BFH zu den Voraussetzungen die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ohne bekannte ausländische USt-IdNr. des Erwerbers

Anmerkung zu BFH, Urt. v. 21.01.2015, XI R 5/13; Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung, fehlende Mitteilung der Unternehmer die USt-IdNr. des Erwerbers

Praxisproblem

Auch nach dem EuGH-Urteil v. 27.09.2012, C-587/10, VSTR ist die Frage nicht vollends entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung möglich ist, ohne dass der Lieferer eine ausländische USt-IdNr. des Erwerbers aufzeichnen kann. In der Sache C-587/10 hatte der EuGH entschieden, dass das Unionsrecht es der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig zu machen, dass der liefernde Unternehmer die USt-IdNr. des Erwerbers „mitteilt“ (hiermit war aufgrund des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens gemeint, dass der Lieferer diese USt-IdNr. buchmäßig aufzeichnet). Diese Möglichkeit der Verknüpfung der Steuerbefreiung mit dem Nachweis der USt-IdNr. des Abnehmers gilt nach den weiteren Entscheidungsgründen des EuGH allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Steuerbefreiung nicht einzig aus dem Grund verweigert wird, dass die USt-IdNr. nicht aufgezeichnet wurde, wenn der Lieferer, nachdem er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Verpflichtung nicht erfüllen kann und er außerdem hinreichend belegen kann, dass der Erwerber ein Unternehmer ist, der bei dem Erwerb als solcher gehandelt hat. In einem Fall, in dem der Abnehmer einer innergemeinschaftlichen Lieferung überhaupt keine USt-IdNr. besitzt, könnte fraglich sein, ob überhaupt die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 6a UStG für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt werden können.

Sachverhalt

Im vorliegenden Streitfall ging es um die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Neben der Besonderheit, dass die Ware (hochwertiger Wein) in ein britisches Verbrauchsteuerlager transportiert worden war, war in dem Streitfall auch beachtlich, dass der Abnehmer der Lieferung über keine USt-IdNr. verfügte, da er auf den Cayman Islands ansässig war. Der liefernde Unternehmer hatte statt einer USt-IdNr. des Abnehmers die USt-IdNr. des nicht an der Lieferung beteiligten Lagerhalters aufgezeichnet. Insofern handelte es sich im Unterschied zum VSTR-Fall des EuGH nicht um ein Reihengeschäft, sondern um eine Warenlieferung zwischen zwei Unternehmern. Allerdings ging es – und darin liegt die Übereinstimmung mit dem VSTR-Fall des EuGH – um die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung an einen Abnehmer ohne USt-IdNr. Im Übrigen war in dem Verfahren streitig, ob Weinlieferungen in ein in Großbritannien belegenes Verbrauchsteuerlager als innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 S. 1 (insbes. Nr.3) UStG umsatzsteuerfrei sind, obwohl aufgrund einer Besonderheit des britischen Umsatzsteuerrechts der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs bei der Überführung von Waren in ein Verbrauchsteuerlager als außerhalb Großbritanniens angesehen werden kann.

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH ist – entgegen den Ausführungen des FG München – § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG vorliegend als erfüllt anzusehen. Zum einen handele es sich bei Wein um verbrauchsteuerpflichtige Ware, weshalb die sog. Exotenregelung keine Anwendung findet (vgl. § 1a Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 UStG analog). Zum anderen seien Verbrauchsteuerlager Teil des Inlands des betreffenden Mitgliedstaats, weshalb sich nach dem Unionsrecht der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs im übrigen Gemeinschaftsgebiet befinde und deshalb steuerbar sei. Sollte das britische Umsatzsteuerrecht tatsächlich hinsichtlich der Ortsbestimmung des innergemeinschaftlichen Erwerbs die für das FG München entscheidungserhebliche Besonderheit aufweisen, gehe dieses Umsetzungsdefizit des Vereinigten Königsreichs nicht zu Lasten der im Inland ansässigen Klägerin, die sich insoweit unmittelbar auf das für sie günstigere Unionsrecht berufen könne.

