FG Hamburg zur Sorgfaltspflicht und Haftung eines Geschäftsführers im Metall- und Schrotthandel

Anmerkung zu: FG Hamburg, Urt. v. 16.07.2014, 3 K 240/13

Praxisproblem

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur bei Personenidentität von  Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und leistendem Unternehmer, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, in Betracht. Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Man versteht darunter in der Regel denjenigen, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist.Leistender kann dabei auch ein „Strohmann“ sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. „Strohmann“) im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. „Hintermann“), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der „Strohmann“ aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem „Strohmann“ auch solche Leistungen zuzurechnen, die der „Hintermann“ berechtigterweise im Namen des „Strohmannes“ tatsächlich ausgeführt hat.

Unbeachtlich ist das „vorgeschobene“ Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien – der „Strohmann“ und der Leistungsempfänger – einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hintermann“ eintreten sollen. Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene – ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende – Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will.

Sachverhalt

Im Streitfall geht es um die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides des Geschäftsführers A einer GmbH für Umsatzsteuer nebst steuerlicher Nebenleistungen. Die B-GmbH betrieb Handel „mit Waren aller Art, insbesondere Vertrieb von Altmetallen und Metallschrott und ähnlichen Wertstoffen“. A meldete Umsätze und Vorsteuerbeträge an. Für den Streitzeitraum wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durchgeführt. Daraufhin erließ das Finanzamt einen Änderungsbescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung und versagte den Vorsteuerabzug aus Rechnungen verschiedener Geschäftspartner der B-GmbH. Die B-GmbH legte Einspruch gegen die geänderten Bescheide ein. Das Finanzamt versagte das Vorsteuerabzugsrecht der Klägerin mit der Begründung, dass die mitgeteilten Geschäftsdaten nicht kontrolliert gewesen worden wären. Es gäbe Anhaltspunkte, dass die Geschäftspartner nicht an den in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig waren. Zudem gäbe es offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten. Daraufhin erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid gegen den Kläger für Umsatzsteuerschulden, Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge. Mit Hinweis auf die Umsatzsteuer-Sonderprüfung habe A die Pflicht verletzt,  Rücklagen zur Begleichung der Steuerschulden zu bilden. Die Pflichtverletzung sei auch ursächlich für Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Dagegen legte der A Einspruch ein, welchen das Finanzamt zurückwies.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage des A gegen den Haftungsbescheid als unbegründet zurück. Es bestand – wegen der Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten – eine Pflicht des den Vorsteuerabzug geltend machenden Unternehmers, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmers zu vergewissern. Der Kläger hätte hinreichend Anhaltspunkte gehabt, die Verhältnisse der streitigen Lieferanten zu überprüfen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Metallhandel eine „Hochrisikobranche“ bezüglich der Umsatzsteuerhinterziehung sei. Angesichts dieser Umstände und der überwiegenden Barzahlungen unterlag der Kläger als Geschäftsführer der B-GmbH weitgehenden Sorgfaltspflichten. Der Kläger nahm zumindest billigend in Kauf, dass die auftretenden Personen nicht die tatsächlich Leistenden waren, sondern nur rechnungsmäßig in die Leistungskette eingeschaltet wurden und weder eine eigene Verpflichtung eingehen noch Steuern entrichten wollten. Der Kläger hat als Geschäftsführer der B-GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften der streitigen Lieferanten die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht und die Umsatzsteuer folglich nicht abgeführt hat. Kein Indiz für Strohmanntätigkeit stelle dagegen der hohe Umsatz eines „Neuhändlers“ und die Abwicklung über Streckengeschäfte dar.

Praxishinweis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Unternehmer im Hinblick auf die Prüfung der Zulieferer und Kunden sowie die entsprechende Abwicklung der Geschäfte genaue Überprüfungen vornehmen und diese dokumentieren sollten.

Seit dem BMF-Schreiben vom 23.05.2016 zur Abgrenzung zwischen steuerlicher Berichtigung und strafbefreiender Selbstanzeige hat die Finanzverwaltung auf verschiedenen Wegen immer wieder die Notwendigkeit eines Risikomanagements bzw. Compliance-System für die Umsatzsteuer betont. In diesem Zusammenhang gilt allerdings, dass jedes Unternehmen sich von anderen unterscheidet und eine passgenaue Risikosteuerung erfolgen sollte.

Nähere Informationen erhalten Sie hier:
<link file:691 _blank>Themenflyer Umsatzsteuer-Risk-Management

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