EuGH zur Zahlung von Erstattungszinsen für Zollbeträge

EuGH, Urt. v. 18.01.2017, C-365/15, „Wortmann“

Praxisproblem

Sofern Zollbeträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist die Erstattung dieser Beträge im Rahmen des seit dem 01.05.2016 geltenden Zollrechts gem. Art. 117 des Unionszollkodex [UZK] (bzw. für den Zeitraum davor gem. Art. 236 des EG-Zollkodex [ZK]) vorgesehen. Problematisch sind aber in diesem Zusammenhang die Fragen, ob der Zollschuldner auch Zinsen auf die von ihm geleisteten Zahlungen erhält und ab welchem Zeitpunkt die Zahlung dieser Zinsen erfolgt.

Für das vor dem 01.05.2016 geltende Zollrecht verweist Art. 241 S. 2, Anstrich 2 ZK nämlich auf das nationale Recht, das in § 236 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) für Erstattungsbeträge regelt, dass die Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, also ab Erhebung der finanzgerichtlichen Klage (§ 66 der Finanzgerichtsordnung [FGO]), erfolgen soll. Für den Zeitraum davor, also ab Zahlung der Zollbeträge, ist vom Gesetz her eine Erstattung von Zinsen nicht ausdrücklich vorgesehen.

Sachverhalt

Wortmann hatte von 2006 bis 2012 Schuhe aus Vietnam und China in die EU importiert, für die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 Antidumpingzölle festgesetzt wurden. Hersteller der importierten Schuhe waren die Unternehmen Brosmann Footwear und Seasonable Footwear.

Wortmann stellte in den Jahren 2010 bis 2012 mehrere Erstattungsanträge beim zuständigen Hauptzollamt. Da die Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 im Jahr 2012 (zunächst nur) vom EuGH für teilweise nichtig im Hinblick auf bestimmte Hersteller, darunter Brosmann Footwear und Seasonable Footwear, erklärt wurde, erstattete das Hauptzollamt im Jahr 2013 verschiedene Zollbeträge.

Ebenfalls im Jahr 2013 beantragte Wortmann beim Hauptzollamt die Festsetzung von Zinsen auf die ausgezahlten Erstattungsbeträge, was das Hauptzollamt aber ablehnte. Nach einem erfolglos durchgeführten Einspruchsverfahren zog Wortmann vor das FG Düsseldorf.

Das FG Düsseldorf kam zu dem Ergebnis, dass Art. 241 ZK die Verzinsung der Beträge ausschließe. Aufgrund des in Art. 241 S. 2, Anstrich 2 ZK enthaltenen Verweises auf das nationale Recht komme nur § 236 AO als Anspruchsgrundlage für eine Erstattung von Zinsen in Betracht. Da Wortmann die Antidumpingzollbeträge aber bereits im Rahmen eines behördlichen und eben nicht infolge eines gerichtlichen Verfahrens erstattet worden waren, sah das FG Düsseldorf den § 236 AO als nicht anwendbar an.

Das FG Düsseldorf fragte sich vor dem Hintergrund der bisher zur Verzinsung von Erstattungsbeträgen ergangenen EuGH-Rechtsprechung aber, ob die Anwendung des § 236 Abs. 1 AO in der im Ausgangsverfahren gegebenen Konstellation wirklich sachgerecht ist. Im Fall der Erstattung einer von einem EU-Mitgliedstaat rechtswidrig erhobenen Abgabe darf dem Abgabenpflichtigen nämlich eine angemessene Entschädigung für die Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Abgabe erlitten hat, nicht vorenthalten werden. Von einer solchen Vorenthaltung ist dann schon auszugehen, wenn die einzelstaatliche Zinsregelung eine Berechnung erst ab dem Tag des Antrags auf Erstattung und gerade nicht schon von dem Tag der zu Unrecht erfolgten Zahlung vorsieht.

