BFH zu Anforderungen an den Belegnachweis bei einem aus mehreren Abrechnungsteilen bestehenden Rechnungsdokument und zur Notwendigkeit der Kenntnis der Identität des Abnehmers

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 26.11.2014 XI R 37/12; Hinweis auf die Steuerbefreiung einer Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung erfordert bei einem aus mehreren Abrechnungsteilen bestehenden Rechnungsdokument keinen Verweis auf das andere Dokument, Notwendigkeit der Kenntnis der Identität des Abnehmers

Praxisproblem

Eine Rechnung kann grundsätzlich nur dann als ordnungsgemäß anerkannt werden, wenn sie alle nach §§ 14 Abs. 4, 14a UStG geforderten Merkmale enthält. Sind die Rechnungsmerkmale auf verschiedene Dokumente verteilt, kann insgesamt trotzdem von einer ordnungsgemäßen Rechnung ausgegangen werden, wenn die verschiedenen Dokumente aufeinander verweisen (so ausdrücklich in § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV). Der BFH hat nun klargestellt, dass es ausnahmsweise eines Verweises dann nicht bedarf, wenn die verschiedenen Dokumente bereits als „einheitliche“ Rechnung anzusehen sind.

Nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 UStG werden bestimmte Anforderungen an den Abnehmer einer innergemeinschaftlichen Lieferung gestellt. Der BFH hat seine Rechtsprechung nunmehr klärend dahingehend bestätigt, dass vor der Prüfung dieser Voraussetzungen zunächst klar sein muss, wer überhaupt Abnehmer der Lieferung ist. Kann der Lieferer die Identität des Abnehmers nicht belegen, so ist bereits deshalb die Steuerfreit der Lieferung zu versagen.

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2006 einen Handel mit hochwertigen Pkw. Streitig ist die Steuerfreiheit von PKW-Lieferungen an zwei Abnehmer:

1. Die Klägerin stellte am 1. und 20.02.2006 der von X geführten A-Automobile (A) in Ö (Österreich) jeweils die Lieferung eines Ferrari F430 F1 in Rechnung. Der Kaufpreis wurde jeweils mit „Exportpreis netto: € 159.000,--„ ausgewiesen; die Rechnungen enthielten ansonsten weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferungen noch auf weitere Dokumente. Ihnen beigefügt war jeweils eine „Anlage zur Rechnung“, die auf die jeweilige Rechnungsnummer und das jeweilige Rechnungsdatum verwies und den Hinweis „Bestätigung Innergemeinschaftlicher Lieferung“ enthielt. Im Übrigen waren Buch- und Belegnachweis vollständig. Im Rahmen eines später gegen X eingeleiteten Steuerstrafverfahrens gab dieser jedoch an, die beiden Pkw unter Verwendung von roten Fahrzeugkennzeichen eines anderen Händlers ohne Wissen des Geschäftsführers der Klägerin tatsächlich nicht nach Österreich verbracht zu haben. Zu beiden Pkw-Lieferungen liegen Auskünfte des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) im Bestätigungsverfahren gem. § 18e Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), Übernahmeprotokolle, die Kopie eines Gewerberegisterauszugs sowie Kopien des Deutschen Bundespersonalausweises von X vor. Unter den Ausweiskopien hatte dieser jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, als Bevollmächtigter der A zu handeln und am 1. bzw. 20.02.2006 einen Betrag von 159.000 € in bar an die Klägerin bezahlt zu haben.

2. Die Klägerin veräußerte im Streitjahr ferner einen Mercedes-Benz an B aus Spanien. Für die B trat eine Person auf, die sich als G ausgab. Die Klägerin stellte für die Pkw-Lieferung eine Rechnung an die B, in der der Kaufpreis mit „Exportpreis netto: € 51.000,--„ ausgewiesen wurde, die ansonsten keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielt und der eine Anlage zur Rechnung ebenfalls mit einem Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie ein Verbringungsnachweis beigefügt waren. Nach einem von der Klägerin vorgelegten Dokument hatte B eine Spedition beauftragt, den Pkw nach P (Spanien) zu transportieren. Dagegen sind auf dem CMR-Frachtbrief in dem Feld 1 (Absender) die Klägerin und im Feld 2 (Empfänger) „G“ mit der Adresse … (O) in Spanien genannt. Das Feld 3 zum Auslieferungsort enthält mit einer eingekreisten „2“ einen Hinweis auf das Feld 2 sowie den Zusatz „Espana“. Als Adresse der B ist auf dem Rechnungsdokument, der „Anlage zur Rechnung“ und dem Verbringungsnachweis jeweils O angegeben. Dagegen liegt die Adresse der B nach einem auf diesen Dokumenten aufgebrachten Stempelaufdruck in S in Spanien. Der Mercedes-Benz ML 280 CDI wurde nach Spanien versandt und nicht auf die B, sondern innerhalb kurzer Zeit nacheinander auf drei andere spanische Unternehmen zugelassen. In einer Antwort auf das Auskunftsersuchen des BZSt teilten die spanischen Behörden u.a. mit, das Profil der B gleiche einem sog. Missing Trader. Geschäftsführer der B sei Herr G gewesen, der erklärt habe, dass die Gesellschaft zwar „auf seinen Namen laufe“, er allerdings im Zusammenhang mit ihr keinerlei Einkünfte habe und ihr derzeitiger „Manager“ eine andere Person sei. Die gegenüber den Finanzbehörden angegebene Adresse der B sei die Wohnanschrift des G, an der eine Geschäftsausstattung für den Handel mit Fahrzeugen nicht vorhanden sei.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass die Lieferungen an A (Fall 1) als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei ist, die Lieferungen an B (Fall 2) hingegen nicht.

