BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

Anmerkung zu: BFH, Urteile v. 02.12.2015, V R 25/13, V R 15/14 und V R 67/14 und v. 03.12.2015, V R 36/13

Praxisproblem

Aufgrund der jüngeren EuGH-Rechtsprechung zu dem Institut der Organschaft war mit Spannung zu erwarten, wie der BFH auf diese Rechtsprechung mit Blick auf das nationale Recht reagieren würde. Während die Folgeentscheidungen des XI. Senats aus den Vorlageverfahren noch ausstehen, hat der V. Senat nun – auf Basis der EuGH-Rechtsprechung – in den ihm vorliegenden Revisionsverfahren zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft entschieden.

a) Nichtunternehmer als Teil eines Organkreises?

Mit Urteil v. 09.04.2013, C-85/11, Kommission/Irland hatte der EuGH entschieden, dass es nach Art. 11 MwStSystRL zulässig ist, auch nichtsteuerpflichtige Personen (Nichtunternehmer) in eine Mehrwertsteuergruppe (Organschaft) einzubeziehen. Es sei nach dem Wortlaut der Vorschrift jedem Mitgliedstaat gestattet, mehrere Personen unter den weiteren Voraussetzungen der Regelung zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Die Vorschrift mache nach ihrem Wortlaut die Anwendung nicht von weiteren Voraussetzungen und insbesondere nicht davon abhängig, dass die genannten „Personen“ selbst einzeln die Unternehmereigenschaft nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL besitzen müssen. Da das Wort „Personen“ und nicht das Wort „Steuerpflichtiger“ verwendet wird, sei hinsichtlich der Möglichkeit ihrer Zugehörigkeit zu einer Mehrwertsteuergruppe kein Unterschied zwischen steuerpflichtigen und nichtsteuerpflichtigen Personen zu machen. Nach den weiteren Urteilsgründen kann die Einbeziehung von Nichtunternehmern in eine Organschaft zu Verwaltungsvereinfachungen führen und missbräuchliche Gestaltungen verhindern. Für den Fall, dass die Einbeziehung von Nichtunternehmern in eine Organschaft zu Missbräuchen führt, haben die Mitgliedstaaten nach dem Urteil über Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL die Möglichkeit, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dieser Hinweis des EuGH wird dahingehend ausgelegt, dass das Urteil nicht so verstanden werden muss, als gebe es für die Mitgliedstaaten einen Zwang, Nichtunternehmer (bei gegebenen finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtungen) in eine Organschaft einzubeziehen.

Nach dem EuGH-Urteil v. 25.04.2013, C-74/11, Kommission/Finnland kann die Einbeziehung von Nichtunternehmern in eine Organschaft zu Verwaltungsvereinfachungen führen und missbräuchliche Gestaltungen verhindern. Für den Fall, dass die Einbeziehung von Nichtunternehmern in eine Organschaft zu Missbräuchen führt, haben die Mitgliedstaaten nach dem Urteil über Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL die Möglichkeit, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dieser Hinweis wurde von der deutschen Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben v. 5.5.2014, BStBl. I 2014, 820) als Hinweis gedeutet, dass das Urteil nicht so verstanden werden muss, als gebe es für die Mitgliedstaaten einen Zwang, Nichtunternehmer (bei gegebenen finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtungen) in eine Organschaft einzubeziehen.

b) Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Branchen?

Mit Urteil v. 25.04.2013, C-480/10, Kommission/Schweden hatte der EuGH die Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission abgewiesen. Die Kommission war der Auffassung gewesen, eine nationale Regelung für Mehrwertsteuergruppen müsse auf alle Unternehmen anwendbar sein, die ihren Sitz in dem Mitgliedstaat haben, der die Organschaftsregelung in Art. 11 MwStSystRL anwendet, unabhängig davon, welcher Art von Tätigkeit das Unternehmen nachgeht. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sei ein einheitliches System. Die Einführung einer Sonderregelung in dieses System müsse daher grundsätzlich so erfolgen, dass die Regelung allgemein gelte. Im Wortlaut von Art. 11 MwStSystRL deute nichts darauf hin, dass ein Mitgliedstaat die Anwendbarkeit einer Regelung für Mehrwertsteuergruppen auf bestimmte Unternehmen beschränken dürfe, die in einem bestimmten Sektor tätig seien. Auch der mit Art. 11 MwStSystRL verfolgte Zweck spreche dafür, die Bestimmung dahin auszulegen, dass sie für Unternehmen aller Sektoren gelte. Außerdem verstoße die schwedische Regelung gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung. Schweden hatte u.a. geltend gemacht, dass die Beschränkung der Organschaft auf Unternehmen, die der Finanzaufsicht unterliegen, der Verhinderung von Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung diene.

Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ist eine Kannbestimmung, wonach es den Mitgliedstaat gestattet ist, mehrere Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, wenn sie im Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässig, und zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Nach dem EuGH-Urteil ist die Regelung nach ihrem Wortlaut nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig. Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL sieht für die Mitgliedstaaten auch nicht die Möglichkeit vor, den Unternehmern weitere Bedingungen für die Bildung einer Organschaft aufzubürden, wie z.B. dass sie eine bestimmten Tätigkeit ausüben oder zu einer bestimmten Branche gehören müssen. Für eine solche restriktive Auslegung der Vorschrift sieht der EuGH keine Möglichkeit. Allerdings haben die Mitgliedstaaten nach dem Urteil über Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL, wonach Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen erlaubt sind, die Anwendung der Organschaftsregelung zu beschränken, wobei das Unionsrecht (d.h. wohl insbesondere das Neutralitätsprinzip) gewahrt werden muss.

Schweden hatte die Beschränkung der Organschaftsregelung damit begründet, dass sie zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen nur Unternehmen offen stehen sollte, die unmittelbar oder mittelbar der Überwachung der Finanzaufsicht und somit einem Regelwerk öffentlicher Kontrolle unterlägen. Die Kommission hatte nach dem EuGH-Urteil nicht überzeugend nachgewiesen, dass eine solche Maßnahme im Hinblick auf den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung nicht begründet wäre. Soweit die Kommission ihren Klageantrag mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz begründet hatte, war die Klage unzulässig, weil die Kommission im vorprozessualen Verfahren insoweit noch von einem Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz ausgegangen war und daher eine unzulässige Erweiterung des Klageantrags im Vergleich zu der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorlag.

c) Personengesellschaften als Organgesellschaften, Unter-/Überordnungsverhältnis?

Mit Urteil v. 16.07.2015, verb. Rs. C-108/14 und C-109/14 hatte der EuGH entschieden, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 11 MwStSystRL) im Unterschied zu anderen Bestimmungen der 6. EG-Richtlinie, insbesondere ihren Art. 28a und 28b (jetzt verschiedene Art. der MwStSystRL, insbesondere Art. 138 ff.), die sich ausdrücklich auf „juristische Personen“ beziehen, nicht per se Gesellschaften von seinem Anwendungsbereich ausschließt, die – wie die Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren – keine juristischen Personen sind. Auch sieht nach der Entscheidung Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 11 MwStSystRL) insbesondere nicht vor, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass ausschließlich juristische Personen Mitglieder einer Organschaft sein könnten. Der BFH als vorlegendes Gericht sollte prüfen, ob der Ausschluss von Personengesellschaften von der Eigenschaft als Organgesellschaften den in Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL geregelten Zielen dient und eine für diese Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme ist. Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie bringt nach der Entscheidung nicht zum Ausdruck, dass Organgesellschaften in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger stehen müssen.

Schließlich hatte der EuGH noch entschieden, dass Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie kein unmittelbares Berufungsrecht eröffnet. Die Vorschrift ist im Sinne der bisherigen Rechtsprechung nicht unbedingt. Die in der Bestimmung aufgestellte Voraussetzung, nach der die Bildung einer Organschaft davon abhängt, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht bestehen, bedarf einer Präzisierung auf nationaler Ebene. Die Vorschrift hat daher insoweit einen bedingten Charakter, als sie die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen.

Sachverhalt

Beim V. Senat des BFH waren zur Organschaft vier Revisionsverfahren (V R 25/13, V R 36/13, V R 15/14 und V R 67/14) anhängig, über die der BFH am 02.12. und 03.12.2015 entschieden hat. (Die Nachfolgeentscheidungen des XI. Senats aus den deutschen Vorlageverfahren an den EuGH „Larentia + Minerva“ und „Marenave“ stehen noch aus.)

a) Personengesellschaft als Organgesellschaft?