Das FG Düsseldorf legte den Fall daher dem Europäischen Gerichtshof mit folgender Fragestellung zur Vorabentscheidung vor:

„Ist Art. 241 ZK dahin gehend auszulegen, dass das darin in Bezug genommene einzelstaatliche Recht unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Effektivität eine Verzinsung von erstatteten Einfuhrabgabenbeträgen von dem Zeitpunkt der Zahlung der Abgabenbeträge bis zur Auszahlung der Erstattungsbeträge auch in den Fällen vorsehen muss, in denen der Erstattungsanspruch nicht bei einem einzelstaatlichen Gericht eingeklagt worden ist?“

Entscheidung

Mit seinem Urteil vom 18.01.2017 in der Rs. C-365/15, Wortmann, schaffte der EuGH nun Klarheit zu diesem Thema mit folgendem Tenor:

„Werden Einfuhrabgaben, zu denen auch Antidumpingzölle gehören, deshalb erstattet, weil sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, besteht eine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten, Rechtsuchenden, die einen Anspruch auf die Erstattung der entrichteten Beträge haben, diese ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen.“ (Hervorhebungen im Original nicht enthalten)

Der EuGH schloss sich damit den Ausführungen des Generalanwalts vom 08.09.2016 an, in denen dieser zum gleichen Ergebnis gelangt war.

Sowohl aus der Entstehungsgeschichte von Art. 241 ZK als auch aus dem Zusammenhang, in den sich diese Bestimmung einfüge, ergebe sich nämlich, dass sie unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens keine Anwendung finde. Die Durchführung des Verfahrens der anfänglichen Festsetzung der Zollschuld stehe auf einer so fragilen Grundlage, dass es gerechtfertigt sei, dass als allgemeine Regel weder die Verwaltung noch der Abgabenpflichtige während des (kurzen) Zwischenzeitraums zur Zahlung von Zinsen verpflichtet seien, wenn die Grundlage nachträglich wegen einer Überzahlung oder einer unzureichenden Zahlung berichtigt werden müsse. Die Erstattung von Antidumpingzöllen an Wortmann beruhe aber nicht auf einem Fehler bei der Berechnung dieser Zölle, der nach der Überlassung der Waren durch die zuständige Zollbehörde an Wortmann festgestellt worden wäre. Daher könne Art. 241 S. 1 ZK in diesem Fall nicht dahin ausgelegt werden, dass die Verzinsung grundsätzlich ausgeschlossen sei.

Da im Ergebnis somit weder Art. 236 Abs. 1 ZK noch Art. 241 ZK die Zahlung von Zinsen im gegebenen Fall ausschlössen und auch die bisherige EuGH-Rechtsprechung bei Zahlung von Steuern oder Zöllen auf Grundlage einer nichtigen Verordnung grundsätzlich nicht nur die Erstattung, sondern auch die Verzinsung der zu Unrecht gezahlten Beträge vorsehe, sei Wortmann der bereits erstattete Zollbetrag nun auch entsprechend zu verzinsen.

Praxishinweis

Unternehmen, die Erstattungsansprüche nach Maßgabe des ZK-Rechts geltend machen wollen, sollten aufgrund der Entscheidung in der Rechtssache Wortmann nun prüfen, ob nicht vorsorglich entsprechende Zinsanträge gestellt werden sollten.

Interessant für die Zukunft wird bleiben, was aus der „Wortmann“-Entscheidung für die Anwendung des UZK gefolgert werden kann. Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK sieht nämlich vor, dass im Fall der Erstattung von den betreffenden Zollbehörden keine Zinsen zu zahlen sind. Den bisherigen Verweis auf das nationale Recht gibt es nicht mehr. Zum Teil wird, gerade unter Berücksichtigung der oberhalb dargestellten, dem „Wortmann“-Urteil vorangehenden EuGH-Rechtsprechung bereits vertreten, dass Art. 116 Abs. 6 UZK europarechtswidrig sein könnte.

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