BFH zum fehlenden Gutglaubensschutz bei unzutreffenden Rechnungsangaben

Anmerkung zu: BFH, Beschl. v. 20.01.2015, XI B 112/14; keine AdV bei fehlendem Gutglaubensschutz hinsichtlich der Rechnungsangaben des Leistungserbringers

Praxisproblem

Der Bundesfinanzhof hatte über die Frage zu entscheiden, wie weit der Gutglaubensschutz gehen (und Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides erfolgreich beantragt werden) kann, wenn Angaben in den Rechnungen des Leistungserbringers unzutreffend sind.

Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG sind in der Rechnung u.a. der vollständige Name und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers anzugeben. Der Leistungsempfänger hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug, wenn die erforderlichen Rechnungsangaben fehlen oder unzutreffend sind.

Zwar ist der Leistungsempfänger möglicherweise zum Abzug der Vorsteuer berechtigt, wenn er auf die Angaben des Lieferanten vertraute und sich diese Angaben später als falsch herausstellen. Fraglich ist jedoch, wann ein solcher Gutglaubensschutz eingreift und welche Maßstäbe dabei an die zumutbaren Prüfmaßnahmen des Unternehmers anzulegen sind, der den Vorsteuerabzug begehrt.

Sachverhalt

Die Antragstellerin begehrte für die Jahre 2010 und 2011 den Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer Firma „X“. In den betreffenden Rechnungen wurden jeweils die Anschrift „A-Str. 1,…B-Stadt“ und die Steuernummer „…“ angegeben. Sowohl die angegebene Postleitzahl als auch die angegebene Steuernummer existierten nicht.

Bei der Firma „X“ soll es sich um den Einzelkaufmann C handeln. Dieser war vom 10.05.2006 bis zum 31.01.2009 unter der Anschrift A-Straße 1, … B-Stadt gemeldet. Zwischen dem 01.02.2009 und 25.09.2009 war C melderechtlich nicht mehr erfasst. Seit dem 12.01.2009 war dem C die Führung eines Gewerbebetriebs untersagt und seit dem 01.01.2009 war er steuerlich nicht mehr geführt. Zusammen mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin (G) war C für das Vorgängerunternehmen der Antragstellerin, ein Einzelunternehmen der Ehefrau des G, tätig gewesen.

Mit Schreiben vom 16.09.2011 bestätigte C gegenüber der Antragstellerin, dass er die in den Rechnungen ausgewiesenen Leistungen selbst bzw. mit seinen eigenen Leuten ausgeführt habe und die Rechnungssummen in bar erhalten habe. Dem C sei nicht bewusst gewesen, dass sein Gewerbe nicht mehr existent sei, bis G ihm davon berichtet habe.

Im Anschluss an eine bei der Antragstellerin durchgeführte Außenprüfung versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des C mit der Begründung, dass der C in den Jahren 2010 und 2011 kein Gewerbe mehr betrieben habe und daher nicht als leistender Unternehmer anzusehen sei.

Zu demselben Ergebnis kam die Steuerfahndungsstelle, allerdings mit der Begründung, dass der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen zu versagen sei, weil die Rechnungen des C nicht dessen vollständigen Namen, keine zutreffende Anschrift und keine zutreffende Steuernummer enthielten.

Das für die Antragstellerin zuständige Finanzamt setzte daraufhin die Umsatzsteuer für die beiden Streitjahre entsprechend fest. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb sowohl bei dem Finanzamt als auch beim Finanzgericht erfolglos.

Der Bundesfinanzhof hat die dagegen eingelegte Beschwerde ebenfalls zurückgewiesen.

Entscheidung

Bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist nach Auffassung des BFH die Beschwerde der Antragstellerin unbegründet.

Nach Feststellung des Finanzgerichts sei zwar davon auszugehen, dass der C die streitbefangenen Leistungen tatsächlich ausgeführt habe, die betreffenden Rechnungen des C enthielten jedoch weder den vollständigen Namen noch die erforderliche (zutreffende) Anschrift des C. Sofern Rechnungsangaben fehlen oder unvollständig sind, hat der Leistungsempfänger grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus der Rechnung.

Zwar besteht nach Auffassung des BFH Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage, ob mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH (z.B. Urt. v. 21.06.2012, C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Dávid; Urt. v. 13.02.2014, C-18/13, Maks Pen EOOD) der Leistungsempfänger zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist, wenn er auf die Angaben des Lieferanten vertraute und sich diese Angaben später als falsch herausstellen. § 15 UStG sieht jedoch keinen Schutz des guten Glaubens vor, so dass Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht nach den Vorschriften des UStG, sondern ggf. nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gem. § 163, § 227 AO berücksichtigt werden können.