In der Sache V R 25/13 ging es um die Frage: Ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bei Geltendmachung eines Anwendungsvorrangs unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern, dass auch eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co KG in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert (also Organgesellschaft) sein kann? Streitig war, ob eine AG als Organträger – ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft – nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-KGs als Organgesellschaften erbracht hatte.

b) Kriterien der finanziellen und organisatorischen Eingliederung

In der Sache V R 15/14 war streitig, ob eine A-GmbH als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an eine B-GmbH & Co. KG als Organträger erbringen kann. Die B-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Die A-GmbH erbrachte entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die B-KG, die die B-KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete.

c) Nichtunternehmer als Teil eines Organkreises ?

In der Sache V R 67/14 war streitig ist, ob eine GmbH steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt an ihren Alleingesellschafter erbracht hatte. Der Alleingesellschafter ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen hat. Dies umfasst die Zurverfügungstellung von Notdiensten in Bereitschaftsdienstpraxen (BDP). Die ärztliche Tätigkeit wird dabei durch Ärzte erbracht, die ihre Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbringen und abrechnen. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist hoheitlich tätig und damit Nichtunternehmer. Geschäftsführer der GmbH war der stellvertretende Geschäftsführer der Körperschaft des öffentlichen Rechts.

d) Geschäftsveräußerung im Ganzen und Organschaft

In dem Verfahren V R 36/13 war streitig, ob im Rahmen einer Betriebsaufspaltung eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen kann. Nach dem Sachverhalt brachte ein Einzelunternehmer die Wirtschaftsgüter ohne Anlagevermögen in eine GmbH & Co. KG ein und das Anlagevermögen in eine GbR, wobei an den Personengesellschaften die gleichen Personen mit gleichen Geschäftsanteilen beteiligt waren. Ihrem Gesellschaftsvertrag entsprechend stellte die GbR der KG das Anlagevermögen unentgeltlich zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung.

Entscheidung

a) Personengesellschaft als Organgesellschaft

Der BFH hat in der Sache V R 25/13 entschieden, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit der Verwendung der im Zivilrecht geläufigen Terminologie „juristische Person“ den darin ausgedrückten Tatbestand aufnimmt. Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH oder eine AG. Personengesellschaften werden deshalb von dieser Regelung nicht umfasst. Ferner hält der BFH an seiner Rechtsprechung im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz fest, wonach eine Personengesellschaft nicht i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG unselbstständig sein kann. Für den nationalen Gesetzgeber besteht – aus Sicht des BFH – in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 11 Unterabs. 2 MwStSystRL) eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken. Diese Einschränkung dient nach dem BFH-Urteil nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern sie soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen. Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies nach Auffassung des BFH auf die Personengesellschaft nicht zu.

Jedoch kommt der BFH zu dem Schluss, dass im Wege einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Personengesellschaft ausnahmsweise wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden kann. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit muss selbst bei – der stets möglichen – Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips bei Personengesellschaften gewährleistet sein. Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos – in einer bis zum Organträger reichenden Organkette – zu bejahen ist.

b) Kriterien der finanziellen und organisatorischen Eingliederung

In der Sache V R 15/14 hat der BFH seine frühere Rechtsprechung bestätigt, dass die finanzielle Eingliederung nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraussetzt. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte. Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte Vereinfachungszweck zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger somit aufgrund der Eingliederung möglich sein, die – nach § 370 AO strafbewährte – Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger – ähnlich wie bei unselbstständigen Betriebsabteilungen im Unternehmen einer Person – die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche durchsetzen kann.

c) Nichtunternehmer als Teil eines Organkreises?

