BMF zur steuerlichen Behandlung von Leistungen im Rahmen der Flüchtlingshilfe

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 09.02.2016, IV C 4 - S 0185/15/10001 :001

Im Zusammenhang mit der Bewältigung der Flüchtlingssituation stellen sich insbesondere Fragen zur umsatzsteuerlichen Behandlung insbesondere nachfolgender Leistungen:

  • Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen sowie Personalgestellungsleistungen,
  • Lieferungen und sonstige Leistungen im Rahmen der Ausstattung und Renovierung von Unterkünften mit öffentlichen Finanzmitteln.

Nach dem BMF-Schreiben v. 20.11.2014 - IV C 2 - S 2730/0-01 (2014/1036761), BStBl. I 2014, 1613 finden aus Billigkeitsgründen für die vorübergehende Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern, u.a. die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG oder die Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG Anwendung, wenn die Entgelte hierfür aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, sofern die Unterbringung in Einrichtungen steuerbegünstigter Körperschaften, in Einrichtungen eines Betriebs gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder in Wohnungen von Vermietungsgenossenschaften sowie -vereinen erfolgt.

Im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik sind die Kommunen und Landkreise mit der Beschaffung und Herrichtung von Wohnraum beauftragt. Im Zuge dieser Aufgabe und aus Gründen der Kostenoptimierung kommt es zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Kommunen, den Landkreisen und gemeinnützigen, nicht gewinnorientierten Vereinen. Behörden stellen den Vereinen finanzielle Mittel zur Verfügung, welche diese einsetzen, um Wohnungen zu renovieren oder Möbel zu beschaffen.

Lieferungen (Verkauf von Möbeln) und sonstige Leistungen (Renovierung von Wohnungen) von Vereinen an Behörden (nicht an Flüchtlinge) unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich der Umsatzsteuer. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG scheidet regelmäßig aus, wenn die Leistungen nicht unmittelbar dem nach Satzungszweck begünstigtem Personenkreis zugutekommen. Inwieweit der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG zur Anwendung kommen kann, ist regelmäßig abhängig von der gemeinnützigkeitsrechtlichen Zuordnung.

Mit BMF-Schreiben v. 09.02.2016 sind im Hinblick auf die durch den Zustrom von Flüchtlingen hervorgerufene besondere und akute Situation hinsichtlich der Leistungen, die von Einrichtungen, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, im Rahmen der Flüchtlingshilfe erbracht werden, folgende, das BMF-Schreiben vom 20.11.2014, IV C 2 - S 2730/0-01 (2014/1036761), BStBl. I, 1613 ergänzende, Billigkeitsmaßnahmen getroffen worden, die für die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2018 gelten.

  • Beteiligt sich eine steuerbegünstigte Körperschaft vorübergehend an der Unterbringung, Betreuung, Versorgung oder Verpflegung von Bürgerkriegsflüchtlingen oder Asylbewerbern und erhält diese Körperschaft dafür Entgelte aus öffentlichen Kassen oder von anderen steuerbegünstigten Körperschaften, wird es nicht beanstandet, wenn diese Einnahmen dem Zweckbetrieb zugeordnet werden.
  • Es wird nicht beanstandet, dass umsatzsteuerliche Vorschriften, die auf vergleichbare Leistungen der jeweiligen Einrichtung an andere Leistungsempfänger (z.B. Obdachlose) bereits angewandt werden, auch auf Leistungen dieser Einrichtung, die der Betreuung und Versorgung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern dienen, angewendet werden (z.B. Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18, 23, 24 bzw. 25 UStG oder Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG), wenn Entgelte dafür aus öffentlichen Kassen oder von anderen steuerbegünstigten Körperschaften gezahlt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Anwendung des § 4 Nr. 18 UStG, auch wenn Flüchtlinge nicht ausdrücklich zu dem nach der Satzung etc. des Leistenden begünstigten Personenkreis gehören.
  • Unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 18 UStG fallen demnach auch Personalgestellungsleistungen zwischen begünstigten Einrichtungen untereinander zum Zwecke der Flüchtlingshilfe sowie die Lieferung von Speisen und Getränken in Flüchtlingsunterkünften, sofern die Einrichtung bereits bisher steuerfreie Mahlzeitendienste erbringt.
  • Die umsatzsteuerliche Behandlung des Kostenersatzes durch Gebietskörperschaften an steuerbegünstigte Einrichtungen für den Bezug von Einrichtungsgegenständen und sonstigen Leistungen (z.B. Renovierung von Wohnungen) ist von der konkreten Ausgestaltung des Sachverhalts abhängig:
  • Erfolgt diese im Rahmen eines Gesamtvertrags z.B. über die Errichtung und den Betrieb einer Flüchtlingsunterkunft, fallen diese Leistungen aus Billigkeitsgründen insgesamt bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 18 UStG.
  • Bei Vorliegen einer konkreten Lieferung, z.B. von Möbeln, unabhängig von einem Gesamtbetreibervertrag unterliegt diese aber weiterhin nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich der Umsatzsteuer. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG scheidet insoweit aus. In diesen Fällen kann unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in Betracht kommen.

Sinn und Zweck der aktuell getroffenen Regelungen ist vor allem die Befreiung aller an der Flüchtlingshilfe Beteiligten von administrativen Schwierigkeiten, die sich u.a. auch in der notwendigen Beantwortung steuerlicher Abgrenzungsfragen zeigen können.

Die nunmehr getroffenen „Billigkeitsmaßnahmen“ dürften nicht im Widerspruch zu dem BMF-Schreiben v. 22.09.2015, IV C 4 - S 2223/07/0015 :015 (2015/0782725), BStBl. I 2015, 745 stehen, mit dem bei anderen Sachverhalten Billigkeitsmaßnahmen bei der Festsetzung der Umsatzsteuer abgelehnt werden. Im BMF-Schreiben v. 22.9.2015 werden ertragsteuerliche Billigkeitsregelungen im Rahmen eines Katastrophenerlasses zu Sach- und Geldspenden von Unternehmern und Privatpersonen getroffen. Unstreitig sind in diesem Zusammenhang sachliche Billigkeitsmaßnahmen bei unentgeltlichen Zuwendungen aus einem Unternehmen nach § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG sowie eine Ausweitung der Steuervergütung nach § 4a UStG im Hinblick auf die verbindlichen Regelungen der MwStSystRL nicht möglich.

Leistungen, die im Rahmen der Flüchtlingshilfe durch Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden, können grds. als Leistungen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit von der Umsatzsteuer befreit werden. Mit der nunmehr getroffenen Billigkeitsregelung soll offensichtlich eine unbürokratische Gleichstellung der Einrichtungen erreicht werden, deren Satzungszwecke nicht ausdrücklich Flüchtlinge als begünstigte Personen vorsehen. Die Verwaltung hält hierbei an den bereits im BMF-Schreiben v. 20.11.2014 verwendeten Begriffen „Billigkeitsregelung“ und „Billigkeitsgründe“ fest. Damit soll offensichtlich verdeutlicht deutlich werden, dass es sich um Billigkeitsregelungen (im Einzelfall) handelt, die Berufungsfälle anderer, bereits nach geltendem Recht nicht von der Umsatzsteuerbefreiung begünstigter Unternehmen verhindert.