BFH zum Vorsteuerabzug bei beabsichtigter Unternehmensgründung

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 11.11.2015, V R 8/15

Praxisproblem

Zum Vorsteuerabzug sind ausschließlich Unternehmer i.S.d. §§ 2 und 2a UStG im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit berechtigt. Abziehbar sind hierbei auch Vorsteuerbeträge, die vor der Ausführung von Umsätzen oder die nach Aufgabe des Unternehmens anfallen, sofern sie der unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen sind. Die Unternehmereigenschaft beginnt mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen beabsichtigt ist (Verwendungsabsicht) und die Ernsthaftigkeit dieser Absicht durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird. In diesem Fall entfällt die Unternehmereigenschaft außer in den Fällen von Betrug und Missbrauch nicht rückwirkend, wenn es später nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung entgeltlicher Leistungen kommt.

Ein Unternehmer, der für Zwecke des Vorsteuerabzugs als Leistungsempfänger anzusehen ist, ist nach § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Besteht der direkte und unmittelbare Zusammenhang zu einem einzelnen Ausgangsumsatz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, der steuerpflichtig ist (bzw. von § 15 Abs. 3 UStG umfasst wird), kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen dieses Ausgangsumsatzes. Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und – als solche – Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen und berechtigen nach Maßgabe dieser Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug.

Erwirbt ein Gesellschafter, der bisher nur als Gesellschafter tätig ist, einen Gegenstand und überlässt er ihn der Gesellschaft entgeltlich zur Nutzung, wird er unternehmerisch tätig. Er kann die ihm beim Erwerb des Gegenstands in Rechnung gestellte Steuer unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer abziehen. Ein Abzug der auf den Erwerb des Gegenstands entfallenden Vorsteuer durch die Gesellschaft ist ausgeschlossen, weil der Gegenstand nicht für das Unternehmen der Gesellschaft geliefert worden ist. Die Gesellschaft kann ggf. die Vorsteuern abziehen, die bei der Verwendung des Gegenstands in ihrem Unternehmen anfallen (z.B. der Gesellschaft in Rechnung gestellte Steuer für Reparaturen usw.). Überlässt der Gesellschafter dagegen den Gegenstand unentgeltlich zur Nutzung, handelt er insoweit nicht als Unternehmer. In diesen Fällen ist weder der Gesellschafter noch die Gesellschaft berechtigt, die dem Gesellschafter beim Erwerb des Gegenstands in Rechnung gestellte Steuer als Vorsteuer abzuziehen.

Sachverhalt

In dem BFH-Verfahren V R 8/15 war der Kläger ein Arbeitnehmer, der über eine von ihm zu gründende Ein-Mann-GmbH eine unternehmerische Tätigkeit aufnehmen wollte. Die GmbH sollte die Betriebsmittel einer anderen Firma im Rahmen eines Unternehmenskaufs erwerben. Der Kläger wurde hierfür durch eine Unternehmensberatung für Existenzgründer und einen Rechtsanwalt beraten. GmbH-Gründung und Unternehmenskauf unterblieben. Der Kläger ging gleichwohl davon aus, dass er zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt sei. Die Vorinstanz (FG Düsseldorf, Urt. v. 30.01.2015, 1 K 1523/14) hatte der Klage stattgegeben und entschieden, ein Steuerpflichtiger ist als Einzelperson – vergleichbar einer Vorgründungsgesellschaft – berechtigt, aus Rechnungen über bezogene Beratungsleistungen zum Zweck der Vorbereitung und Errichtung einer Ein-Mann-GmbH die gesondert ausgewiesenen Vorsteuerbeträge abzuziehen, wenn objektiv erkennbar die Absicht bestand, mit der GmbH umsatzsteuerpflichtige Umsätze zu erzielen. Diesem Anspruch stünden weder der Umstand, dass zu keinem Zeitpunkt umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze getätigt wurden, noch die Tatsache, dass es tatsächlich nicht zur Gründung der Ein-Mann-GmbH kam, noch der Umstand, dass der Steuerpflichtige bei Bezug der Eingangsleistungen in der Gründungsphase nicht selbst als natürliche Person besteuerte Umsätze ausführen wollte, entgegen.