In der Sache V R 67/14 hat der BFH entschieden, eine Organschaft mit einem Nichtunternehmer (wie hier einer nichtunternehmerischen Einrichtung des öffentlichen Rechts) nicht möglich ist. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 die Eingliederung einer Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers voraus. Der BFH hält es nach der EuGH-Rechtsprechung in der Sache C-174/14, Saudacor zwar auch für denkbar, dass auch eine Kapitalgesellschaft wie eine AG oder GmbH (als Einrichtung des Privatrechts) in einem entsprechenden Fall als Einrichtung des öffentlichen Rechts angesehen werden kann. Dies erfordert aber, dass die Kapitalgesellschaft „im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt“, was im Streitfall des BFH nicht der Fall war, weil die GmbH auf privat-rechtlicher Grundlage tätig geworden war. Das Nichtvorliegen einer Organschaft zwischen der GmbH und der Einrichtung des öffentlichen Rechts ergibt sich nach dem BFH-Urteil daraus, dass die Unternehmereigenschaft des Organträgers zu den Voraussetzungen, nicht aber zu den Rechtsfolgen der Organschaft gehört. Der BFH interpretiert die EuGH-Rechtsprechung dahingehend, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 11 MwStSystRL) nicht die Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, sondern die Regelung hat nur bedingten Charakter. Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer Präzisierung auf nationaler Ebene bedarf und die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen. Der BFH geht davon aus, dass für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer eigenen Unternehmereigenschaft des Organträgers eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht besteht. Zwar geht diese Bedingung über die in Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ausdrücklich genannten Voraussetzungen hinaus. Das Erfordernis der Unternehmereigenschaft des Organträgers ist aber im nationalen Kontext zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen erforderlich wie auch geeignet. Für den BFH verhindert die Unternehmereigenschaft des Organträgers, dass die Organschaft entgegen ihrem Vereinfachungszweck als reines steuerrechtliches Gestaltungsinstrument zur Vermeidung nichtabziehbarer Vorsteuerbeträge in Anspruch genommen werden kann. Soweit der EuGH meint, dass Nichtunternehmer zur Schaffung der Verbindungsvoraussetzungen in die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen einzubeziehen seien, versteht dies der BFH dahingehend, dass z.B. die finanzielle Eingliederung einer Enkel- in eine Muttergesellschaft auch über eine nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft erfolgen kann. Dabei ist die Tochtergesellschaft allerdings nicht in den Organkreis einzubeziehen. Der BFH hat daher offen gelassen, wie eine wirtschaftliche Verbindung oder Eingliederung zwischen einem Unternehmer und einem Nichtunternehmer begründet werden könnte.

d) Geschäftsveräußerung im Ganzen und Organschaft

Der BFH hat in der Sache V R 36/13 entschieden, dass in Bezug auf die Übertragung der Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufspaltung durch den Einzelunternehmer auf die KG eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorlag, da diese auch gegeben sein kann, wenn nicht der Veräußerer das Anlagevermögen an den Erwerber vermietet, sondern auf die Veranlassung des Veräußerers hin eine andere Person (hier die GbR). In der Unentgeltlichkeit der Überlassung sieht der BFH im Streitfall unter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks der GbR und der Personenidentität in beiden Gesellschaften kein „Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit“. In Bezug auf die Übertragung des Anlagevermögens auf die GbR lehnte der BFH jedoch eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung ab, da die GbR mit der unentgeltlichen Überlassung nicht unternehmerisch tätig geworden ist und das Unternehmen (Bauunternehmen) des Veräußerers nicht fortgeführt hat. Eine Organschaft zwischen der GbR und der KG, die wohl dazu geführt hätte, dass auch bezüglich der Übertragung des Anlagevermögens auf die GBR eine Geschäftsveräußerung vorläge, hat der BFH unter Verweis auf seine Urteile in den Sachen V R 15/14, V R 67/14 und V R 25/13 verneint. Dabei führt der BFH ausdrücklich aus, dass er an der Rechtsprechung festhält, nach der es keine sog. Mehrmütterorganschaft gibt. Zwischen Betriebs- und Besitzgesellschaft lag auf der Grundlage der BFH-Urteile vom 02.12.2015 keine Organschaft vor. Diese scheiterte insbesondere am Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung (weder verfügte die KG an der GbR, noch die GbR an der KG. Über eine eigene Mehrheitsbeteiligung). Bei Annahme einer Organschaft wäre demgegenüber umsatzsteuerrechtlich von einer Übertragung durch den Einzelunternehmer auf einen Erwerber (Organträger)auszugehen gewesen, so dass auch die zivilrechtliche Übertragung des Anlagevermögens auf die Besitzgesellschaft (GbR) als Geschäftsveräußerung nichtsteuerbar gewesen wäre.

