BMF zur Vermittlungsleistungen i.S.d. § 4 Nr. 8 und 11 UStG

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 08.12.2015, III C 3 - S 7163/0 :002

Praxisproblem

Mit Urteil v. 24.07.2014, V R 9/13, HFR 2014, 1098 hat der BFH entschieden, dass Versicherungsmakler i.S.d. § 4 Nr. 11 UStG auch sein kann, wer sog. Blanko-Deckungskarten für Kurzzeitversicherungen an- und verkauft. Die Funktion der Versicherungsvermittlungsleistung sei erfüllt, wenn der Vermittler Versicherer und Versicherungsnehmer zusammenbringt, indem er dem Versicherungsnehmer einen Nachweis über einen Versicherer, der Versicherungsschutz anbietet, erbringt und den Kontakt zu diesem herstellt. Der Umstand, dass der Unternehmer die Deckungskarten nicht unmittelbar von den Versicherungsunternehmen, sondern von anderen Unternehmen erworben hat, stehe dabei der Annahme einer Tätigkeit als Versicherungsmakler ebenso wenig entgegen wie der nur mittelbare Kontakt des Unternehmers zu den Versicherungsunternehmen im Falle des Verkaufs von Deckungskarten an fremde Prägestellen, die die Deckungskarten ihrerseits weiterverkaufen.

Sachverhalt

Mit BMF-Schreiben v. 08.12.2015 ist mit Blick auf diese BFH-Rechtsprechung eine Klarstellung in Abschnitt 4.8.1 UStAE zum Vermittlungsbegriff vorgenommen worden.

Entscheidung

Nach dem BMF-Schreiben regelt Abschnitt 4.8.1 UStAE in seinen ersten sechs Sätzen nunmehr Folgendes: Die in § 4 Nr. 8 und 11 UStG bezeichneten Vermittlungsleistungen setzen die Tätigkeit einer Mittelsperson voraus, die nicht den Platz einer der Parteien des zu vermittelnden Vertragsverhältnisses einnimmt und deren Tätigkeit sich von den vertraglichen Leistungen, die von den Parteien dieses Vertrages erbracht werden, unterscheidet. Zweck der Vermittlungstätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, an dessen Inhalt der Vermittler kein Eigeninteresse hat. Es genügt aber (das ist neu), wenn der jeweilige Vermittler zu den Parteien eine mittelbare Verbindung über andere Steuerpflichtige unterhält, die selbst in unmittelbarer Verbindung zu einer dieser Parteien stehen (vgl. BFH, Urt. v. 28.05.2009, V R 7/08, BStBl.  II 2010, 80). Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei sich (das ist neu) die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, beziehen muss. Die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlung sind auch erfüllt, wenn ein Unternehmer einem Vermittler am Abschluss eines Vertrages potentiell interessierte Personen nachweist und hierfür eine sog. „Zuführungsprovision“ erhält (vgl. BFH, Urt. v. 28. 5. 2009, V R 7/08, BStBl.  II 2010, 80). Nicht steuerfrei sind hingegen (das ist ebenfalls neu) Leistungen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, als Subunternehmer den Versicherer bei den ihm selbst obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten.

Die Grundsätze dieser Regelung sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Umsätze, die vor dem 31.12.2015 erbracht werden, beanstandet die Verwaltung es nicht, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend davon als umsatzsteuerpflichtig behandelt.

Praxishinweis

Der BFH hat das Urteil V R 9/13 zwar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. Gleichwohl hat er klargestellt, dass der Vermittler weder zum Versicherer noch zum Versicherten in unmittelbarer Verbindung stehen muss. Aus dem veröffentlichten BFH-Urteil v. 28.05.2009, V R 7/08, BStBl. II 2010, 80 zu dieser Thematik ergab sich nur, dass ein Untervermittler ohne unmittelbare Beauftragung durch eine der beiden Parteien des abzuschließenden Vertrages steuerfreie Vermittlungsleistungen erbringen kann. Wie die Bezeichnung „Untervermittler“ nahe legt, bedeutete dies im entschiedenen Fall eine Beauftragung durch einen vorgeschalteten Vermittler, der selbst in unmittelbarer Verbindung zum Versicherer stand, wobei sich der Untervermittler mit den an einer Versicherung interessierten Kunden in Verbindung setzte. Die Praxis konnte nach diesem Urteil immer noch annehmen, dass der direkte Kontakt des Untervermittlers mit dem Kunden für die Steuerbefreiung erforderlich sei. So wies die Vorinstanz des BFH-Urteils V R 9/13 zur Verneinung der Steuerbefreiung ausdrücklich darauf hin, dass die Klägerin nicht mit den Endabnehmern in Kontakt trat, sondern nur mit Prägestellen, die gerade keine Versicherungsverträge selbst abschließen wollten und die selbst und ohne Hilfestellung durch die Klägerin nach potentiellen Interessenten suchten (vgl. FG Münster, Urt. v. 31.01.2013, 5 K 189/10 U). Der dem BFH-Urteil V R 9/13 zugrunde liegende Sachverhalt, dass die Klägerin, die selbst Prägestellen unterhielt, Blanko-Deckungskarten an fremde Prägestellen veräußerte, lässt vermuten, dass diese die Deckungskarten ihrerseits teilweise ebenfalls an andere Prägestellen weiterveräußerten. Es spielte für die Entscheidung des BFH aber keine Rolle, ob die Unternehmer, von denen die Klägerin die Deckungskarten erwarb, diese vom Versicherer oder von einem anderen Unternehmer erworben hatten. Mithin ergibt sich erstmals aus dem BFH-Urteil V R 9/13, dass eine Vermittlerkette beliebig lang sein kann.

Nach dem BMF-Schreiben v. 08.12.2015 gilt die Steuerbefreiung für Versicherungsvermittlungsleistungen auch, wenn der Vertrieb von kurzzeitigen Kfz-Versicherungen im Rahmen eines technischen Verfahrens durch Mitteilung einer siebenstelligen Versicherungsbestätigungsnummer (eVB-Nummer) erfolgt, bei dem durch den An- und Verkauf der Freischaltcodes die Ursache für das Zustandekommen von Versicherungsverträgen zwischen den Versicherern und den Versicherungsnehmern gesetzt wird. Seit dem 01.03.2008 stellen die Kfz-Versicherungen als Versicherungsbestätigung nicht mehr die alte Doppelkarte aus, sondern teilen dem Kfz-Halter eine siebenstellige Versicherungsbestätigungsnummer (eVB-Nummer) mit. Das seit diesem Zeitpunkt angewendete Verfahren ermöglicht den Kfz-Zulassungsstellen den direkten Zugriff auf eine Datenbank mit allen notwendigen Informationen zum Versicherungsstatus des Fahrzeugs. Auch nach dieser Systemänderung erfüllt der Unternehmer mit dem Verkauf der entsprechenden Freischaltcodes die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsmittelungsleistung, indem er durch den An- und Verkauf von Freischaltcodes eine entscheidende Ursache für das Zustandekommen von Versicherungsverträgen zwischen den Versicherern und den Versicherungsnehmern leistet.