BFH zur Sanktion von unrechtmäßiger Beantragung der Ausfuhrerstattung

Anmerkung zu: BFH, Beschl. v. 25.09.2015, VII B 55/15; Sanktionsverhängung bei beantragter Ausfuhrerstattung trotz Kenntnis von zweifelhafter Erstattungsfähigkeit

Praxisproblem

Die Zollverwaltung kann auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94) die unrechtmäßige Beantragung von Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen mit Finanzsanktionen ahnden.

Im vorliegenden Verfahren hatte die Klägerin Ausfuhrerstattungen für den Export von Rindfleisch aus sog. Isolierschlachtbetrieben beantragt, das nach Auffassung der Rechtsprechung keine „handelsübliche“ Qualität aufweist und daher nicht erstattungsfähig ist (EuGH, Urt. v. 26.05.2005, C-409/03).

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, welche Anforderungen an den Ausführer gestellt werden, um von einer verantwortlichen Falschbeantragung auszugehen bzw. wann der Ausnahmetatbestand des Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 greift.

Sachverhalt

In den Jahren 1997 und 1998 exportierte die Klägerin Rindfleisch aus sog. Isolierschlachtbetrieben in Drittländer und nahm dafür Ausfuhrerstattungen in Anspruch. Mit Erlass v. 16.09.1997 verneinte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Erstattungsfähigkeit von Fleisch aus Isolierschlachtbetrieben, woraufhin die Zollbehörde die gewährten Erstattungen zurückforderte.

Darüber hinaus erließ die Behörde am 23.11.1999 einen Sanktionsbescheid unter Berufung auf Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht zurück. In der anschließenden Revision setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen mit der Frage vor: „Ist eine Sanktion gegen einen Ausführer zu verhängen, der unter zutreffender Darstellung des für die Gewährung von Ausfuhrerstattung maßgeblichen Sachverhalts einen Erstattungsantrag stellt, obwohl für die betreffende Ausfuhr ein Erstattungsanspruch tatsächlich nicht besteht?“

Der EuGH führte in seinem Urteil (C-562/11) v. 06.12.2012 aus, dass für eine Sanktion gem. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 die objektive Bejahung der Voraussetzungen ausreichen würde, d.h. ein guter Glaube des Ausführers unbeachtlich sei. Allerdings müsse das Gericht überprüfen, ob die Gesamtheit der Umstände ausnahmsweise ein Entfallen der Sanktion i.S.v. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 rechtfertige.

Daraufhin verwies der BFH mit Urteil v. 14.05.2013 die Sache an das Finanzgericht zurück, das nunmehr im Sinne der Vorentscheidung des EuGH klären sollte, ob von einer Sanktion abzusehen sei.

Das Finanzgericht hob den Sanktionsbescheid im zweiten Rechtsgang zum Teil auf: Das Gericht differenzierte dabei nach der Kenntnis der Klägerin bezüglich der Rechtsauffassung des BMF. Aufgrund der damaligen Verwaltungspraxis und der Tatsache, dass der Erlass des BMF nicht veröffentlicht wurde, durfte die Klägerin von einem Erstattungsanspruch ausgehen. Im Januar 1998 teilte ihr jedoch die Zollbehörde in einem Telefonat die Auffassung des BMF mit. Trotzdem beantragte die Klägerin in der Folgezeit die endgültige Ausfuhrerstattung durch Freigabe der Sicherheiten für entsprechende Vorschüsse. Für den Zeitraum ab Januar 1998 verneinte das Finanzgericht daher eine Ausnahme i.S.d. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision unter Berufung auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO („gravierender Rechtsanwendungsfehler“).

Entscheidung

Der BFH hat die Beschwerde mit Beschluss vom 25.09.2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Zulassungsgrund sei bereits nicht schlüssig dargelegt (vgl. § 116 Abs. 3 S. 3 FGO). Ein Rechtsanwendungsfehler des Finanzgerichts läge nicht vor. Der EuGH habe die Gesamtwürdigung der Umstände, die für ein Entfallen der Sanktion sprächen, ausdrücklich den nationalen Gerichten überlassen und nur darauf hingewirkt, dass eine Ausnahme i.S.d. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 überhaupt in Betracht gezogen würde.

Die geforderte umfassende Abwägung der Situation habe das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang vorgenommen. Der Antrag auf Freigabe der Sicherheiten für eine endgültige Ausfuhrerstattung verlagere nur den Zeitpunkt der rechtlichen Prüfung, ändere aber nichts daran, dass die Klägerin Kenntnis von der geänderten Rechtslage hatte. Damit habe sie das Risiko einer unrechtmäßigen Erstattung zu Lasten des Unionshaushalts erhöht.

Praxishinweis

Unternehmen sollten zum einen wissen, dass die Zollverwaltung neben der Rückforderung von unrechtmäßigen Ausfuhrerstattungen Sanktionen verhängen kann, sodass sich das finanzielle Risiko bei unzutreffender Beantragung von Subventionen beträchtlich erhöht.

Zum anderen sind die Anforderungen des Ausnahmetatbestandes Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 verhältnismäßig hoch, d.h. eine Falschbeantragung fällt in der Regel in den Verantwortungsbereich des Unternehmens. Dessen Informationspflicht in Bezug auf Rechtsänderungen ist daher auch hier von Bedeutung.