BFH zu umsatzsteuerfreien Unterrichtsleistungen

Anmerkung zu: BFH, Beschl. v. 07.01.2015, V B 102/14; Unterrichtsleistungen von freien Mitarbeitern des Besucherdienstes beim Deutschen Bundestag

Praxisproblem

Lieferungen und sonstige Leistungen können unter den Voraussetzungen des § 4 UStG von der Umsatzsteuer befreit werden. Hierunter fallen unter bestimmten Voraussetzungen auch die Unterrichtsleistungen privater Schulen und selbstständiger Lehrer nach § 4 Nr. 21 UStG. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL regeln ebenso die Steuerbefreiung für Schul- und Bildungszwecke. Jedoch ist das Leistungsspektrum hier weiter gefächert, so dass bei Ausübung einer derartigen Tätigkeit überprüft werden muss, ob das Unionsrecht günstiger für den Steuerpflichtigen ist.

Sachverhalt

In den Streitjahren 2003 bis 2010 hatte der Antragsteller einen Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen. Im Rahmen dieses Vertrages erbrachte er als freier Mitarbeiter Dozentenleistungen für den Besucherdienst beim Deutschen Bundestag. Das Aufgabenfeld umfasste hierbei, bei Vorträgen und Führungen auf dem Gelände des Bundestages Gäste über die deutsche Parlamentsgeschichte, Funktion, Struktur und Arbeitsweise der deutschen Volksvertretung sowie über die demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zu informieren. Die Zielgruppe bestand aus Schülern, welche im Rahmen von mit öffentlichen Geldern bezuschussten Bildungsfahrten den Deutschen Bundestag besuchten, aber auch aus Ausbildungsgängen der Bundeswehr, aus Lehrern und anderen Ausbildern sowie sonstigen Multiplikatoren im Bereich der politischen Bildung.

Das Finanzamt erließ für die Streitjahre 2003 bis 2010 geänderte Umsatzsteuerbescheide und behandelte die Umsätze aus der oben genannten Tätigkeit als steuerpflichtig. Die vom Antragsteller eingereichte AdV lehnten sowohl das FA als auch das FG ab. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Steuerpflicht seiner Leistung, nicht gegen seine Unternehmereigenschaft, ließ das FG zu. Der BFH hob den angefochtenen Beschluss auf und gewährte die beantragte AdV.

Entscheidung

Nach den nationalen Vorschriften sind die Leistungen des Antragstellers steuerpflichtig. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 21 Buchst. a UStG liegen weder in der Person des Antragstellers noch in der seines Auftraggebers vor. Folglich war eine Steuerbefreiung auch nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG möglich.

Der BFH beschloss, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob die nach nationalem Recht bestehende Steuerpflicht mit dem Unionsrecht in Einklang stehe. Gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL befreien die Mitgliedsstaaten die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- und Hochschulunterricht, die Aus- und Fortbildung sowie die berufliche Umschulung und die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen von der Steuer. Hierbei werden die Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung begünstigt. Ferner ist der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von der Steuer befreit.

Bei summarischer Prüfung stellen die vom Antragsteller erbrachten Leistungen Schulunterricht i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL dar. Dies sei damit zu begründen, dass der Antragsteller staatspolitische und historische Themen in seinen Führungen und Vorträgen vorstelle. Die Aufgabe bestände darin, die Ausbildung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zu vervollständigen und Kenntnisse und Kompetenzen zu vermitteln, die im Kontext der Rahmenlehrpläne für Geschichte und Sozialkunde relevant sind. Die Einordnung als Schulunterricht sei durch die Feststellungen zu bestätigen, dass es zu den Aufgaben des Antragstellers gehöre, in Vorträgen und Führungen auf dem Gelände des Deutschen Bundestages dessen Gäste insbesondere über die deutsche Parlamentsgeschichte, über Funktion, Struktur und Arbeitsweise der deutschen Volksvertretung sowie über die demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zu informieren.

Ebenso sei bei der summarischen Prüfung festgestellt worden, dass die unternehmerbezogenen Voraussetzungen für die nach dem Unionsrecht zu gewährende Steuerfreiheit vorlägen. Dies gelte gleichermaßen für Art. 132 Abs. 1 Buchst. i sowie auch für Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.

Die Unterrichtstätigkeit des Antragstellers sei insbesondere deshalb anzuerkennen, da sie in Verbindung mit dem Gemeinwohlinteresse stehe oder da die Kosten zum großen Teil durch die Bundesrepublik Deutschland und somit durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts vergütet worden sei. Es bleibe jedoch fraglich, ob der Bundestag mit seinem Besucherführungsdienst als Träger einer Bildungseinrichtung in diesem Sinne anzusehen sei. Denn zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung sei „Träger einer Bildungseinrichtung“ nur, wer selbst entgeltliche Unterrichtsleistungen erbringe. Dies träfe auf den Besucherführungsdienst des Deutschen Bundestages nicht zu, da dieser seine Leistungen, wie gerichtsbekannt ist, unentgeltlich in der Öffentlichkeit anböte.

Praxishinweis

Es bleibt abzuwarten, ob die Leistungen von freien Mitarbeitern des Besucherdienstes beim Deutschen Bundestag als steuerpflichtig oder als steuerfrei zu beurteilen sind. Werden Leistungen in dem Bereich Schul- und Bildungszwecke ausgeübt, ist stets zu überprüfen, ob die unionsrechtlichen Vorschriften für den einzelnen Steuerpflichtigen günstiger sind als die nationalen Vorschriften.