Praxishinweis

Es bleibt abzuwarten, wie der XI. Senat des BFH in den beiden noch anhängigen Folgeverfahren zum EuGH-Urteil v. 16.07.2015, C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave, XI R 17/11 und XI R 38/12  entscheiden wird. Es ist aber angesichts der vorliegenden Entscheidungen  davon auszugehen, dass die jetzige Rechtsprechung des V. Senats bestätigt wird. Dementsprechend dürften verwaltungsseitig zumindest Änderungen in Abschn. 2.8 Abs. 2 und Abs. 5 UStAE erfolgen. Eine Gesetzesänderung, die die Grundsätze der jetzigen BFH-Rechtsprechung aufgreift, dürfte kaum zu erwarten sein, weil der BFH in seinen Entscheidungen im Wesentlichen die bisherige Gesetzesauslegung durch die Verwaltung bestätigt hat. Neu ist an sich nur, dass – in Sonderfällen – Personengesellschaften auch Organgesellschaften sein können.

Die Rechtsprechung zur möglichen Aufnahme von Personengesellschaften in Organkreise hat Wirkung für alle diesbezüglich noch offenen Steuerfälle. Diesbezüglich kann es zu Rückzahlungsansprüchen kommen, wenn eine Personengesellschaft geltend macht, Umsatzsteuer aufgrund einer nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung doch existierenden Organschaft bislang wegen Nichtannahme einer Organschaft zu Unrecht abgeführt zu haben und der Organträger Vertrauensschutz geltend macht. Es könnte aber auch zu Fällen kommen, in denen die Verwaltung die Rechtsprechung für die Vergangenheit gegen den Willen der Betroffenen anwendet und vom Bestehen einer Organschaft ausgeht. Denn die Organschaft ist zwingende Rechtsfolge des Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen. Die offenen Fälle, in denen eine Organschaft mit einer Personengesellschaft als Organgesellschaft möglich sind, setzen voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Die Zahl dieser Fälle müsste noch eruiert werden. Es sind aber in der Praxis durchaus Fallgestaltungen bekannt, welche sowohl positiv als auch negativ betroffen sind.

Nach der BFH-Rechtsprechung dürfte hinreichend klar geworden sein, dass, sofern die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Absatz 2 Nummer 2 Satz 1 UStG kumulativ vorliegen, die Organgesellschaft dem Organträger untergeordnet ist. Mit diesem Unterordnungsverhältnis gibt der Gesetzgeber den Wirtschaftsteilnehmern eine über die unionsrechtlichen Möglichkeiten hinausgehende Bedingung für die Behandlung als ein Unternehmen auf. Die Notwendigkeit der Eingliederung ist eine Maßnahme, die erforderlich und geeignet ist, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung der Organschaftsregelung vorzubeugen. Entsprechende Maßnahmen der Umgehungsverhinderung können auf abstrakten Überlegungen beruhen, ohne dass es auf die Existenz tatsächlich begründeter Einzelfälle ankommt (vgl. Wäger, UVR 2013, 205, Ziffer III.1). Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der unionsrechtlichen Bestimmungen, nach denen die Mitgliedstaaten insoweit vorbeugend tätig werden dürfen, d. h. der jeweilige nationale Gesetzgeber ist nicht gehalten, erst konkrete Betrugsfälle abzuwarten, um dann zu reagieren, sondern er darf präventiv Maßnahmen ergreifen.

Mit dem Verlust der Selbständigkeit und der Eingliederung in ein anderes Unternehmen gehen die umsatzsteuerlichen Rechte und Pflichten kraft Gesetzes auf den der Organgesellschaft übergeordneten Organträger über, der diese Rechte und Pflichten fortan verantwortlich wahrzunehmen hat. Dies betrifft insbesondere die Stellung als Steuerschuldner gegenüber dem Fiskus (§ 13a UStG) sowie die Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen nach Maßgabe des § 18 UStG. Hinsichtlich dieser für ein funktionierendes Umsatzsteuersystem essentiellen Punkte bedarf es in den Fällen der Organschaft klarer und eindeutiger Regelungen.

Im Ergebnis setzt die Organschaft eine Tätigkeit voraus, die bei selbständiger Ausübung für sich betrachtet zur Unternehmereigenschaft führt. Als Rechtsfolge bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG lediglich, dass die nämliche Tätigkeit bei Vorliegen der Eingliederungsvoraussetzungen nicht selbständig ausgeübt wird und hebelt so die Rechtsfolgen des § 2 Abs. 1 UStG wieder aus. Dieser Ausschluss von Nichtunternehmern ist – so der BFH – durch Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 der 6. EG Richtlinie bzw. Art. 11 Unterabs. 2 MwStSystRL gedeckt.