Vorliegend kann sich die Antragstellerin jedoch nicht auf Gutglaubensschutz berufen, da insbesondere das Fehlen weiterer im Geschäftsverkehr üblicher Kontaktdaten wie Telefonnummer, Telefaxnummer oder E-Mail-Adresse sowie Bankverbindung und die Vereinnahmung der Rechnungsbeträge in nicht geringer Höhe in bar hätten Anlass geben müssen, die Rechnungsangaben des C zu überprüfen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Zudem hätte sich die Antragstellerin nicht ohne weiteres auf die Angaben des C verlassen dürfen, da sie aufgrund des Schreibens vom 16.09.2011 bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung Kenntnis von der Gewerbeuntersagung des C gehabt hat.

Praxishinweis

Es zeigt sich somit einmal mehr, dass es sich bei der Umsatzsteuer um eine sehr „formelle Steuerart“ handelt und dass an die Prüfung von Eingangsrechnungen strenge Maßstäbe anzulegen sind. Sobald bestimmte Vorgaben und Formalien nicht eingehalten werden, wird der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung versagt.

Der Leistungsempfänger hat daher die in einer Rechnung enthaltenen Angaben auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen (BFH, Urt. v. 06.12.2007, V R 61/07). Dabei ist die Überprüfung der Richtigkeit der Steuernummer oder der inländischen USt-IdNr. und der Rechnungsnummer dem Rechnungsempfänger regelmäßig nicht möglich. Ist eine dieser Angaben unrichtig und konnte der Unternehmer dies nicht erkennen, bleibt der Vorsteuerabzug aus der Rechnung erhalten, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind. Hinsichtlich der übrigen nach §§ 14, 14a UStG erforderlichen Angaben (also auch hinsichtlich des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des Leistungserbringers) hat der Rechnungsempfänger jedoch die inhaltliche Richtigkeit der Angaben zu überprüfen (Abschn. 15.2a Abs. 6 Satz 8 UStAE).

Der Leistungsempfänger hat sodann grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug, wenn die erforderlichen Rechnungsangaben fehlen oder unzutreffend sind.

Zwar ist der Leistungsempfänger möglicherweise zum Abzug der Vorsteuer berechtigt, wenn er auf die Angaben des Lieferanten vertraute und sich diese Angaben später als falsch herausstellen. Der BFH stellt in seiner Entscheidung jedoch noch einmal klar, dass § 15 UStG keinen Gutglaubensschutz vorsieht. Von daher kommt ein Gutglaubensschutz nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme, z.B. nach § 163 oder § 227 AO in Betracht. Eine Berufung auf den Gutglaubensschutz kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn bereits das Fehlen im Geschäftsverkehr üblicher Kontaktdaten wie Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse sowie die Bankverbindung und die Vereinnahmung der Rechnungsbeträge in bar den Leistungsempfänger Anlass hätte geben müssen, die Rechnungsangaben zu prüfen. Dies gilt umso mehr, wenn der Leistungsempfänger zum Zeitpunkt der Leistungserbringung bereits Kenntnis hatte, dass dem Unternehmer die Ausübung des Gewerbes untersagt war.

Zu unterscheiden ist aber in jedem Fall zunächst die Frage, ob die Angaben wirklich unzutreffend sind. Hier hat das Finanzamt die Beweislast (vgl. abgeleitet aus Urt. v. 21.06.2012, C-80/11 und C-142/11, Mahagében und Dávid; Urt. v. 13.02.2014, C-18/13, Maks Pen EOOD). Zudem bleibt trotz des Beschlusses im ADV-Verfahren abzuwarten, wie eine derartige Frage in der Hauptsache zu entscheiden wäre. Angesichts der vorgenannten EuGH-Entscheidungen wird ein anderer Entscheidungssachverhalt, in denen Rechnungen mit den im Geschäftsverkehr üblichen Kontaktdaten und Angaben ausgestellt wurden, wohl anders entschieden. Gleichwohl sollten Unternehmen ihrer Rechnungseingangsprüfung und der Prüfung von Dienstleistern und Zulieferern erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Idealerweise wird ein Umsatzsteuer-Compliance-System eingerichtet, in dem die Prüfung von Debitoren und Kreditoren erfolgt und eine formelle Rechnungseingangsprüfung vor vergleichbaren Problemen schützt.