Jedoch verweist der BFH den Streitfall zurück an das FG München, da dieser mangels tatsächlicher Feststellungen nicht spruchreif sei. So habe das FG München nicht festgestellt, ob die Klägerin – wie vom EuGH in seinem Urteil vom 27.09.2012, C-587/10 VSTR gefordert – „gutgläubig gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden können“, um eine USt-IdNr. des Abnehmers mitteilen zu können. Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG sei – wie das FG München zutreffend festgestellt habe – nicht zu gewähren, weil die Klägerin ihre Nachweispflichten nicht erfüllt hat. Allerdings, und das ist beachtlich, hat der BFH dem FG zugleich den Hinweis gegeben, dass die Einholung einer Bestätigung des BZSt, dass die USt-IdNr. nicht vom Abnehmer, sondern von einem Dritten stammt, der Steuerbefreiung nach dem VSTR-Urteil des EuGH nicht entgegenstehe.

Praxishinweis

Spätestens nach diesem BFH-Urteil dürfte nicht davon auszugehen sein, dass noch nicht höchstrichterlich entschieden sei, ob die Existenz einer USt-IdNr. bzw. die Registrierung des Abnehmers in einem EU-Mitgliedstaat zum objektiven Tatbestand für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen, wonach der Erwerb in einem anderen Mitgliedstaat der Besteuerung unterliegen muss, gehört. Die Bundesregierung hatte ausweislich der Schlussanträge des Generalanwalts in dem EuGH-Verfahren VSTR vorgetragen, dass die Steuerbefreiung des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL) (materiell-rechtlich) zwingend und in jedem Fall voraussetzt, dass der Erwerber im Rahmen der Lieferung eine USt-IdNr. verwendet, die ihm ein anderer Mitgliedstaat erteilt hat. Diese Argumentation setzt denklogisch die Existenz einer USt-IdNr. des Erwerbers voraus. Der EuGH hat sich in seinem Urteil VSTR in Rz. 48 bis 51 offensichtlich mit dieser Argumentation auseinandergesetzt. Er stellt fest, dass die USt-IdNr. keine materiell-rechtliche Funktion, sondern nur eine formelle Funktion besitzt und keinen Einfluss auf die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat, wenn deren materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Gleichwohl misst der EuGH der USt-IdNr. in ihrer Funktion, die Unternehmereigenschaft des Erwerbers nachzuweisen, eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Er hält es für unstreitig, dass die USt-IdNr. eng mit der Unternehmereigenschaft zusammenhängt. Außerdem weist er darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen haben, damit der Unternehmer (und damit auch der Erwerber einer innergemeinschaftlichen Lieferung) eine eigene USt-IdNr. erhält. Gleichwohl kann die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach dem Urteil nicht (allein) vom Buchnachweis der USt-IdNr. des Abnehmers abhängig gemacht werden. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass der liefernde Unternehmer, teilt ihm der Abnehmer keine USt-IdNr. mit, die Lieferung einer Ware ins EU-Ausland ohne weiteres als steuerfrei behandeln kann. Der Lieferer muss sich unter diesen Umständen mit anderen Mitteln als der USt-IdNr. von der Unternehmereigenschaft seines Abnehmers überzeugen. Der Lieferer muss zusätzlich nachweisen, dass der Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Warenbewegung als Unternehmer handelt. Der Lieferer ist jedoch nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass der Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat die Erwerbsbesteuerung durchgeführt hat.

Die Bedeutung der USt-IdNr. für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung wird jedoch auch nach dem vorliegenden BFH-Urteil nicht klarer. Der BFH macht z.B. keine Ausführungen dazu, welche Maßnahmen i.S.d. EuGH-Urteils VSTR von einem Lieferer verlangt werden können, um eine USt-IdNr. des Abnehmers mitteilen zu können, wenn von Anfang an feststeht, dass der Abnehmer keine eigene USt-IdNr. besitzt, sondern er wie im vorliegenden Verfahren (und auch in der EuGH-Sache VSTR) die USt-IdNr. eines Dritten angibt. Fraglich wäre etwa, ob es dem Lieferer in solchen Fällen zumindest abverlangt werden kann, den Abnehmer aufzufordern, sich eine USt-IdNr. zuteilen zu lassen. Fraglich wäre auch, ob es bei einem vergeblichen Versuch, die USt-IdNr. des Abnehmers zu erhalten, geboten ist, zumindest die Gültigkeit der übermittelten USt-IdNr. (des Dritten) zu überprüfen. Hilfreich wären auch Hinweise des BFH zu der Frage gewesen, mit welchen anderen Mitteln als der USt-IdNr. sich der Lieferer von der Unternehmereigenschaft seines Abnehmers überzeugen kann.