BMF zur Umsatzsteuerbefreiung der Vermietung von Standflächen auf Kirmessen (Änderung der Verwaltungsauffassung) und Bestellung dinglicher Nutzungsrechte

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 21.01.2016, III C 3 - S 7168/08/10001

Praxisproblem

Mit Urteil v. 13.02.2014, V R 5/13 (bisher nicht im BStBl. veröffentlicht und damit nicht allgemein von der Verwaltung angewendet), hatte der BFH entschieden, dass die Vermietung von Standflächen bei einer Kirmesveranstaltung durch eine Gemeinde eine unternehmerische Tätigkeit gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG darstellt, die in vollem Umfang gem. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei ist. Der BFH wies ausdrücklich darauf hin, dass die Gemeinde bei ihrer Leistungserbringung – hier Überlassung von Standflächen bei Kirmessen – bei richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG entsprechend Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie als Unternehmer tätig war, da sie die Standplätze in einem Mustervertrag „über die Zusage eines Standplatzes“ auf zivilrechtlicher Rechtsgrundlage, nicht aber öffentlich-rechtlich überließ.

Darüber hinaus stellt der BFH klar, dass er an seiner – in Abschn. 4.12.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE zitierten – entgegenstehenden Rechtsprechung nicht mehr festhält. Die durch das BFH-Urteil v. 24.01.2008, V R 12/05, BStBl. II 2009, 60 für die Überlassung von Wochenmarkt-Standplätzen an Markthändler bewirkte Rechtsprechungsänderung, wonach die Überlassung von Standplätzen als einheitliche Vermietungsleistung anzusehen und sofern diese Vermietungsleistung prägend ist, als insgesamt steuerfrei zu behandeln ist, gelte auch für die Standplatzüberlassung auf Kirmesveranstaltungen. Danach ist die Überlassung der (Kirmes-)Standplätze wesentliches Leistungselement; die darüber hinaus erbrachten Organisationsleistungen sind als Nebenleistungen anzusehen.

Des Weiteren führte der BFH aus, dass die Einordnung, ob umsatzsteuerrechtlich eine Vermietungs- oder Verpachtungsleistung vorliegt, sich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts richtet, sondern der richtlinienkonformen Auslegung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL folgt, dessen grundlegendes Merkmal darauf gerichtet ist, dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.

Aufgrund der BFH-Urteile v. 08.11.2012, V R 15/12 und v. 28.05.2013, XI R32/11 zur Frage der Umsatzbesteuerung von ökologischen Ausgleichsmaßnahmen war überdies fraglich, ob jegliche abgesicherte Leistung unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe c UStG fällt, sondern – in richtlinienkonformer Auslegung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH – nur solche Leistungen, die im Ergebnis ihrer Art nach eine Vermietung oder Verpachtung i.S.d. Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL darstellen.

Entscheidung

Mit dem BMF-Schreiben v. 21.01.2016, III C 3 - S 7168/08/10001 (2016/0063899) hat die Verwaltung sich für eine Anwendung der Grundsätze der o.g. Rechtsprechung ausgesprochen (einer Veröffentlichung des BFH-Urteils V R 5/13 stehen jedoch offenbar die Ausführungen des BFH unter Tz. II.1.a der Entscheidungsgründe zur Besteuerung von Körperschaften des öffentlichen Rechts entgegen). Der Vermietungs- und Verpachtungsbegriff insbesondere in den Abschnitten 4.12.1, 4.12.4 und 4.12.8 UStAE wurde an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst und die Grundsätze zur Umsatzsteuerbefreiung einer Standplatzüberlassung auf Kirmesveranstaltungen übernommen, sowie eine Klarstellung der Bestellung dinglicher Nutzungsrechte vorgenommen.

Die Einordnung, ob umsatzsteuerrechtlich eine Vermietungs- oder Verpachtungsleistung vorliegt, richtet sich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern folgt der richtlinienkonformen Auslegung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL.

Die Vermietung von Standflächen bei einer Kirmesveranstaltung durch eine Gemeinde kann als einheitliche Leistung gem. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG in vollem Umfang umsatzsteuerfrei sein, wenn die Überlassung der Standplätze als wesentliches Leistungselement prägend ist und darüber hinaus erbrachte Organisationsleistungen als Nebenleistungen anzusehen sind.

Bei der Bestellung dinglicher Nutzungsrechte fällt nicht jegliche abgesicherte Leistung unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. c UStG, sondern nur solche Leistungen, die im Ergebnis ihrer Art nach eine Vermietung oder Verpachtung darstellen.

Praxishinweis

Die Vermietung eines Grundstücks setzt voraus, dass dem Mieter vom Vermieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, das Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung als „Vermietung“ in diesem Sinne zu behandeln ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Maßgebend ist der objektive Inhalt des Vorgangs, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben. Diese Voraussetzungen gelten auch für die Verpachtung eines Grundstücks und die hierdurch typischerweise eingeräumten Berechtigungen an dem Grundstück zur Ausübung einer sachgerechten und nachhaltigen Bewirtschaftung.

Für die Vermietung eines Grundstücks ist es nicht erforderlich, dass die vermietete Grundstücksfläche bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags bestimmt ist. Der Mietvertrag kann auch über eine zunächst unbestimmte, aber bestimmbare Grundstücksfläche (z.B. Fahrzeugabstellplatz) geschlossen werden. Die spätere Konkretisierung der Grundstücksfläche kann durch den Vermieter oder den Mieter erfolgen. Die Dauer des Vertragsverhältnisses ist ohne Bedeutung. Auch die kurzfristige Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks kann daher die Voraussetzungen einer Vermietung erfüllen. Die Dauer der Gebrauchsüberlassung muss nicht von vornherein festgelegt sein. Auch vertragliche Beschränkungen des an der Mietsache bestehenden Nutzungsrechts schließen nicht aus, dass es sich um ein ausschließliches Nutzungsrecht handelt.

Unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. c UStG fallen insbesondere der Nießbrauch (§ 1030 BGB), die Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB), die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) sowie das Dauerwohnrecht und das Dauernutzungsrecht (§ 31 WoEigG), wenn die Bestellung solcher dinglicher Nutzungsrechte vom Begriff der Vermietung und Verpachtung umfasst wird. Danach ist z.B. die entgeltliche Bestellung eines unwiderruflich eingeräumten dinglichen Nutzungsrechts zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen nach den Naturschutzgesetzen nicht nach § 4 Nr. 12 UStG befreit. Es fallen nur jene dinglichen Nutzungsrechte unter die Steuerbefreiung, die – wie z.B. die Einräumung des Wegerechts – dem Inhaber ein Nutzungsrecht an dem Grundstück geben.