Entscheidung

Der BFH hat dies anders gesehen und den Vorsteuerabzug verneint. Zwar wäre der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, wenn er beabsichtigt hätte, das Unternehmen, dessen Betriebsmittel von der zu gründenden GmbH erworben werden sollten, selbst zu kaufen, um es als Einzelunternehmer zu betreiben. Dies gelte auch für den Fall einer erfolglosen Unternehmensgründung.

Als Gesellschafter einer – noch zu gründenden – GmbH bestand für den Kläger nach dem BFH-Urteil jedoch kein Recht auf Vorsteuerabzug. Zwar kann auch ein Gesellschafter den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, wenn er Vermögensgegenstände erwirbt, um diese auf die GmbH zu übertragen (Investitionsumsatz). Somit kommt ein Vorsteuerabzug z.B. dann in Betracht, wenn der Gesellschafter ein Grundstück erwirbt und dann in die GmbH einlegt. Demgegenüber waren die im Streitfall vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen nach dem BFH-Urteil nicht übertragungsfähig.

Praxishinweis

Aus der Entscheidung ergibt sich, dass der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll. Anders als bei Vorgründungsgesellschaft und GmbH sind natürliche Person und eine (spätere) GmbH stets unterschiedliche Steuersubjekte.

Ein Gesellschafter ist (für sich, neben der Gesellschaft) nur dann Unternehmer, wenn er entgeltliche Leistungen im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt. Wenn der Gesellschafter bei Gründung einer GmbH gegenüber der zu gründenden Gesellschaft keine entgeltlichen Leistungen erbringt und im Übrigen auch nicht unternehmerisch tätig ist, besteht kein Recht auf Vorsteuerabzug.

Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führt. So ist z.B. eine Vorgründungsgesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Vorgründungsgesellschaft ist Unternehmer, wenn sie die Veräußerung der von ihr erworbenen Vermögensgegenstände z.B. auf eine noch zu gründende AG bewirkt.

Bei einem „Investitionsumsatz“, bei dem es sich z.B. um die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft handelt, ist es nach der EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 01.03.2012, C-280/10, Polski Trawertyn) unzulässig, wenn weder der Gesellschafter noch die Gesellschaft den Vorsteuerabzug auf die Investitionskosten geltend machen dürfen, die vor Gründung und Eintragung der Gesellschaft von einem Gesellschafter für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden. Das setzt allerdings voraus, dass die von dem Gesellschafter bezogenen Leistungen (wie z.B. Vermögensgegenstände) auf die zu gründende Gesellschaft übertragbar sind. Diese Voraussetzung lag in dem vom BFH entschiedenen Fall nicht vor. Die GmbH (wäre sie gegründet worden) hätte die von dem potentiellen Gesellschafter bezogenen Beratungsleistungen nicht (mehr) für ihr Unternehmen nutzen können. Damit liegt ein ähnlicher Fall vor wie bei der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung eines Gegenstandes durch den Gesellschafter an seine Gesellschaft, die mangels wirtschaftlicher Tätigkeit ebenfalls nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bei der Gründung einer GmbH durch natürliche Personen sollte somit, um den Vorsteuerabzug zu sichern, die Leistung nicht an die natürlichen Personen erfolgen, wenn die spätere Gesellschaft diese Leistungen nicht nutzen kann und es sich nicht um Investitionsumsätze handelt. Wichtig ist, dass in solchen Fällen (insbesondere einer Ein-Mann-GmbH) die Leistungen von einer Vorgründungsgesellschaft bezogen werden (d.h. erst nach der notariellen Beurkundung), die die Leistung dann an die spätere Gesellschaft abgibt.