EuGH zum Steuersatz beim Betrieb eines Pferderennstalls und der Überlassung von Rennpferden

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 10.11.2016, C-432/15, Pavlína Baštová

Praxisproblem

Der EuGH hatte über die Steuerbarkeit von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Pferderennstalls sowie um die Frage der Anwendbarkeit eines ermäßigten Steuersatzes zu entscheiden. Konkret ging es um die Frage, inwieweit die Überlassung von Rennpferden an Rennveranstalter steuerbar ist bzw. ob der Betrieb eines Rennstalls eine einheitliche Leistung ist, die nicht steuerermäßigt sein kann.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt landwirtschaftliche Primärerzeugung (Bewirtschaftung von Dauergrünland) und ist auch im Bereich der Haltung und des Trainings von Rennpferden tätig. Diese Tätigkeiten erbringt sie auf Dauer und mit der Absicht der Gewinnerzielung. Sie ist auch Inhaberin einer Trainerlizenz, die es ihr ermöglicht, Rennpferde professionell zu trainieren. Streitpunkt des Ausgangsverfahrens ist, dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihren Teilnahmen an Pferderennen den Vorsteuerabzug begehrt. Ihre Umsätze (Preisgelder) versteuerte sie zum ermäßigten Satz von 10 %. Das Finanzamt erkannte das Recht der Klägerin auf vollen Vorsteuerabzug nicht an und stimmte auch der Zuordnung der Dienstleistung „Betrieb eines Rennstalls“ zum ermäßigten Steuersatz nicht zu. In diesem Zusammenhang fragte das Vorlagegericht den EuGH,

  • ob die Überlassung eines Pferdes an einen Rennveranstalter aufgrund der erzielbaren Preisgelder eine steuerbare Dienstleistung gegen Entgelt darstellt,
  • ob die Teilnahme an Pferderennen Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ist,
  • welche Kriterien für das Vorliegen von Haupt- und Nebenleistungen gelten und
  • ob im Vorlagefall der ermäßigte Steuersatz für die Überlassung von Sportanlagen zur Anwendung kommt.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Überlassung eines Pferdes durch seinen Eigentümer, der Unternehmer ist, an den Veranstalter eines Pferderennens zwecks Teilnahme des Pferdes an diesem Rennen keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL darstellt, wenn für sie weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur die Eigentümer der Pferde mit einer erfolgreichen Platzierung in dem Rennen ein (sei es auch ein im Voraus festgelegtes) Preisgeld erhalten. Die Überlassung eines Pferdes stellt dagegen eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung dar, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung des Pferdes in dem Rennen unabhängige Vergütung zahlt. Das Preisgeld, das gegebenenfalls mit einem Pferd des Steuerpflichtigen gewonnen wird, kann nach dem Urteil nicht als tatsächliche Gegenleistung für die Überlassung des Pferdes durch seinen Eigentümer an den Veranstalter eines Pferderennens eingestuft werden.

Ein Unternehmer, der seine eigenen Rennpferde und die von dritten Personen hält und ausbildet, hat nach dem Urteil ein Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die Umsätze für die Vorbereitung und Teilnahme seiner Pferde an den Pferderennen, da die Aufwendungen für diese Umsätze zu den mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängenden Gemeinkosten gehören, vorausgesetzt, dass die Aufwendungen für die einzelnen Umsätze einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Tätigkeit insgesamt aufweisen. Dies kann der Fall sein, wenn die insoweit entstandenen Kosten im Zusammenhang mit den Rennpferden stehen, die tatsächlich für den Verkauf bestimmt sind, oder die Teilnahme dieser Pferde an Rennen objektiv ein Mittel zur Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt.

Schließlich kann nach dem Urteil eine komplexe einheitliche Dienstleistung, die mehrere Elemente umfasst, die sich u.a. auf das Training von Pferden, die Überlassung von Sportanlagen, die Unterbringung der Pferde im Rennstall, die Fütterung und die sonstige Versorgung der Pferde beziehen, nicht steuerermäßigt i.S.v. Art. 98 MwStSystRL sein, wenn die Überlassung der Sportanlagen i.S.v. Anhang III Nr. 14 MwStSystRL und das Training der Pferde zwei gleichwertige Elemente dieser komplexen Dienstleistung darstellen oder wenn das Training das Hauptelement dieser Dienstleistung ist.

Der Begriff „Überlassung von Sportanlagen“ ist nach dem Urteil dahin zu verstehen, dass er das Recht auf Nutzung von Anlagen betrifft, die dem Sport und der Körperertüchtigung dienen, sowie ihre Überlassung zu diesem Zweck. Daraus folgt, dass zwar Leistungen im Zusammenhang mit der Überlassung der für die Ausübung des Pferdesports nötigen Anlagen unter Anhang III Nr. 14 MwStSystRL fallen können, nicht aber Leistungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Anlagen zum passiven Aufenthalt der Pferde im Stall, zu ihrer Fütterung und zu ihrer Versorgung oder Ruhebereiche und Lager.

Praxishinweis

Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung des EuGH zum Leistungsaustausch bzw. zur Steuerbarkeit und zum Begriff der Gegenleistung bzw. zum Vorliegen eines steuerbaren Leistungsentgelts (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 21.11.2013, C-494/12, Dixons). Ausführungen zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit lassen sich u.a. dem EuGH-Urteil v. 19.07.2012, C-263/11, Redlihs entnehmen. Zur Einheitlichkeit der Leistung bzw. zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistungen hatte sich der EuGH zuletzt u.a. im Urteil v. 16.04.2015, C-42/14, Wojskowa Agencja, geäußert.

Von der Möglichkeit zur Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes für die Überlassung von Sportanlagen (Art. 98 i.V.m. Anhang III Nr. 14 MwStSystRL) hat Deutschland nur selektiv für den Betrieb von Schwimmbädern (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG) Gebrauch gemacht. Im Übrigen gilt eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG u.a. für die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere und nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG für Leistungen der Förderung der Tierzucht.

Das deutsche Recht steht nur teilweise im Einklang mit dem Urteil. Das Einstellen und Betreuen von Reitpferden, die von ihren Eigentümern zur Ausübung von Freizeitsport genutzt werden, fällt nicht unter den Begriff „Halten von Vieh“ i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG und ist deshalb nicht mit dem ermäßigten, sondern mit dem allgemeinen Steuersatz zu versteuern (BFH, Urt. v. 22.01.2004, V R 41/02, BStBl. II, 757). Gleiches gilt für Pferde, die zu gewerblichen Zwecken genutzt werden (z.B. durch Berufsreiter oder Reitlehrer), sowie für alle anderen Pferde, die ebenfalls nicht zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden (vgl. BFH, Urt. v. 10.09.2014, XI R 33/13, BStBl. 2015 II, 720). Dies hat der EuGH im Prinzip bestätigt.

Nach Abschnitt 12.2 Abs. 5 UStAE ist der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG auf alle Entgelte anzuwenden, die dem Unternehmer für die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere (tierzüchterische Veranstaltungen, die als Wettbewerbe mit Prämierung durchgeführt werden, z.B. Tierschauen, Pferderennen oder Pferdeleistungsschauen (Turniere) zufließen, insbesondere auf Prämien (Leistungsprämien) und Preise (z.B. Rennpreise) anzuwenden. Nach dem EuGH-Urteil gehören Pferderennpreise aber nicht zum Entgelt für Überlassung des Pferdes durch seinen Eigentümer an den Veranstalter eines Pferderennens, d.h. die Rennpreise sind kein Leistungsentgelt und können damit auch nicht steuerermäßigt sein.

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