BFH zur Unionsrechtskonformität des § 4 Nr. 28 UStG

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 21.09.2016, V R 43/15

Praxisproblem

Nach § 4 Nr. 28 UStG ist die Lieferung von Gegenständen befreit, die der Unternehmer ausschließlich für Tätigkeiten verwendet, die nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG steuerfrei sind bzw. unter Berufung auf unmittelbare Anwendung der MwStSystRL als steuerfrei zu behandeln sind und somit nach § 15 Abs. 2 UStG beim Erwerb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt haben oder wenn der Vorsteuerabzug für die gelieferten Gegenstände (als bestimmte ertragsteuerlich nicht abziehbare Betriebsausgaben) nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen war. Die Regelung dient in erster Linie der Steuervereinfachung. Ohne die Befreiung würden Hilfsumsätze mit gebrauchten Gegenständen, z.B. der Verkauf von Anlagegütern, bei deren Anschaffung der Vorsteuerabzug ausgeschlossen war, besteuert. Überdies käme es in Fällen der Steuerpflicht der Veräußerung solcher Gegenstände ggf. zu einer Vorsteuerberichtigung zugunsten des Unternehmers (§ 15a Abs. 8 UStG). Der Unternehmer soll in den Fällen des § 4 Nr. 28 UStG mit den Vorsteuern belastet bleiben, die ihm von anderen Unternehmern beim Erwerb der Gegenstände in Rechnung gestellt worden sind, eine zusätzliche Steuer auf den Verkauf der Gegenstände, die zu einer Steuerkumulation führen würde, soll verhindert werden.

Sachverhalt

Hintergrund des vom BFH entschiedenen Verfahrens war ein Sale-and-lease-back-Geschäft, bei dem eine Klinik bereits für weit überwiegend gem. § 4 Nr. 16 Buchst. b des UStG (in der im Streitjahr (2004) geltenden Fassung) für steuerfreie Umsätze genutztes medizinisches Gerät (und eine Telefonanlage) veräußerte, um es anschließend steuerpflichtig zu leasen. Das medizinische Gerät wurde teilweise erst im Jahr 2003 angeschafft und vor der Veräußerung nur wenige Monate genutzt. Die Klinik wies in der Rechnung anlässlich der Veräußerung Umsatzsteuer gesondert aus und begehrte eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG im Hinblick auf die steuerpflichtige Veräußerung. Dem folgte das FA nicht und behandelte die Veräußerungen als gem. § 4 Nr. 28 UStG steuerfreie Umsätze, weil die medizinischen Geräte und die Telefonanlage zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich für eine steuerbefreite Tätigkeit i.S.v. § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG verwendet worden seien. Die in den Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer setzte das FA nach § 14c UStG fest und lehnte eine Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG ab.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass § 4 Nr. 28 UStG im Einklang mit dem Unionsrecht steht. Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe „verwendet“ in § 4 Nr. 28 UStG und „bestimmt“ in der deutschen Fassung des Art. 13 Teil B Buchst. c der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 136 MwStSystRL) stellt keinen sachlichen Unterschied dar. Der Zweck des § 4 Nr. 28 UStG gebietet es, Veräußerungsumsätze steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus der Anschaffung der veräußerten Gegenstände ausgeschlossen war.

Die Benutzung der unterschiedlichen Begriffe „verwendet“ in § 4 Nr. 28 UStG und „bestimmt“ in der deutschen Fassung des Art. 13 Teil B Buchst. c der 6. EG-Richtlinie bedeutet keinen sachlichen Unterschied. Während einige Sprachfassungen, wie z.B. die deutsche und die italienische, darauf abstellen, dass die Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze „bestimmt“ waren, stellen andere, wie z.B. die englische, die niederländische, die spanische und die dänische Sprachfassung auf die „Verwendung“ ab. Falls die Fassungen voneinander abweichen, ist die Bedeutung des betroffenen Ausdrucks nicht auf der Grundlage einer ausschließlich wörtlichen Auslegung zu ermitteln, sondern anhand von Sinn und Zweck der Regelung, zu der er gehört (so auch die bisherige EuGH-Rechtsprechung).

Praxishinweis

Das Urteil stützt die geltende Verwaltungsauffassung. Der BFH hat sich mit dem Urteil der nachträglichen Heilung einer Fehlgestaltung im Einzelfall durch eine Auslegung gegen den Wortlaut sowie gegen den Sinn und Zweck des Gesetzes entgegen gestellt. Der Sinn und Zweck des § 4 Nr. 28 UStG gebietet es nach dem Urteil, Veräußerungsumsätze steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus der Anschaffung der veräußerten Gegenstände nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen war. Darauf, ob der Unternehmer möglicherweise bereits beim Erwerb der betreffenden Gegenstände deren späteren Verkauf beabsichtigte, komme es deshalb nicht an.

Hinsichtlich der Behandlung der Telefonanlage folgte das FG Hamburg noch der Auffassung des FA – nicht aber der BFH, der das Verfahren wegen dieser Frage an das FG zurückverwies. Die Telefonanlage sollte nämlich im Zeitpunkt ihres Erwerbs und erstmaligen Verwendung zwar überwiegend im Rahmen der Ausführung steuerfreier Krankenhausumsätze, aber in geringem Umfang auch zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet werden. Denn indem die Klägerin ihren Patienten die Nutzung der Telefonanlage gegen Entgelt eingeräumt hat, habe sie keine mit den steuerbefreiten Krankenhausumsätzen „eng verbundene Umsätze“ i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie ausgeführt, weil die Telefonnutzung zur Erreichung der therapeutischen Ziele nicht unerlässlich ist. Anders als bei den medizinischen Geräten greife deshalb die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 28 UStG nicht ein. Daher muss das FG die Ermittlung des Sachverhalts im Zusammenhang mit dieser steuerpflichtigen Veräußerung nebst Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG noch nachholen.

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