FG Hamburg zur Nacherhebung von Antidumpingzoll

Anmerkung zu: FG Hamburg, Beschl. v. 17.11.2015, 4 V 121/15; Nacherhebung von Antidumpingzoll bei Vorlage einer formal fehlerhaften Handelsrechnung.

Praxisproblem

Die Verordnung (EU) Nr. 501/2013 weitet die Erhebung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhr von Fahrrädern auf Indonesien, Malaysia, Sri Lanka und Tunesien aus – die ursprüngliche Verordnung betrifft die Volksrepublik China. Eine Ausnahme ist nur für die in Art. 1 Abs. 1 a.E. aufgeführten Unternehmen vorgesehen. Die Befreiung setzt gem. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 voraus, dass bei der Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eine Handelsrechnung vorliegt, die den im Anhang der Verordnung aufgeführten Anforderungen entspricht.

Im Verfahren vor dem FG Hamburg hatte die Zollbehörde Antidumpingzoll i.H.v. insgesamt 300.306,48 € auf Einfuhren von Fahrrädern aus Sri Lanka nacherhoben und sich auf fehlerhafte Handelsrechnungen berufen: Es fehlte insbesondere die Angabe des TARIC-Zusatzcodes („TARIC additional code“) für das vom Antidumpingzoll befreite Unternehmen.

Sachverhalt

Im Januar 2015 wurden Fahrräder aus Sri Lanka in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt. Es handelte sich um 39 Einfuhren, bei denen bis auf eine Ausnahme nur der entsprechende Drittlandszollsatz festgesetzt wurde, da den Anmeldungen Handelsrechnungen eines gem. Art. 1 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 501/2013 von Antidumpingzoll befreiten Unternehmens beilagen.

Bei der nachträglichen Prüfung der Anmeldungen infolge eines Erstattungsantrags hinsichtlich einer Anmeldung stellte die Zollbehörde formale Mängel der eingereichten Handelsrechnungen fest: Unter Hinweis auf die fehlende Datierung der Unterschriften und die unterbliebene Angabe des TARIC-Zusatzcodes des privilegierten Unternehmens erhob die Zollbehörde mit Bescheid v. 17.02.2015 Antidumpingzoll i.H.v. 300.306,48 € nach.

 Am 20.02.2015 legte der Antragsteller Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid ein und beantragte gleichzeitige die Aussetzung der Vollziehung. Dieser Antrag wurde am 21.04.2015 abgelehnt. Insbesondere sei die Angabe des Zusatzcodes nur in der elektronischen Anmeldung nicht ausreichend. Die Voraussetzungen des vom Antragsteller geltend gemachten Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex lägen nicht vor, da ein eventueller Irrtum hinsichtlich der Rechnungsformalien dem Antragsteller jedenfalls vernünftigerweise hätte auffallen müssen. Gegen die Ablehnungsentscheidung legte der Antragsteller am 28.04.2015 Einspruch ein, der am 19.08.2015 durch den Antragsgegner zurückgewiesen wurde.

Nach Zurückweisung wandte sich der Antragsteller am 22.08.2015 mit einem Eilantrag auf Aussetzung der Vollziehung an das FG Hamburg.

Entscheidung

Das FG Hamburg hat den Antrag mit Beschluss vom 17.11.2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes ist zu beachten, dass nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO im Geltungsbereich des Zollkodex Art. 244 Unterabs. 2 heranzuziehen ist. Dessen Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Senats nicht vor: Die Nacherhebung des Antidumpingzolls gem. Art. 220 Abs. 1 Satz 1 Zollkodex unter Berufung auf formale Mängel der Handelsrechnungen sei rechtmäßig.

Das Gericht schließt sich der Begründung der Zollbehörde an und betont vor allem folgende Aspekte: Zum einen mache die in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 501/2013 ausdrücklich angeordnete Rechtsfolge der Zollerhebung deutlich, dass das Kriterium der formal gültigen Handelsrechnung allein entscheidend sei. Es handele sich nicht um eine bloße „Förmelei“. Jedenfalls die fehlende Angabe des TARIC-Zusatzcodes stelle einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 501/2013 dar. Die strenge Rechtsfolge korrespondiere mit der Tatsache, dass im Anhang der Verordnung die Anforderungen an die Rechnungsform detailliert aufgelistet werden. Daher sei jedenfalls von einem vermeidbaren Irrtum auszugehen, sodass sich der Antragsteller nicht auf Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex berufen könne.

Die Befreiung von Antidumpingzoll stelle zum anderen eine Ausnahmeregelung dar, die nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist (EuGH, Urt. v. 17.09.2014, C-/13). Somit könne von den eindeutigen Formvorgaben nicht abgewichen werden.

Praxishinweis

Der Beschluss des FG Hamburg verdeutlicht die restriktive Handhabung von Ausnahmen bei der Erhebung von Antidumpingzoll. Formale Vorgaben an Nachweisdokumente sollten angesichts des hohen finanziellen Risikos ernst genommen werden. Bei der Einschaltung von Vertretern bei der Zollanmeldung (im vorliegenden Fall hatte sich der Einführer durch eine Speditionsgesellschaft vertreten lassen) ist deren Sachkenntnis von erheblicher Bedeutung. Im Hinblick auf Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex bleibt festzuhalten, dass auch hier die Anforderungen an juristische Laien verhältnismäßig hoch sind und den Wirtschaftsbeteiligten die Pflicht zukommt, sich über die Existenz und die Voraussetzungen von maßgeblichen Rechtsnormen eigeninitiativ zu informieren.