1. Die Pkw-Lieferungen an die A sind gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln. Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt zunächst voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nachkommt. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt. Diese Voraussetzungen liegen für die Pkw-Lieferungen an die A vor. Die Klägerin hat insoweit den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Belegnachweis erbracht. Die ursprünglichen Rechnungen vom 01. bzw. 20.02.2006 entsprechen den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG. Der gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderliche Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung fehlt diesen Rechnungen entgegen der Auffassung des FA nicht. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG muss eine Rechnung die dort aufgeführten Angaben enthalten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Aufgrund des dadurch gegebenen engen Bezugs zu dem mit „Rechnung“ überschriebenen Teil der Abrechnung, der einen „Exportpreis netto: € 159.000,--„ auswies, bildeten die genannten Erklärungen ein einheitliches Dokument über die Abrechnung der Pkw-Lieferungen und mithin in ihrer Gesamtheit das Rechnungsdokument über die jeweilige Pkw-Lieferung an die A. Da in dem mit „Rechnung“ überschriebenen Abrechnungsteil keine Umsatzsteuer enthalten ist und der mit „Anlage zur Rechnung“ überschriebene Abrechnungsteil auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, enthält das Rechnungsdokument den gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Weil die mit „Rechnung“ bzw. „Anlage zur Rechnung“ überschriebenen Abrechnungsteile eine einheitliche Rechnung bilden, greift auch nicht § 14 Abs. 6 Nr. 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach bei aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen in einem dieser Dokumente u.a. alle anderen Dokumente zu bezeichnen sind, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben. Da im Übrigen Beleg- und Buchnachweis ordnungsgemäß waren und nach Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls die Klägerin die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erfüllt hat, waren die Lieferungen als umsatzsteuerfrei zu behandeln.

2. Für die Lieferung des Mercedes-Benz sind die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt. Es steht nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da die Identität des Abnehmers der Pkw-Lieferung ungeklärt ist. Zwar ist die Ansicht, dass der gegenüber der Klägerin handelnde Abnehmer der Lieferung den Transport des Pkw nach Spanien durch eine Spedition veranlasst habe, nicht zu beanstanden. Denn die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gem. § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Dementsprechend war Abnehmer die Person, deren Identifizierung nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht möglich ist. Es kann auch nicht dahingestellt bleiben, ob tatsächlicher Abnehmer die B oder aber eine namentlich nicht bekannte Person gewesen sei, die im Namen der B, aber ohne Vertretungsmacht aufgetreten sei. Denn die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers („Erwerbers“) dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist. Mithin vermag der Umstand, dass die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als solche der Erwerbsbesteuerung unterliegt, die fehlende, zur zutreffenden Verlagerung der Steuereinnahmen jedoch notwendige Feststellung der Identität des Abnehmers nicht zu ersetzen. Die Zulassung des Pkw im Bestimmungsland auf eine andere Person als den Abnehmer reicht ebenfalls nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird. Mangels Identität des Abnehmers war die Umsatzsteuerfreiheit der Lieferung daher zu verweigern.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt einmal mehr auf, dass die Überprüfung der Voraussetzungen von innergemeinschaftlichen Lieferungen im Fokus finanzbehördlicher Prüfungen ist. Insbesondere dann, wenn durch Informationen ausländischer Finanzverwaltungen Steuerhinterziehungen für die streitigen Lieferungen im Raum stehen, werden die Finanzämter die formellen Anforderungen an die Steuerfreiheit der Lieferungen genauestens untersuchen, um der Steuerbefreiung den Boden zu entziehen. Vor diesem Hintergrund bietet sich ein umsatzsteuerliches Compliance-System an, das zeitnah zu den einzelnen Lieferungen das Vorliegen der Voraussetzungen sicherstellt, um nicht im Falle eines unredlichen Abnehmers den Steuerschaden zu tragen.

In diesem Zusammenhang hat der BFH mit seiner Entscheidung eine Erleichterung vorgesehen und andererseits eine erhebliche Hürde für einen erfolgreichen Nachweis bestätigt. Bei Rechnungen, die aus mehreren Abrechnungsteilen bestehen, aber eine einheitliche Rechnung bilden (z.B. durch den Hinweis „Anlage zur Rechnung“), greift die strenge Verweispflicht des § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV nicht ein. Andererseits hat der BFH erneut klargestellt, dass eindeutig nachgewiesen werden muss, wer Abnehmer der Lieferung ist, also dessen Identität. Um nicht Gefahr zu laufen, vorgeschobenen vollmachtlosen Vertretern, die unter falschem oder in falschem Namen agieren, die Waren zu übergeben, ist es erforderlich, dass derjenige, der die Ware abholt, seine Bevollmächtigung zum zivilrechtlichen Vertragspartner lückenlos nachweisen kann. Um umsatzsteuerlich risikoarm innergemeinschaftlich liefern zu können, muss daher vor jeder einzelnen Lieferung klar sein, welche Unterlagen und Dokumente von den Vertragspartnern und Transportpersonen bereitgestellt werden müssen, um den formellen Anforderungen genügen zu können.