen Gemeinschaft erworben habe. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage vor dem FG München (EFG 2013, 893) hatte Erfolg.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass eine umsatzsteuerpflichtige Entnahme des Anteils am Mähdrescher nicht vorliegt und der Kläger die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus dem Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Mähdrescher als Vorsteuer abziehen kann.

Einer Lieferung gegen Entgelt wird u.a. die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG) gleichgestellt. Eine Entnahme liegt aber nur dann vor, wenn der Vorgang bei entsprechender Ausführung an einen Dritten als Lieferung bzw. Werklieferung anzusehen wäre. Zur Erfüllung seiner Lieferverpflichtung hinsichtlich des Mähdreschers bedurfte es – entgegen der Ansicht des Finanzamts – keiner vorherigen Entnahme der Miteigentumsanteile aus dem Unternehmensvermögen und anschließender Lieferung des Mähdreschers von der Bruchteilsgemeinschaft an den Kläger, sondern lediglich der Übertragung des Anteils von K (80 %) auf den Kläger. Denn beim Erwerb des Mähdreschers durch den Kläger und K sind diese jeweils als Leistungsempfänger anzusehen, sodass ihnen bei der Anschaffung die Miteigentumsanteile direkt zuzurechnen waren.

Leistungsempfänger ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet wird. Im Falle der gemeinschaftlichen Bestellung durch eine Bruchteilsgemeinschaft, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und die selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Mehrwertsteuerrichtlinie ausübt, sind die Miteigentümer als Leistungsempfänger anzusehen. Durch die gemeinsame Anschaffung des Mähdreschers haben der Kläger und K keine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, insbesondere keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Zwischen den Beteiligten ist lediglich eine Bruchteilsgemeinschaft entstanden, weil über den Erwerb des Mähdreschers hinaus kein gemeinsamer wirtschaftlicher Zweck i.S.v. § 705 BGB verfolgt wurde. Es lag damit eine „Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft“ vor, die keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit ausübte (entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung: jetzt unter Abschn. 15.2b Abs. 2 Sätze 6 und 7 UStAE). Daraus folgt, dass sie ihren Anteil am Gegenstand ohne Zwischenerwerb durch die Gemeinschaft veräußern können. Nach dem Erwerb des Miteigentumsanteils von K war der Kläger Eigentümer und Verfügungsberechtigter des gesamten Mähdreschers, sodass er seinem Abnehmer – ohne vorherige Entnahme des Miteigentumsanteils – die Verfügungsmacht am Mähdrescher verschaffen und damit seine Lieferverpflichtung erfüllen konnte.

Der Kläger kann auch die ihm für die Übertragung des 80 %-Anteils am Mähdrescher von K in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs lagen im Streitfall vor, so der BFH: der Kläger war als Landwirt unternehmerisch tätig und er erwarb den Anteil am Mähdrescher für sein Unternehmen. Entgegen der Ansicht des Finanzamts erfolgte der Erwerb des Anteils nicht von der (nicht unternehmerisch tätigen) Gemeinschaft, sondern von dem Gemeinschafter K. Bei der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer handelte es sich auch um eine gesetzlich geschuldete Steuer. Dabei konnte dahinstehen, ob die Veräußerung des Anteils am Mähdrescher als Hilfsumsatz der Durchschnittssatzbesteuerung (10,7 %) unterliegt oder ob bei richtlinienkonformer Auslegung von § 24 UStG an dieser Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten wäre. Denn auch eine zu niedrig ausgewiesene Umsatzsteuer ist eine gesetzlich geschuldete Steuer und – sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen – als Vorsteuer abziehbar.

Praxishinweis

Der BFH hat entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung entschieden, dass die unentgeltliche Überlassung eines in Bruchteilsgemeinschaft erworbenen Gegenstands an einen der Gemeinschafter weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschaft begründet. Vielmehr sind die einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung der Rechtsprechung des BFH anschließt und Abschn. 15.2b Abs. 2 Sätze 6 und 7 UStAE ändern wird. Die Finanzverwaltung hat bislang stets nur für Zwecke des Vorsteuerabzugs, nicht aber auch für Zwecke der Weiterlieferung der Gegenstände durch die Gemeinschaft auf die dahinterstehenden Gemeinschafter hindurchgesehen.

Die Entscheidung zeigt erneut auf, welche umsatzsteuerrechtlichen Risiken gemeinschaftliche Erwerbe und Veräußerungen von Gegenständen mit sich bringen. Die Erwerbergemeinschaft muss sich stets im Klaren sein, ob der Erwerb durch sie selbst als anteilige Gemeinschafter oder durch die Gemeinschaft als Rechtspersönlichkeit erfolgen soll. Ist der Erwerb eines Gegenstandes durch eine bloße Bruchteilsgemeinschaft beabsichtigt, ist sicherzustellen, dass die durch den leistenden Unternehmer auszustellende Rechnung die einzelnen Gemeinschafter aufführt und nicht die Gemeinschaft als solche. Auch sollte bei beabsichtigter Bruchteilsgemeinschaft darauf geachtet werden, dass die Gemeinschaft als solche gar nicht nach außen gegenüber Dritten in Erscheinung tritt, sondern stets nur die Gemeinscher unter ihrem eigenen Namen selbst.

Beabsichtigen Unternehmer – in welcher Kooperationsform auch immer – gemeinschaftlich mit anderen Unternehmern Gegenstände zu erwerben oder gemeinschaftlich Umsätze zu tätigen und sind sie sich darüber im Unklaren, welche gesellschaftsrechtliche Struktur (Bruchteilsgemeinschaft – Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder andere Gesellschaftsformen) vorteilhaft ist und ohne Gefährdung des Vorsteuerabzugs durchgeführt werden kann, sollten sie sich bei der Erarbeitung einer risikoarmen Struktur unterstützen lassen. Haben Unternehmer bereits gemeinschaftlich mit anderen Unternehmern Gegenstände erworben, sollte im Sinne einer guten umsatzsteuerrechtlichen Compliance festgestellt werden, ob aufgrund der aktuellen Rechtsprechung Änderungen in der umsatzsteuerlichen Beurteilung angezeigt sind.