EuGH zu Subventionen und Bemessungsgrundlagen

Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 27.03.2014, C-151/13, Le Rayon d’Or SARL

Praxisproblem

Nach Art. 73 MwStSystRL (bis 31.12.2006: Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie), der die Steuerbemessungsgrundlage regelt, gehören zu dieser auch Subventionen, die unmittelbar mit dem Preis von Umsätzen zusammenhängen. Bei solchen regelmäßig von Dritten geleisteten Zahlungen stellt sich im Einzelfall die Frage, ob ein steuerbares Leistungsentgelt oder ein nicht steuerbarer Zuschuss vorliegt.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Beherbergungseinrichtung für ältere hilfsbedürftige Menschen und erhält von der Krankenkasse eine „Pflegepauschale“ gem. dem französischen Sozialgesetzbuch für die ärztlichen und sonstigen gesundheitspflegerischen Leistungen. Die Bewohner selbst müssen für ihre Pflege offenbar keine weiteren Zahlungen leisten. Bei den Berechnungsmodalitäten der „Pflegepauschale“ werden die Zahl der in einer Einrichtung aufgenommenen Bewohner und der Grad ihrer Hilfsbedürftigkeit berücksichtigt. Nach französischem Recht sind diese Pflegepauschalen von der Mehrwertsteuer befreit. Art. 261 Nr. 4 Ziff. 1°ter des Code général des impôts bestimmt, dass „die den in Art. L. 312-1 Abschn. I Ziff. 6 des Code de l’action sociale et des familles erwähnten älteren Menschen in privaten Beherbergungseinrichtungen erbrachten Pflegeleistungen, für die eine jährliche globale Pflegepauschale gem. Art. L. 174-7 des Code de la sécurité sociale gezahlt wird (…)“, von der Mehrwertsteuer befreit sind.

Die Klägerin machte geltend, dass die „Pflegepauschale“ nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fiele und folglich für die Bestimmung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nicht zu berücksichtigen sei. Die Bestimmungen des Art. 261 Nr. 4 Ziff. 1°ter des Code général des impôts verstießen, soweit sie eine Mehrwertsteuerbefreiung für Beträge vorsähen, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer lägen, gegen die 6. EG-Richtlinie und die MwStSystRL. Die Klägerin stützte dieses Vorbringen insbesondere darauf, dass es die Berechnungsmodalitäten der „Pflegepauschale“ nicht erlaubten, diese als Subvention einzustufen, die unmittelbar mit dem Preis der Pflegeleistungen, die den Bewohnern seitens der Beherbergungseinrichtungen für ältere hilfsbedürftige Menschen (EHPAD) erbracht würden, zusammenhänge. Zum einen seien die gegenüber den Bewohnern erbrachten Leistungen weder im Voraus bestimmt noch individualisiert, und ihr Preis werde den Bewohnern nicht mitgeteilt. Zum anderen könnten die Bewohner, da der Gesetzgeber den Grundsatz der kostenlosen medizinischen Behandlung in den EHPAD aufgestellt habe, sich sicher sein, dass sie unabhängig vom Betrag der an die Einrichtung gewährten Subvention und unabhängig davon, inwieweit diese sich zur Deckung der Kosten eigne, für die sie vorgesehen sei, in den Genuss dieser Unentgeltlichkeit kämen. Schließlich sei der Zuwendungsbetrag, den eine bestimmte Einrichtung erhalte, nicht mit den tatsächlichen Pflegekosten deckungsgleich. Die französische Finanzbehörde war dagegen der Auffassung, dass die „Pflegepauschale“ zur Gegenleistung der von der Klägerin erbrachten Pflegeleistungen gehöre, aber steuerfrei sei.

Vor diesem Hintergrund fragte das vorlegende Gericht, ob die von den Krankenkassen an die Beherbergungseinrichtungen für ältere hilfsbedürftige Menschen gem. dem französischen Sozialgesetzbuch gezahlte „Pflegepauschale“ eine Subvention i.S.d. Art. 73 MwStSystRL darstellt, die unmittelbar mit dem Preis der den Bewohnern erbrachten Pflegeleistungen zusammenhängt und in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die in Rede stehende französische „Pflegepauschale“ eine Gegenleistung für die von der Klägerin an ihre Bewohner erbrachten Pflegeleistungen darstellt, die von der Krankenversicherung als Drittem gezahlt wird. Den unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Pflegeleistungen und der Gegenleistung, deren Betrag im Voraus nach genau festgelegten Kriterien bestimmt wird, bejaht der EuGH. Aufgrund der dauerhaften Bereitschaft des Dienstleisters, die von den Bewohnern benötigten Pflegeleistungen zum gegebenen Zeitpunkt zu erbringen, brauche nicht nachgewiesen werden, dass sich eine Zahlung auf eine individualisierte, gezielte Pflegeleistung beziehe, die auf Verlangen eines Bewohners erbracht worden ist. Der Umstand, dass die Pflegeleistungen weder im Voraus bestimmt noch individualisiert sind und das Entgelt in Form einer Pauschale entrichtet wird, stehe dem nicht entgegen.

Praxishinweis

Mit der Frage der Einbeziehung von Subventionen in die Steuerbemessungsgrundlage hat sich der EuGH schon öfter befasst (vgl. EuGH, Urt. v. 22.11.2001, C-184/00, v. 13.06.2002, C-353/00, sowie v. 15.07.2004, C-144/02, C-381/01, C-495/01, C-463/02).

In seinem Urteil v. 22.11.2001, C-184/00 hatte der EuGH festgestellt, dass der Begriff der „unmittelbar mit dem Preis zusammenhängenden Subventionen“ i.S.v. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 73 MwStSystRL) dahin auszulegen ist, dass er nur Subventionen umfasst, die vollständig oder teilweise die Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen oder von Dienstleistungen sind und dem Verkäufer oder Dienstleistungserbringer von einem Dritten gezahlt worden sind. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der ihm unterbreiteten Tatsachen festzustellen, ob die Subvention eine solche Gegenleistung darstellt. In seiner Urteilsbegründung gab der EuGH weitere Auslegungshinweise, u.a. zur Festlegung von Pauschalen. Das vorliegende Urteil ist eine Weiterentwicklung dieser Grundsätze. Auffällig ist, dass der EuGH selbst das Vorliegen eines steuerbaren Leistungsentgelts entschieden und die Prüfung nicht wie sonst üblich dem nationalen Gericht überlassen hat.

Das deutsche Recht steht mit dem Urteil im Einklang. Pflegedienstleistungen, die an Pflegebedürftige erbracht und von den Sozialversicherungsträgern vergütet werden, sind nach § 4 Nr. 16 UStG regelmäßig steuerfrei, was die Steuerbarkeit der Leistungen voraussetzt.