EuGH zu Finanzierungsleasing

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 17.07.2014, C-438/13, SC BCR Leasing IFN SA, Finanzierungsleasing – Nichtwiedererlangung verleaster Gegenstände durch die Leasinggesellschaft nach Kündigung

Praxisproblem

Wenn ein Leasingnehmer den geleasten Gegenstand vertragswidrig am Ende der Laufzeit nicht zurückgibt und der Leasinggeber bei seinen Bemühungen, den Gegenstand zurück zu erhalten, erfolglos bleibt, stellt sich umsatzsteuerlich die Frage, wie dieser Vorgang zu bewerten ist. Fraglich wäre, ob ggf. eine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe des Leasinggebers in Form einer unentgeltlichen Zuwendung (Art. 16 MwStSystRL, § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG) vorliegt.

Sachverhalt

Das rumänische MwStG sah im Streitzeitraum vor, dass Fehlbestände im Warenbestand des Unternehmers einer Lieferung von Entgelt gleichgestellt sind, obwohl Art. 16 und 18 MwStSystRL diesen Fall nicht regeln. Im Vorlagefall, in dem eine Leasinggesellschaft ihre Leasinggegenstände nach Kündigung des Leasingvertrags trotz Einleitung von Zwangsmaßnahmen nicht zurückerhalten hatte, war streitig, ob eine Besteuerung des Fehlens der Gegenstände im Bestand des Leasingunternehmens im Einklang mit der MwStSystRL steht. Die rumänische Finanzbehörde war der Auffassung, dass die Klägerin verpflichtet gewesen sei, nach Ablauf der im Vertrag vorgesehenen Frist für die Rückgabe des Gegenstands durch den Leasingnehmer Art. 128 Abs. 4 Buchst. d des RO-MwStG über die Lieferung an sich selbst anzuwenden und MwSt zu vereinnahmen sowie eine Eigenrechnung nach Art. 155 Abs. 2 RO-MwStG auszustellen. Die Klägerin war bzgl. der Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben der Auffassung, aus der MwStSystRL gehe nicht hervor, dass die Situation, in der Gegenstände nach Kündigung eines Finanzierungsleasingvertrags nicht zurückerlangt würden, aus mehrwertsteuerlicher Sicht eine Lieferung von Gegenständen darstellen könnten.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass in Fällen, in denen Leasinggegenstände nicht zurückerlangt werden können, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens von der Regelung des Art. 16 MwStSystRL nicht erfasst werden. Der EuGH hat wiederholt, dass der Zweck von Art. 16 MwStSystRL darin bestehe, sicherzustellen, dass der Unternehmer, der für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals einen Gegenstand entnimmt, und ein Endverbraucher, der einen Gegenstand gleicher Art erwirbt, gleich behandelt werden. Die im Ausgangsverfahren nicht zurückgegebenen Leasinggüter könnten nicht als für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für den Bedarf seines Personals bestimmt angesehen werden, da sie sich nicht in deren Besitz befänden. Der Umstand, dass der Leasingnehmer weiterhin im Besitz dieser Gegenstände sei, ohne irgendeine Gegenleistung zu entrichten, beruhen auf dessen mutmaßlich schuldhaftem Verhalten und nicht auf einer unentgeltlichen Zuwendung dieser Gegenstände vom Leasinggeber an den Leasingnehmer.

Die nicht zurückgegebenen Gegenstände könnten nach dem Urteil auch nicht als in Bezug auf das Unternehmen des Steuerpflichtigen für „unternehmensfremde Zwecke“ verwendet angesehen werden. Denn die Vermietung und damit die Zurverfügungstellung der Gegenstände an den Leasingnehmer stelle den Kern der wirtschaftlichen Tätigkeit des Leasinggebers dar. Der Umstand, dass es dem Unternehmer nicht gelinge, die Gegenstände nach der Kündigung des Leasingvertrags wiederzuerlangen, bedeute nach dem Urteil nicht, dass er sie in Bezug auf sein Unternehmen für „unternehmensfremde Zwecke“ verwendet hätte. Damit sei Art. 16 MwStSystRL auf solche Fälle nicht anwendbar.

Gleiches gilt nach dem Urteil für Art. 18 MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten bestimmte weitere Vorgänge einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellen dürfen. Der Kläger hatte beim Erwerb der Leasinggegenstände den vollen Vorsteuerabzug. Bereits deshalb sei Art. 18 Buchst. a MwStSystRL nicht anwendbar. Art. 18 Buchst. b und c MwStSystRL seien nicht anwendbar, weil der Kläger vorliegend weder die Leasinggegenstände zu einem „nicht besteuerten Tätigkeitsbereich“ i.S.v. Art. 18 Buchst. b MwStSystRL verwendet, noch seine wirtschaftliche Tätigkeit aufgegeben habe, wie dies Art. 18 Buchst. c MwStSystRL verlange.

Praxishinweis

Das Urteil hat keine Auswirkungen auf das deutsche Umsatzsteuerrecht, da nach dem UStG Fehlbestände im Warenbestand/Anlagevermögen keinen Besteuerungstatbestand auslösen. Bereits nach dem EuGH-Urteil v. 14.07.2005, C-435/03, British American Tobacco International Ltd, Newman Shipping & Agency Company NV ist in Fällen, in denen Tabakwaren durch Diebstahl unbelastet in den verbrauchsteuerrechtlich freien Verkehr gelangen, eine Umsatzbesteuerung nach Unionsrecht nicht möglich. Abgesehen von Einfuhren und innergemeinschaftlichen Erwerben können nach dem Urteil nach Art. 2 der 6. EG-Richtlinie nur Lieferungen der Mehrwertbesteuerung unterliegen. Lieferungen liegen nach Art. 5 der 6. EG-Richtlinie vor, wenn ein Gegenstand mit der Befähigung übertragen wird, wie ein Eigentümer darüber zu verfügen (Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie). Diebstähle erfüllen diesen Tatbestand nicht.

Der EuGH hat in diesem Sinne auch im vorliegenden Verfahren entschieden.